Mit 3 Klicks zur Schnupperlehre
28.03.2025 WohlenDer Wohler Marcel Lüthi ist Präsident des Vereins schnuppy.ch
Dank schnuppy.ch kommen Jugendliche einfach zu Schnupperlehren. Angefangen hat alles ganz klein im Bezirk Dielsdorf. Inzwischen nutzen mehrere Kantone diese schweizweit einzigartige Plattform. Nun ...
Der Wohler Marcel Lüthi ist Präsident des Vereins schnuppy.ch
Dank schnuppy.ch kommen Jugendliche einfach zu Schnupperlehren. Angefangen hat alles ganz klein im Bezirk Dielsdorf. Inzwischen nutzen mehrere Kantone diese schweizweit einzigartige Plattform. Nun will Marcel Lüthi das Projekt auch in seiner alten Heimat lancieren.
Chregi Hansen
Er erinnert sich noch gut, als er das Projekt dem Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger vorstellen durfte. In den Bezirken Dielsdorf und Bülach war die Plattform bereits etabliert. Nun zeigte das grosse Zürich Interesse. «Ich war schon etwas nervös. Schliesslich besteht die Stadt aus sieben Schulkreisen, die nicht immer auf einer Linie sind. Daher machte ich mir eher wenig Hoffnung, dass die Stadt mitmacht», berichtet Marcel Lüthi. Doch nach dem Gespräch habe Leutenegger nur gesagt: «Das machen wir.»
Von dem Moment an mussten die Verantwortlichen grösser denken. «Wir hatten schon eine funktionierende Homepage, aber die war nicht auf ein solch grosses Gebiet und so viele Schüler ausgerichtet. Jetzt musste alles von Grund auf neu entwickelt werden», schaut Lüthi auf diese Zeit zurück. Dafür benötigte man Geld. 160 000 Franken gab es von der Stiftung Mercator. Der Erfolg und das Wachstum waren Grund genug, einen Verein zu gründen, um dem Projekt einen sicheren Boden zu geben. Mit Initiant Marcel Lüthi als Präsident.
Seine eigene Berufswahl war von viel Zufall geprägt
«Ich habe die Aufgabe nicht gesucht. Ich kam zu ihr wie Maria zum Kind. Aber das Projekt fasziniert mich. Fast täglich beschäftige ich mich mit schnuppy.ch», erzählt er bei einem Besuch in seiner alten Heimat. Hier in Wohlen ist Lüthi aufgewachsen, hier hat er die Schulen besucht. Später hat er Maschinenschlosser gelernt und Elektrotechnik studiert. «Aber eigentlich habe ich mich in dieser Zeit nur für Fussball interessiert. Darum war mein Berufsweg von viel Zufall geprägt», lacht er. Lüthi wurde Pilot bei der Swissair. Zog, damit er näher beim Flughafen lebte, nach Regensberg. War hier auch Schulpfleger. Längst Pensionär, engagiert er sich nun ehrenamtlich für Projekte. «Es geht um unsere Jugend. Es ist wichtig, dass sie einen guten Start ins Berufsleben haben und nicht frustriert werden», sagt er.
Rund 18 000 Jugendliche nutzen die Plattform
Doch was ist schnuppy.ch überhaupt? «Wir sind quasi wie Parship. Wir bringen Menschen zusammen. Allerdings nicht für Beziehungen. Sondern für eine Schnupperlehre», erklärt der Vereinspräsident. Denn die früher übliche Suche nach Schnupperlehren via Telefon erweist sich immer mehr als frustrierend. Es ist unklar, wer überhaupt solche anbietet oder wann eine möglich ist. Oder die zuständige Person ist gerade nicht da. Oder der Schüler oder die Schülerin hat nicht alle Unterlagen geschickt. Und auch die Lehrpersonen verlieren schnell den Überblick, wer nun wann weg ist. «Wir wollten das Ganze vereinfachen.» Das grosse Ziel: Mit nur gerade drei Klicks zu einer Schnupperlehre. «Eine solche Plattform zu programmieren, war gar nicht so einfach. Wir haben dazu sechs Firmen angeschrieben und schliesslich eine ausgewählt», erzählt Lüthi. «Und die hat sehr gute Arbeit geleistet.»
Im Mai 2021 wurde die neue Plattform im Bezirk Dielsdorf online gestellt und auf Herz und Nieren geprüft. Im Sommer und Herbst 2021 nahmen die ganze Stadt Zürich und die Bezirke Affoltern a. A. und Bülach den Betrieb auf. Und seither sind viele weitere Bezirke dazugekommen. «Im August 2024 waren wir im ganzen Kanton Zürich, im Thurgau und in Teilen der Kantone Aargau, St. Gallen und Schwyz verfügbar. Rund 18 000 Jugendliche nutzen die Plattform und haben über 48 000 Bewerbungen ausgelöst», berichtet Lüthi stolz. Inzwischen wurde eine Geschäftsstelle mit drei 10-Prozent-Stellen eingerichtet. Aktuell laufen Gespräche mit weiteren Kantonen, etwa Schaffhausen oder Basel. Und gerne möchte man den ganzen Kanton Aargau abdecken. «Leider sind gerade die Schulen im Freiamt etwas skeptisch», sagt der gebürtige Freiämter.
Ideal für Schüler, Eltern, Schulen und Firmen
An den Kosten kann es kaum liegen. Einen Franken pro Schüler muss eine Schule bezahlen. Für die Jugendlichen selbst, die Eltern und vor allem für die Betriebe ist die Nutzung kostenlos. «Firmen, die Schnupperplätze anbieten, nehmen schon einen grossen Aufwand auf sich. Oft sind es KMU, die sich mit viel Herzblut für die Ausbildung des Nachwuchses einsetzen», so die Begründung dazu. Schnuppy.ch soll einen möglichst niederschwelligen Zugang bieten. Alles soll einfach sein. Jugendliche sehen auf einen Blick, in welchen Firmen und Berufen in ihrer Nähe Schnupperlehren angeboten werden, und können sich da mit wenigen Klicks bewerben. Firmen können ihre Angebote, mögliche Daten und die dazu nötigen Vorgaben fixieren und müssen dies nicht jedem einzelnen Bewerber mitteilen. Eltern erhalten die Information zu den vereinbarten Schnupperlehren und können ihre Kinder notfalls erinnern. Lehrkräfte können sich einen Überblick verschaffen über die Aktivitäten der Schüler.
Vieles ist automatisiert. Verlangt eine Firma bei der Bewerbung einen Lebenslauf, erhält der Jugendliche gleich eine Meldung, wenn diese fehlt. «Man kann einmal seine Angaben eingeben und sie immer wieder nutzen», sieht Marcel Lüthi den grossen Vorteil. Aber es wird nicht nur geklickt, es besteht auch die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen oder Telefongespräche zu vereinbaren. Bei einer Zusage wird das Inserat der Firma gleich angepasst, bei einer Absage sollte eine Begründung mitgeschickt werden. «In 12 Prozent der Fälle gibt es aktuell keine Antwort. Dieser Wert ist zu hoch, daran müssen wir arbeiten», so Lüthi.
Jetzt auch Gespräche mit dem Kanton Aargau
Wichtig ist ihm die regionale Verbundenheit. Es mache keinen Sinn, Schnupperlehren in weit entfernten Gebieten zu suchen. Die maximale Distanz lässt sich einfach einschränken. Um bekannter zu werden, arbeitet der Verein eng mit den Gewerbevereinen zusammen. Diese stehen der Plattform meist positiv entgegen. Eher als die Schulen, die sich oft schwertun, wenn sie von Vereinen kontaktiert werden, wofür Lüthi ein gewisses Verständnis hat. Darum sei der Kontakt via Gewerbe wertvoll.
«Wir wollen auch nicht mehr gross wachsen. Wir wollen lieber innerhalb des bestehenden Gebiets noch besser werden. mehr verdichten und mehr Stellen anbieten», schaut der Präsident in die Zukunft. In Kürze trifft er Matthias Küng vom Departement Bildung, Kultur und Sport. Ihn hat Lüthi am Abschlussanlass von Berufe Wohlen+ kennengelernt und gleich von den Vorzügen der Plattform zu überzeugen versucht. «Er zeigte sich sehr interessiert», so Lüthi.
Bald mit Geschäftsführer
Seit zehn Jahren engagiert sich der ehemalige Wohler für «sein» Projekt. Die oftmals frustrierende Suche der Jugendlichen nach Schnupperlehren hat die Sekundarschule in Regensdorf im Jahr 2015 dazu bewogen, beim Rotary Club Dielsdorf um Unterstützung anzufragen. Zusammen mit den Gewerbevereinen im Bezirk wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Situation zu verbessern. Daraus wurde das schnuppy-System entwickelt. Dank der treibenden Kraft des Projektleiters Marcel Lüthi und der finanziellen Unterstützung des Rotary Clubs Dielsdorf wurde das Online-Stellenvermittlungs-System 2017 dann erfolgreich im Bezirk Dielsdorf eingeführt. Der Start einer Erfolgsgeschichte.
Der Verein hat weitere Pläne. So kann man sich eine Zusammenarbeit mit Integrationsklassen vorstellen oder auch mit der IV. Geplant ist auch die Installation eines richtigen Geschäftsführers, spätestens dann kann sich der 76-Jährige etwas zurücknehmen. Bis dahin wird er noch alles tun, um das Projekt auch in seiner alten Heimat zum Fliegen zu bringen. Für Gespräche mit Verantwortlichen fährt er gerne von Regensberg nach Wohlen. «Ich wohne zwar schon lange im Kanton Zürich. Aber ich habe viele gute Erinnerungen an meine Zeit hier», schmunzelt er. Und die betreffen nicht nur, aber auch den Fussball. Und seine Zeit in der Schule. «Ich hatte beruflich immer viel Glück. Ich möchte etwas davon zurückgeben», sagt er zum Schluss.