Stefan Sprenger, Redaktor.
Meine Kumpels wählen Grün und haben kurlige Namen. Quercus. Picea. Pinus. Sie chillen immer am gleichen Ort, ballern Sauerstoff raus und ziehen sich nur einmal im Jahr neu an. Jetzt ist es wieder so weit. Im ...
Stefan Sprenger, Redaktor.
Meine Kumpels wählen Grün und haben kurlige Namen. Quercus. Picea. Pinus. Sie chillen immer am gleichen Ort, ballern Sauerstoff raus und ziehen sich nur einmal im Jahr neu an. Jetzt ist es wieder so weit. Im Herbst vergilbt ihr Kleid und färbt sich golden, sie werfen es ab und sind in den kalten Monaten völlig nackt.
Ich besuche diese Kumpels, so oft ich kann, und gehe waldbaden. Ihr Zuhause ist magisch. Blätter rascheln über dem Kopf, Äste knacken unter den Füssen. Es ist wunderbar still. Beruhigend für die Sinne. Ein Gemälde für die Augen. Es riecht nach Leben. Es ist wie eine andere Welt. Abseits von all der Hektik, all den Problemen. Ein Pflegehaus für unsere Seele. Eine Gratis-Tankstelle, um unsere Batterien aufzuladen. Das Beste am Wald: Es hat viele Bäume und nur wenig Menschen.
Mancher geht durch den Wald und sieht dort nichts als Brennholz. Ich gehe in den Wald, um meinen Verstand abzuschalten und meine Seele zu finden. Wenn man so ganz alleine im Wald steht, begreift man nur sehr schwer, wieso man in Büros geht, stundenlang auf seinem Handy rumdrückt oder sich über kleinkarierte Probleme nerven kann. Plötzlich will man das alles nicht mehr. Es ist kein Zufall, dass Leonz Küng, seit über 25 Jahren der wohl berühmteste Förster im Freiamt, folgenden Satz sagte: «Nie im Leben würde ich die Arbeit hier im Wald gegen einen Bürojob tauschen.»
Der Wald – lateinisch Silva – ist so ungemein wichtig. Lebensgrundlage für Tiere, Lebensraum für Pflanzen. Er schenkt natürliche Ressourcen, entzieht der Atmosphäre Kohlenstoff, produziert Sauerstoff, absorbiert Feinstaub, reguliert das Klima, filtert und entgiftet das Wasser im Boden. Der Wald schützt vor Hochwasser, Lawinen, Steinschlägen, Sonne und Hitze. Und Bäume sind auch offensichtlich vernünftiger als wir Menschen, denn sie streben immer nach oben, immer nach dem Licht.
Gestern lese ich die Schlagzeile: «Die Waldnutzung ist defizitär. Viele Schweizer Forstbetriebe verlieren bei der Waldbewirtschaftung jedes Jahr Geld.» Man hat wohl noch nie so sinnvoll Geld verloren. Mir ist das sowieso egal, denn meine Kumpels Quercus (Eiche), Pinus (Kiefer) und Picea (Fichte) machen mich bei jedem Besuch sehr reich.