«Machen wir einen Schritt zurück»
05.08.2025 WohlenMit Feuerwerk empfangen
An der Bundesfeier in Wohlen schaute Festredner Luigi Ponte 62 Jahre zurück
Der 1. August ist für den AFV-Präsidenten ein spezieller Tag. Nicht nur wegen des Geburtstags der Schweiz.
Wie muss ...
Mit Feuerwerk empfangen
An der Bundesfeier in Wohlen schaute Festredner Luigi Ponte 62 Jahre zurück
Der 1. August ist für den AFV-Präsidenten ein spezieller Tag. Nicht nur wegen des Geburtstags der Schweiz.
Wie muss er sich damals gefühlt haben. Als 11-Jähriger reiste der gebürtige Neapolitaner mit dem Zug in die Schweiz. «An jedem Bahnhof zwischen Chiasso und Brugg sahen wir Fahnen.
Am Abend im Amphitheater Windisch präsentierten Kinder ihre Lampions, ein Feuerwerk erstrahlte am Himmel. Wir hatten keine Ahnung, warum. War das allenfalls zu unserer Begrüssung in der Schweiz?», fragte er sich.
Was der kleine Luigi damals nicht wusste: Seine Einreise in die Schweiz fand am 1. August 1962 statt. In seiner neuen Heimat wurde der Nationalfeiertag begangen. Für Ponte wichtiger war die Tatsache, dass die Familie wieder vereint war. Sein Vater war gelernter Schuhmacher mit eigenem Laden in Neapel. «Aber die noblen Herren aus dem Norden liessen immer nur aufschreiben, Geld floss nur spärlich.» Darum wanderte er 1958 in die Schweiz aus. Die Familie folgte fünf Jahre später. Und die drei Söhne haben alle im Fussball Karriere gemacht. Luigi vor allem als Schiedsrichter. 1990 wurde Luigi Ponte als Präsident des Aargauischen und 2004 des Schweizerischen Schiedsrichterverbandes gewählt. 2019 folgte die Wahl an die Spitze des Aargauischen Fussballverbandes. Nun also trat er in Wohlen als Festredner auf. Wieder an einem 1. August. Und auch diesmal gab es Fahnen und Feuerwerk. --red
AFV-Präsident Luigi Ponte: Humorvolle und zugleich tiefsinnige Festrede in Wohlen
Starkregen sorgte beim Auftakt der Bundesfeier durch die Ländlerfrönde Freiamt für leere Festbänke und eine kleine Verzögerung. Im Laufe des Abends beruhigte sich die Wetterlage glücklicherweise und letztlich genossen rund 500 Besucherinnen und Besucher auf dem Sternenplatz einen gelungenen Anlass.
Walter Minder
«Der 1. August ist ein Tag, an dem wir gemeinsam feiern. Aber heute ist ein besonderer Tag, sind doch in den frühen Morgenstunden zwei junge Menschen aus unserer Gemeinde viel zu früh aus dem Leben gerissen worden», so Gemeindeammann Arsène Perroud in seinen Begrüssungsworten. Solch tragische Momente zeigen, wie wichtig es ist, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen.
In einer Zeit, in der das Prinzip «der Stärkere bestimmt» wieder Oberhand gewinnt, zieht man sich zurück, statt aufeinander zuzugehen. «Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was die Schweiz stark gemacht hat, nämlich Solidarität, Mitsprache und gegenseitige Rücksichtnahme.» Gesellschaftlicher Zusammenhalt entwickelt sich, wenn Menschen zueinander Brücken bauen. «Wir feiern heute, dass wir Verantwortung tragen für eine Schweiz, die sich nicht zurücklehnt. Geniessen wir ein friedliches und hoffentlich trockenes Fest.»
Gleichzeitig mit der Begrüssung eröffnete die vom TV Wohlen betreute Festwirtschaft, wobei es zuerst galt, den nun zuströmenden Besuchern trockene Sitzgelegenheiten zu verschaffen. Auf der Bühne überzeugte die Band «Diamond Pool Disc» und ihre Sängerin Selina Jäger mit Welthits wie etwa «Proud Mary» von Tina Turner. Mit der sich nun im Wolkenbild zeigenden Sonne stieg die Stimmung auf dem Sternenplatz, wovon auch die Ländlerfrönde Freiamt beim zweiten Auftritt mit ihren vier Alphörnern profitierten.
Für Geburtstagsgefühle sorgte anschliessend das Glockengeläut der beiden Kirchen.
«Ich bin sehr stolz»: Mit diesen Worten bedankte sich Festredner Luigi Ponte dafür, die diesjährige Festrede halten zu dürfen. «Die Schweiz feiert heute ihren 734. Geburtstag und auch für mich ist es ein ganz spezieller Tag.» Denn genau vor 62 Jahren, also am 1. August 1963, sass er zusammen mit seinen Brüdern Antonio und Raimondo im Zug von Neapel nach Mailand. Von dort ging es zusammen mit dem bereits 1958 in die Schweiz ausgewanderten Vater Angelo via Chiasso und Zürich nach Brugg – «an jedem Bahnhof sahen wir Fahnen, wir hatten keine Ahnung warum. War das allenfalls zu unserer Begrüssung in der Schweiz?»
Am Abend im Amphitheater Windisch präsentierten Kinder ihre Lampions, ein Feuerwerk erstrahlte am Himmel. Bilder, die für Ponte unvergesslich sind. «Erst später haben wir erfahren, dass der 1. August der Schweizer Nationalfeiertag ist.» Ab 1963 war damit die Familie wieder in Windisch vereint. «Wir wohnten in einer Dreizimmer-Wohnung. Eltern und Schwester in einem Zimmer, meine Brüder und ich im anderen Zimmer. In der Stube mussten wir stundenlang Deutsch büffeln.»
Fussball integriert
Nach einem kurzen Abstecher in den Turnverein wechselten die drei Brüder zum FC Windisch, wo sie schnell Freunde fanden. Während Raimondo nach der Schulzeit in seine Profikarriere mit unter anderem 34 Länderspielen für die Schweiz startete, wurde Toni erfolgreicher Fussballmanager. Luigi hingegen nahm die Schiri-Pfeife in den Mund, «von 1989 bis 1999 war ich als Schiri-Assistent im weltweiten Einsatz». 1990 wurde er als Präsident des Aargauischen und 2004 des Schweizerischen Schiedsrichterverbandes gewählt, «ich habe etwas gemacht, was mein fussballtalentierter Bruder Raimondo nicht konnte …»
2019 folgte dann die Wahl an die Spitze des Aargauischen Fussballverbandes, ein Amt, das er immer noch mit Herzblut ausübt. Daneben leitet er als Schiedsrichter Spiele in den unteren Ligen, unterstützt im PluSport-Team 2000 den Behindertensport und trainiert einmal pro Woche die Ponte Kickers Windisch. «Die Arbeit mit Menschen mit einer Beeinträchtigung macht mir riesig Freude!»
Das Negative darf nicht überhandnehmen
1963 seien die drei Wörter «Begrüssung, Anstand, Respekt» noch gelebt worden. Heute dominieren in unserer Gesellschaft Wörter wie Computer, Handy, Facebook, Twitter oder KI. In wenigen Minuten weiss man, was rund um den Erdball läuft. Hingegen fehlt die Zeit, um miteinander zu reden, Anstand, Respekt und Begrüssung sind bei Jung und Alt Fremdwörter geworden. Dann erwähnte Ponte ein Datum, das ihn sein Leben lang begleiten wird. «Am 7. Juni 1970 lehnte die Schweiz die Überfremdungsinitiative mit 5 Prozent Nein ab. Zum Glück, denn bei einem Ja wären über 300 000 Italiener ausgewiesen worden.»
Die Zeiten ändern sich naturgemäss, aber wir müssen aufpassen, dass das Negative nicht überhandnimmt. «Machen wir jetzt einen Schritt zurück zu den bewährten Stärken unserer Souveränität.» Festredner Luigi Ponte überzeugte mit seiner humorvollen und zugleich tiefsinnigen Festrede, für die er mit grossem Applaus belohnt wurde. Den Abschluss der würdigen Bundesfeier bildete dann das gemeinsame Singen der Nationalhymne, getragen von der stimmgewaltigen Sängerin Julia Frischknecht.