Lebenswerk erschaffen
10.05.2024 WohlenFür den Bifang Grosses geleistet
«Im Bifang sind die Menschen gut aufgehoben.» Das ist ein typischer Satz von Marianne Piffaretti. Die Präsidentin des Vereins «Bifang Wohn- und Pflegezentrum Wohlen» hat Grosses geleistet und das Haus zu einer ...
Für den Bifang Grosses geleistet
«Im Bifang sind die Menschen gut aufgehoben.» Das ist ein typischer Satz von Marianne Piffaretti. Die Präsidentin des Vereins «Bifang Wohn- und Pflegezentrum Wohlen» hat Grosses geleistet und das Haus zu einer zeitgemässen Institution gemacht. Der grosse Umbau ist ein Meisterwerk. Nun tritt sie als Präsidentin ab. --dm
Marianne Piffaretti, 20 Jahre Präsidentin des Trägervereins «Bifang Wohn- und Pflegezentrum Wohlen»
Ganze zwei Jahrzehnte lang prägte Marianne Piffaretti das Leben und Wirken im Bifang. Als Präsidentin meisterte sie den grossen und herausfordernden Umbau. Nun tritt sie ab – zufrieden und stolz. «Die Menschen sind gut aufgehoben im Bifang», sagt die 84-Jährige.
Daniel Marti
Sie wäre so gerne anwesend. In «ihrem Bifang». Ein bisschen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern plaudern, ein wenig feiern, auf eine ganz feine Zeit anstossen, den Nachfolger beglückwünschen. Einfach geniessen. Denn heute ist im Bifang ein Festtag. Generalversammlung, neue Geschäftsleitung, neues Präsidium im Trägerverein, Abschluss einer erfolgreichen Epoche. Marianne Piffaretti, die amtierende Präsidentin des Trägervereins Bifang «Wohn- und Pflegezentrum Wohlen», muss schweren Herzens passen. Die Gesundheit lässt es nicht zu – Rückenoperationen, das Herz, das Fussgelenk. Sie ist in der Reha. In besten Händen. Und hofft, dass es mit der Gesundheit wieder aufwärts geht.
20 Jahre ist sie Präsidentin des Trägervereins und wird nun von ihrem Vize Urs Meier abgelöst. «Es war eine lange Zeit», sagt sie. «Aber ich habe diesen Job immer gerne gemacht. Und der Bifang steht heute doch gut da.» Sie sei froh und dankbar, dass alles gut sei. Stimmt. Das Wohn- und Pflegezentrum entwickelte sich zu einer Vorzeige-Institution. Auch dank Marianne Piffaretti. Dank ihrem Mut, Wesentliches anzupacken und schwierige Ziele anzustreben.
«Kann die das?»
Damals, als sie im Jahr 2004 den Präsidentenjob von Ernst Wissmann übernahm, habe es schnell gehen müssen. Sie hatte nur wenig Bedenkzeit, wollte aber Hand bieten. Gerne ist sie eingesprungen. «Und ehrlich gesagt», blickt sie zurück, «ich habe ja gewusst, worauf ich mit einlasse.»
Trotzdem sei sie fast ein wenig in die Bauerei reingerutscht, gibt sie schmunzelnd zu. Im Klartext: Der grosse Umbau und die umfassende Sanierung des Alters- und Pflegeheims Bifang standen an, von 2008 bis 2012. Und das steuerte sie in die richtige Richtung. Eine Monsteraufgabe. Kostenpunkt: satte 23 Millionen Franken. «Das haben wir tatsächlich in die richtigen Bahnen geleitet», sagt sie. Und dies erfüllt sie heute noch mit Stolz.
23 Millionen Franken und eine komplizierte Bauphase mit etlichen Etappen – während das Haus bewohnt war. Eine Lebensaufgabe, eine gigantische Herausforderung. Und Marianne Piffaretti bekam es oft zu hören: «Kann die das?» Ja, sie konnte. Und wie. Der Kredit wurde sogar leicht unterschritten. Und alle Involvierten sind glücklich und zufrieden. Heute noch.
«Das soll uns erst mal einer nachmachen»
Oft habe sie einschreiten müssen, aber das Team funktionierte immer. Sie hebt Baukommissionspräsident Ernst Häner und Architekt Heinz Fugazza hervor. «Es war reine Teamarbeit.» Gewiss, bei der Finanzierung brauchte es laut Piffaretti auch ein wenig Glück. Das Glück der Tüchtigen.
Das umgebaute und sanierte Haus ist und bleibt das Lebenswerk von Marianne Piffaretti. «Es ist optimal herausgekommen. Alles passt, vom Eingang bis zur Küche und bis zu den Zimmern.» Sie würde alles nochmals gleich machen. Und dann kann sie sich diesen einen Satz nicht verkneifen: «Das soll uns erst mal einer nachmachen.»
Es ist die Handschrift von Marianne Piffaretti, die den Bifang in ein modernes und zeitgemässes Haus verwandelt hat. Warme Farben sorgen für die gute Ambiance. Die Gartenanlage auf dem Dach ist eine tolle Idee. Und die gute Finanzlage sorgt für Entspannung. Die Schulden sind fast abgetragen. Kompliment. «Und die Menschen sind im Bifang gut aufgehoben», betont sie noch.
Ihr waren die Menschen immer wichtig. Wichtiger als die Bauerei. Darum kam sie auch mit dem Verwalterehepaar (Robert und Trudy Werder) oder mit der Geschäftsleitung (Marcel Lanz) immer gut aus. «Man sollte diesen Fachleuten nicht dreinreden. Sie sollen ihre Kompetenzen einsetzen können», so ihr Leitsatz.
Dafür war sie jede Woche im Bifang präsent. Informationsaustausch war ihr enorm wichtig. So wusste sie in den zwei Jahrzehnten immer, «dass die Menschen im Bifang gut aufgehoben sind». Wenn nicht? Sie hätte sofort reagiert.
Beruhigt loslassen
Nun steht der grosse Wechsel an. Andrea Beetschen Schaad löst Marcel Lanz ab. Marianne Piffaretti übergibt das Präsidentenamt an Urs Meier. «Erstmals eine Frau», freut sich Piffaretti über das Engagement von Andrea Beetschen Schaad. Die Präsidentin hatte bei der Auswahl sofort ein gutes Gefühl. «Das ist sie», dacht sie für sich. Und bei Urs Meier muss Marianne Piffaretti nicht lange studieren: «Er wird es anders machen als ich, aber sicher ganz gut.» Sie könne also «beruhigt loslassen. Und ich lasse los», verspricht sie. Schliesslich sei es nun Zeit aufzuhören. Denn die Gesundheit steht an erster Stelle.
Die Frage drängt sich auf: Hätte sie denn nicht früher loslassen sollen? Vor vier Jahren bei der Wiederwahl fühlte sie sich noch fit. «Ich hatte die Kraft, mich für andere einzusetzen», blickt sie zurück, «und der Bifang ist halt wie mein Kind. Jede Aufgabe rund um den Bifang war mir deshalb wichtig.» Nun rebelliert die Gesundheit. Auch daraus will sie das Beste machen – wie beim Bifang.
Es drehte sich im Leben von Marianne Piffaretti aber längst nicht alles um den Bifang. Sie ist Mutter von zwei Töchtern, und Grossmutter, und sie ist allzu früh Witwe geworden. Auch dieses Schicksal hat sie gemeistert.
Ukraine-Helferin, Grossrätin und Gemeinderätin
Und früher machte sie sich in der Politik einen Namen und als Chefin der Organisation Help-Point Sumy (siehe separaten Artikel unten). Sie sass für die CVP im Grossrat und im Gemeinderat, sie gestaltete gerne mit. Heute verfolgt sie die Politik nur noch in der Zeitung – und sie hält Distanz. Das eigene politische Wirken behält die 84-Jährige positiv in Erinnerung, «aber die Politik ist eine besondere, eine eigene Liga. Politik kann auch hart sein. Aber ohne Politik funktioniert halt vieles nicht.»
Zudem liegt ihre Politkarriere zu weit zurück, um jetzt darüber zu philosophieren. Der Bifang war zwei Jahrzehnte lang ihr Mittelpunkt. Und die Arbeit für diese Institution lohnte sich stets. «Die Veränderungen sind gewaltig – in allen Belangen.» Das ist es, was zählt.
Und wo steht der Bifang in fünf oder zehn Jahren? Was wäre ihr Wunsch? Da brauche es keine besonderen Wünsche, meint Marianne Piffaretti. «Die Menschen werden auch in fünf Jahren noch stolz sein dürfen auf dieses Haus.» Sie blickt also zuversichtlich in die Zukunft.
In ihrem Lieblingshaus angemeldet
Einzig die Gesundheit macht ihr zu schaffen. «Ganz fit werde ich nicht mehr, das weiss ich.» Aber sie sei auf dem Weg der Besserung. Und wenn die Reha dann abgeschlossen ist, sehnt sie sich nach ihrem Zuhause. Dort will sie nochmals in aller Ruhe wohnen. Und dann? Wenn es dann nötig sei, werde sie in den Bifang als Bewohnerin wechseln. Sie hat sich bereits angemeldet in ihrem Lieblingshaus. «Denn so gut wie im Bifang ist es nirgends.» Wenn das jemand genau weiss, dann ist das Marianne Piffaretti, die mit dem erneuerten Bifang ihr eigenes Lebenswerk geschaffen hat.
«Ich mache ihnen Mut»
Sumy ist ihre zweite Heimat
Der Bifang ist nicht die einzige Herzensangelegenheit von Marianne Piffaretti. Auch Sumy, die Stadt im Nordosten der Ukraine, hat es ihr angetan. Über 15 Hilfstransporte mit dem Verein Help-Point Sumy organisierte sie von Wohlen aus nach Sumy. Es ist die zielgerichtete, bedürfnisgerechte und humanitäre Hilfe für Spitäler und Feuerwehren, die Piffaretti fasziniert. Sumy ist zu ihrer zweiten Heimat geworden. Und wegen ihrer wertvollen und unermesslichen Hilfe wurde Marianne Piffaretti zur Ehrenbürgerin von Sumy ernannt.
«Dann wäre ich jetzt vielleicht in Sumy»
Im Jahr 2019 war sie letztmals in der Stadt nahe an der Grenze zu Russland. Erst war es Corona, das eine Reise verunmöglichte, dann der Einmarsch von Russland in die Ukraine. Eine Zeit lang war auch Sumy das Ziel des russischen Militärs. Und zu Hause in Wohlen leidet Marianne Piffaretti mit. Seit Kriegsausbruch im Februar 2022 hat sie mindestens jeden zweiten Tag mit Freunden in Sumy Kontakt. Morgens und abends um 6 Uhr funktioniert jeweils die Verbindung, dann gibt es Kontakt per Whatsapp. «Wenn wir nicht jeden zweiten Tag etwas voneinander hören, dann sind wir besorgt», sagt Marianne Piffaretti. «Die Menschen dort sitzen oft im Keller, es geht ihnen schlecht.» Die Bezugspersonen in der Ukraine haben sich über die Jahre hinweg zu Freunden entwickelt. Ihr ehemaliger Dolmetscher, ein Kinderarzt «und viele netten Menschen» zählen zum Bekanntenkreis. Hätte Marianne Piffaretti vor vier Jahren auf eine Wiederwahl als Präsidentin des Bifang-Trägervereins verzichtet, wäre ihr Leben wohl ganz anders verlaufen. «Dann wäre ich jetzt vielleicht in Sumy», sagt sie. Denn eingeladen, dort zu leben, wurde sie schon öfters. «Sie hätten mich aufgenommen – und umgekehrt.»
86-mal in Sumy
Angefangen hat diese Beziehung mit einem Hilferuf. Sumy brauchte dringend ein Feuerwehrauto. Marianne Piffaretti organisierte eines und regelte auch gleich den Transport. So wurde die Basis gelegt für eine lange Freundschaft. Mittlerweile ist die Wohlerin 86mal in Sumy gewesen, also rund 70mal ausserhalb der Hilfstransporte. Bei diesen Besuchen flatterte ihre Handynummer bei etlichen Hilfesuchenden herum, darum melden sich heute auch weniger bekannte Personen bei ihr mit Dankesschreiben und mit der Bitte um Unterstützung. «Ich mache ihnen einfach Mut», erklärt sie. Persönlich leidet Marianne Piffaretti mit und irgendwie sieht sie «schwarz für die Ukraine». Ob sie die Nordost-Ukraine noch einmal sehen wird, das bezweifelt sie. Noch einmal in die Ukraine, noch einmal nach Sumy – das wäre allerdings einer ihrer grössten Wünsche. --dm