«Liebe auf den ersten Blick»
09.04.2024 WohlenAusstellung «Wiedersehen macht Freude» der Kunstkommission im Chappelehof
Treffender hätte der Titel der Veranstaltung nicht sein können: «Wiedersehen macht Freude», dies wurde den wunderbaren Werken gerecht. Die Bilder-Sammlung der Gemeinde ...
Ausstellung «Wiedersehen macht Freude» der Kunstkommission im Chappelehof
Treffender hätte der Titel der Veranstaltung nicht sein können: «Wiedersehen macht Freude», dies wurde den wunderbaren Werken gerecht. Die Bilder-Sammlung der Gemeinde wurde nun zur sehr gut und gern besuchten Kunst-Zeitreise.
Daniel Marti
Wenn Rafael Häfliger von der Kunstkommission fleissig Stühle organisieren muss und freundlich darauf schaut, dass alle Besucherinnen und Besucher einen schönen Platz finden im Chappelehofsaal, ja dann muss ein besonderer Anlass stattfinden. Und die Vernissage zur Kunstausstellung «Wiedersehen macht Freude» war tatsächlich speziell. Etliche Kunstschaffende und Kunstinteressierte wollten die Werke, die im Besitz der Gemeinde sind, bestaunen. Weit über 100 Personen waren gespannt auf die unterschiedlichsten Werke, die gleichzeitig eine Kunst-Zeitreise darstellten.
Von der Ausnüchterungszelle in den Chappelehof
Verena Schütz, zusammen mit ihrem Lebenspartner Robert Keller bildet sie das neue Co-Präsidium der Kunstkommission, war jedenfalls vom Publikumsaufmarsch angetan. «Es ist überwältigend, wie viele Menschen sich für die Kunst interessieren», meinte sie, «einfach wunderbar.» Und Robert Keller gab zu, dass er viel geschwitzt habe in den letzten Tagen. Die Ausstellung sei innert fünf Minuten im Kopf entstanden, aber ganz so rasch sei sie dann nicht realisiert worden. Schliesslich ist der Schatz der Gemeinde Wohlen an Werken recht gross. Total 358 Werke sind im Besitz der Gemeinde Wohlen. 186 schlummern im Archiv, 83 sind im Gemeindehaus zu bestaunen und 89 an weiteren Standorten. All diese Werke sind in den vergangenen Jahrzehnten von der Gemeinde gekauft worden.
Immerhin haben die nicht öffentlich zugänglichen Werke nun einen fixen Platz im Gemeindehaus, im Untergeschoss im ehemaligen Lager der Regionalpolizei. «Sie sind in der ehemaligen Ausnüchterungszelle der Repol beheimatet», meinte Verena Schütz schmunzelnd. Die Sammlung sei über viele Jahre entstanden, so Schütz wieder ernsthaft. Und mit dem Kauf eines Bildes habe die Gemeinde Wohlen doch stets etwas Schönes getan und der Gemeinde etwas gegönnt. Als das neue Co-Präsidium die gesamte Sammlung etwas genauer studierte, dachten die beiden nicht etwa ans Abstauben der Bilder. Sondern der Eindruck zählte: «Es war Liebe auf den ersten Blick.»
Diese Wahrnehmung vermittelte auch Kathrin Frauenfelder. Sie ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Buchautorin aus Zürich. Frauenfelder war während 16 Jahren für die Kunstsammlung des Kantons Zürich zuständig. Das sind ganz andere Dimensionen, denn die Sammlung umfasst rund 20 000 Werke.
Frauenfelder wusste jedenfalls mit ihrem Referat zu überzeugen sowie die Besucherinnen und Besucher zu fesseln. Das Sammeln sei eine uralte Leidenschaft der Menschen, so die Kunstexpertin. Dabei sei das Sammeln lediglich zerstreute Ware an einem Ort zusammenzutragen. «Aber Sammeln ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch mit Absichten verbunden.» Die Sammelleidenschaft kam jedoch erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Fahrt, und mit der Gründung des Bundesstaates 1848 begann auch das staatliche Sammeln. Damit konnte dann verhindert werden, dass «wertvolle Werke erst ins Ausland verscherbelt und dann für teures Geld zurückgekauft wurden».
Es wurde laut Frauenfelder auch erkannt, dass Kunst nicht nur die Geschichte erzählen, sondern diese auch beeinflussen kann. Und nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Art «Krankenkasse» für Kunstschaffende eingerichtet. Zwei Prozent des Verkaufserlöses kamen in diese Kasse. Die war zwar bald wieder erschöpft, sie erreichte jedoch, dass die Kunstszene auf die Notsituation im Zweiten Weltkrieg besser vorbereitet war. Das sei wichtig gewesen, «denn Künstlerinnen und Künstler sind wichtige Stützen der Demokratie».
«Schade, dass es dafür kein Budget mehr gibt»
Und die öffentliche Hand sei ein «wichtiger Motor im Kulturbetrieb», so Kathrin Frauenfelder weiter. Dies gilt ebenfalls im Regionalen und Lokalen, «und auch für die Stadt Wohlen». Frauenfelder hat sich vertieft mit der Situation in Wohlen auseinandergesetzt. Die Sammlung der Gemeinde geht bis ins Jahr 1970 zurück, «oder durchschnittlich wurden sieben Kunstwerke pro Jahr gekauft». Es sei schade, dass jetzt kein Budget für solche Käufe vorhanden sei. Es wäre wertvoll, «um diese Sammlung in die Zukunft zu führen». Auch schon deshalb, weil oft Kunstschaffende aus Wohlen oder solche, die eine Beziehung zum Ort haben, bei der Kunstkommission willkommen sind.
Kleinere Gemeinde mit grossem künstlerischem Potenzial
Kathrin Frauenfelder widmete sich auch ein paar Werken der Ausstellung. Sie sprach zwei Portraits an. Eines zeigt Anton Bruggisser (1835–1905), Arzt und Politiker sowie Grossrat und Nationalrat. Das andere zeigt Alfred P. Bruggisser (1868–1940), ein Liebhaber der Natur. Portraits können auch dazu dienen, eine Art Unsterblichkeit zu erreichen, erklärte sie. Nur schon die Betrachtung bringt laut Frauenfelder viel Wissen mit. «Oft sind es kleine Details, die einen anregen, über die abgebildete Person nachzudenken.» Oder die vielen Clowns von Giani Castiglioni. Sie sind wie «ein Traum von Freiheit, hätte Giani doch am liebsten nur von der Kunst gelebt». Auch die Werke von Heidi Widmer haben es der Referentin angetan. «Diese Ausstellung ist divers und vielfältig. Und die Sammlung zeigt, dass auch eine kleinere Gemeinde grosses künstlerisches Potenzial hat.» Zudem werde eine Fülle an Ereignissen abgebildet, «dazu muss man Sorge tragen, denn diese Sammlung ist ein unschätzbarer Orientierungsanker. Geniessen Sie diese Zeitreise.»
Eigentlich ist die Sammlung viel zu wertvoll, um einen grossen Teil davon wieder im Archiv verschwinden zu lassen. Dies sieht Gemeinderat Roland Vogt wohl ähnlich. Er lobte die wertvolle Arbeit der Kunstkommission, diese ist weit über die aktuelle Ausstellung hinaus sichtbar. Das Engagement sei sehr gross, «zum Wohl der Gemeinde und zum Wohl der Kunst», so Vogt weiter.
Der Kulturminister war begeistert über die Ausstellung «Wiedersehen macht Freude». Es sei eine tolle Sache, dass die teilweise «verstaubten Bilder jetzt zu neuem Leben erweckt wurden». Und der perfekt sanierte Saal im Chappelehof bietet erst noch eine «gute Plattform». Dem ist nichts mehr hinzuzufügen – ausser dass die insgesamt 358 Kunstwerke, die der Gemeinde Wohlen gehören, zumindest ideell einen grossen Wert darstellen und eben viel mehr Beachtung verdienen als in einem Archiv vor sich hinzuschlummern.




