Militärkreuz für Tapferkeit
23.07.2024 WohlenEin Wohler als Kriegsheld
Lorenz Stäger hat die Geschichte seines Onkels John «Jack» Donat, eines gebürtigen Wohlers, der in der englischen Armee im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft hat und dafür mit dem «Military ...
Ein Wohler als Kriegsheld
Lorenz Stäger hat die Geschichte seines Onkels John «Jack» Donat, eines gebürtigen Wohlers, der in der englischen Armee im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft hat und dafür mit dem «Military Cross» ausgezeichnet wurde, aufgearbeitet.
Vor 80 Jahren: John «Jack» Donat (ehemaliger Wohler Bürger) wird in den Kämpfen um Monte Cassino ausgezeichnet
Die heftigen Kämpfe um Monte Cassino werden als «Völkerschlacht des Zweiten Weltkriegs» bezeichnet. Dies wegen der vielen daran teilnehmenden Nationen. Mit dabei war mit John «Jack» Donat ein Wohler Bürger, der erst noch von der britischen Armee ausgezeichnet wurde. Lorenz Stäger hat sich auf Donats Spuren gemacht.
Der Sommer sei der heisseste seit 100 Jahren, notierte mein Vater im Juli 1947 im Tagebuch: «Während sechs Wochen zwischen 30 und 40 °C im Schatten. Wasser fliesst nur noch spärlich.» Man stellte einen Waschzuber unter einen geöffneten Hahn, um ja keinen Tropfen zu verpassen, manche sah man mit dem Milchkessel am Sternenbrunnen. Ich war damals 5-jährig und erinnere mich noch gut daran. Ebenso an Onkel Jack aus London, ein Cousin meiner Mutter, der damals einige Tage bei uns an der Unteren Halde wohnte und jeweils am Morgen mit der Tabakpfeife im Mund aus seinem Schlafzimmer trat. Ausserdem baute er zusammen mit meinem Vater für uns Kinder eine wunderschöne Hütte im Garten.
Onkel Jack war damals 25-jährig, Bauingenieur und gewesener britischer Offizier. Er habe die ganze Verfolgungsjagd hinter Rommel her durch Afrika mitgemacht, hörte ich immer wieder.
Sein Vater gründete in England die Firma Donat & Wildi Ltd.
Generalfeldmarschall Rommel war im Herbst 1942 mit dem deutschen Afrikakorps bis nach El Alamein, 100 Kilometer vor Alexandrien, vorgestossen. Dort wurde er von der britischen 8. Armee unter Montgomery gestoppt und zurückgedrängt. Der deutsche Rückzug führte über 3000 Kilometer durch ganz Libyen und Tunesien bis nach Tunis, wo die Deutschen im Mai 1943 kapitulierten.
Als ich 20 Jahre später mit meinem Studienkollegen Ruedi Fischer dieselbe Strecke befuhr, waren immer noch Trümmer von Fahrzeugen zu sehen und riesige Minenfelder als Sperrgebiete markiert. Natürlich erinnerte ich mich dabei auch an Onkel Jack und seine Zeit in der 8. Armee, ohne jedoch Genaueres darüber zu wissen. Jack war damals bereits verstorben.
Vor Kurzem bin ich seinen Spuren nachgegangen. Eigentlich hiess er John Bertram, wurde aber Jack gerufen – eine in England geläufige Variante für John. Sein Vater Josef Donat-Prouth war ein Bruder des Gärtnermeisters August Donat (mein Grossvater mütterlicherseits) sowie des Landwirts Werner Donat sen. (Grossvater des Bollhofbauern Ruedi Donat). Josef war vor dem Ersten Weltkrieg nach England ausgewandert, wo er für die Wohler Strohfirma Bruggisser tätig war. 1913 machte er sich selbstständig und gründete zusammen mit Leo Wildi, ebenfalls aus Wohlen, die Firma Donat & Wildi Ltd.
Kriegseinsatz gegen Rommel
Jack, geboren 1922, war das jüngste der vier Kinder von Josef und Florence Donat-Prouth. 1942/43 absolvierte er ein Studium als Bauingenieur am Imperial College London. Obwohl er mit seinem Schweizer Pass (Bürger von Wohlen) eine Einberufung hätte umgehen können, verzichtete Jack nach seinem Studium auf sein Schweizer Bürgerrecht, wurde britischer Staatsbürger und trat im Februar 1943 in die Armee ein. Er wurde als Leutnant den Royal Engineers (Genietruppen) zugeteilt und nach Nordafrika geschickt, wo er in einem Panzerregiment (1st Field Squadron Royal Engineers, 3rd Armoured Corps) in Montgomerys 8. Armee Dienst tat. Dieser hatte Rommel in jener Zeit bereits bis nach Süd-Tunesien zurückgedrängt.
Eine der längsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs
Nach der Kapitulation der Deutschen im Mai 1943 erfolgte die Landung in Sizilien, und im September setzten die Alliierten auf das italienische Festland über. Im Archiv der Britischen Armee (im Internet zugänglich) werden auf Jack Donats Personalblatt als Einsatzorte in Italien Monte Cassino, Anzio, Salerno, San Marino aufgeführt.
Besonders heftig tobten vor 80 Jahren die Kämpfe um Monte Cassino, zwischen Rom und Neapel gelegen. Die deutsche Hauptverteidigungsstellung, die Gustav-Linie, führte ausgerechnet an den Südhängen des Berges Monte Cassino entlang, auf dem der gewaltige Komplex des Mutterklosters der Benediktiner stand: die Abtei Monte Cassino, 526 von Benedikt von Nursia gegründet.
Die Deutschen hatten das Gebiet um die Abtei zur neutralen Zone erklärt, dennoch belegten die Alliierten am 17. Februar 1944 die Gebäude mit 500 Tonnen Bomben und machten sie dem Erdboden gleich. Es folgten monatelange blutige Kämpfe, bis sich die Deutschen nach einer der längsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs zurückzogen. Mehrere Soldatenfriedhöfe erinnern an die 30 000 Gefallenen. «Jack was engaged in heavy fighting around Monte Cassino, where he won the Military Cross», schrieb mir Jacks Schwester Doris vor vielen Jahren. (Jack war in schwere Kämpfe rund um Monte Cassino verwickelt, wo er das Militärkreuz gewann).
Das Military Cross wurde für vorbildliche Tapferkeit während Kriegshandlungen (exemplary gallantry during active operations against the enemy – zu Deutsch: vorbildliche Tapferkeit bei aktiven Operationen gegen den Feind) verliehen. Jack beendete den Krieg als Hauptmann mit Majors-Funktion (acting Major) und verbrachte noch ein Jahr in der Armee in Deutschland und Italien, where he enjoyed life riding, sailing and playing tennis (wo er sein Leben beim Reiten, Segeln und Tennisspielen genoss).
Mit 34 Jahren jung verstorben
Wie die meisten Kriegsteilnehmer, ob aufseiten der Alliierten oder der Achsenmächte, hat Jack nie viel über seine Erfahrungen im Krieg gesprochen. So besass seine Schwester Doris auch nur einen einzigen Brief von ihm aus jener Zeit (from Africa), worin er u.a. berichtete, dass er im Urlaub in Kairo seinen Onkel Bert aus Australien getroffen habe, der in der Australian Air Force Dienst tat.
1953 heiratete Jack seine Braut Wendy. Ein Töchterchen wurde ihnen geboren. Nur wenig später erkrankte er an einer heimtückischen Lungenentzündung und verstarb innert drei Tagen am 22. Januar 1956 im Alter von erst 34 Jahren. Die Kriegsjahre an der Front, die monatelangen Kämpfe in der «Völkerschlacht des Zweiten Weltkriegs», wie die Kämpfe um Monte Cassino wegen der vielen daran teilnehmenden Nationen genannt wurde, hatte er unversehrt – physisch und psychisch – überlebt. Jene, die ihn gekannt hatten, konnten es «einfach nicht begreifen».
Lorenz Stäger, Wohlen
Der Autor
Lorenz Stäger, geboren 1942, Dr. phil., studierte Altphilologie und Orientalistik. Nach einigen Jahren als Kulturattaché in Kairo unterrichtete er bis 2006 Latein an der Kantonsschule in Wohlen.
Daneben war er immer auch publizistisch tätig, u.a. für Radio DRS, und schrieb mehrere unterhaltsame Romane, die schweizweit auf den Bestsellerlisten landeten und zu Longsellern wurden. Sein 1978 erschienener Erstling «Aber, aber, Frau Potiphar!» ging bis jetzt über 50 000 Mal über den Ladentisch. «Liebt Ihr Bruder Fisch, Madame?» wurde zu einem Diplomaten-Klassiker und «Alexander der Kleine» war im Radio DRS als Fortsetzungsroman zu hören.
Sein letzter Roman «Der Kammerdiener» wurde 2018 von der Theatergesellschaft Villmergen in der Bühnenfassung von Paul Steinmann mit grossem Erfolg aufgeführt. In den letzten Jahren verfasste Stäger die Biografie «Der Hawaii-Lunzi» sowie mehrere familienhistorische Artikel, u.a. für die Jahresschrift der Historischen Gesellschaft Freiamt.




