Kosten sind gesunken
30.07.2024 WohlenAntworten des Gemeinderates zu zwei SVP-Anfragen bezüglich Sozialhilfe
Ein «Weltwoche»-Artikel mit dem Titel «Gemeinden droht ein Sozialhilfe-Tsunami» im Herbst 2021 hat SVP-Präsident Roland Büchi aufgeschreckt. Er stellte der Gemeinde ...
Antworten des Gemeinderates zu zwei SVP-Anfragen bezüglich Sozialhilfe
Ein «Weltwoche»-Artikel mit dem Titel «Gemeinden droht ein Sozialhilfe-Tsunami» im Herbst 2021 hat SVP-Präsident Roland Büchi aufgeschreckt. Er stellte der Gemeinde 14 Fragen rund um das Thema. Nun liegen die Antworten vor. Und zeichnen ein ganz anderes Bild.
Chregi Hansen
«Während der Flüchtlingskrise 2015 pflegte die Schweiz eine Willkommenskultur. Sechs Jahre später kommen die Gemeinden und Städte an die Kasse», schrieb die «Weltwoche» in ihrer Ausgabe vom 27. Oktober 2021. Und sprach von einem «finanziellen Tsunami», der auf all diejenigen Gemeinden zurase, welche in dieser Zeit Flüchtlinge aufgenommen haben.
Erst die Auswirkungen abgewartet
SVP-Einwohnerrat Roland Büchi hat den Artikel offenbar gelesen. Und er hat darauf reagiert. «Für die SVP kann die Situation nicht immer nur schöngeredet werden», machte er in seiner Anfrage deutlich. Und stellte dem Gemeinderat gleich 14 Fragen rund um das Thema. Dabei wird auch die Mitgliedschaft Wohlens im Schweizerischen Städteverband zum Thema, der nach Ansicht der «Weltwoche» Mitschuld habe an den Problemen. Zumindest Letzteres hat sich erledigt. Wohlen wird per Ende Jahr aus dem Verband austreten. Allerdings nicht, weil man unzufrieden ist. Im Gegenteil, man schätze die Angebote, von denen Wohlen profitiere. Der Austritt erfolgt aus Spargründen.
Roland Büchi hat seine Anfrage im November 2021 eingereicht. Dass die Antworten erst jetzt vorliegen, hat seine Gründe. «Das zur Beantwortung auszuwertende Datenmaterial sowie die in den Vorstössen erfragten Prognosen waren im Zuge der Covid-19-Pandemie und der Ukrainekrise äusserst volatil. Aufwendig statistisch erhobene Antworten waren wenig später überholt und mussten mehrmals revidiert werden. Mit der Stabilisierung der Anzahl Personen mit Schutzstatus S sind erstmals Antworten möglich, die inhaltlich und zeitlich hinreichend Bestand haben», erklärt der Gemeinderat auf Anfrage.
Jede Kategorie hat eigene Regeln
Ihm ist es zudem wichtig, dass in Bezug auf die Sozialhilfekosten für Flüchtlinge genauer unterschieden wird. So bestehen die pauschal als Flüchtlinge deklarierten Personengruppen aus ganz verschiedenen Kategorien. Es gibt Asylsuchende im laufenden Verfahren (Ausweis N), Ausreisepflichtige (ARPF), anerkannte Flüchtlinge (Ausweis B), vorläufig aufgenommene Flüchtlinge (Ausweis F) und vorläufig aufgenommene Ausländer (Ausweis F). Neu hinzugekommen ist der Schutzstatus S für Schutzsuchende aus der Ukraine. «Jeder dieser Aufenthaltsstatus folgt eigenen Regeln», hält der Gemeinderat fest. Auch bei der Finanzierung.
Rückkehr ins Erwerbsleben gelingt immer häufiger
Von einem «finanziellen Tsunami», wie er prophezeit wurde, sei allerdings nichts spürbar. Im Gegenteil. «Die Sozialen Dienste stellten fest, dass zahlreiche Personen gerade auch wegen der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt eine feste und dauernde Anstellung gefunden haben und aus der materiellen Hilfe entlassen werden konnten. Es handelt sich dabei sowohl um jüngere wie auch ältere Personen. Eine weitere Personengruppe hat eine Anstellung gefunden, die es ermöglicht, den Lebensunterhalt teilweise selbst zu finanzieren; hierbei handelt es sich oftmals um (alleinerziehende) Frauen. Diese positiven Entwicklungen stellen eine Entlastung des Sozialhilfebudgets und des Gemeindehaushaltes dar», schreibt er in seiner Antwort.
Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Personengruppe der Flüchtlinge. «Die Sozialhilfekosten sind in den letzten Jahren stetig gesunken. Werden die Kosten um das Bevölkerungswachstum bereinigt, sieht die Entwicklung noch erfreulicher aus», heisst es im Bericht weiter. Trotzdem werde die Gemeinde weiterhin alles tun, um diese positive Tendenz voranzutreiben.
Viele Vorgaben beachten
Gleichzeitig weist der Gemeinderat aber darauf hin, dass er bezüglich der Sozialhilfe an Vorgaben des Kantons gebunden und der Handlungsspielraum dadurch eingeschränkt ist. Die materiellen Kosten bestehen zum einen aus dem Grundbedarf, der nach Personenzahl eines Haushalts abgestuft ist. Die Wohnkosten wiederum folgen den Mietzinsrichtlinien der Gemeinde. Dazu kommt der Selbstbehalt der obligatorischen Krankenversicherung, der aufgrund der Gesetzgebung übernommen werden müsse. Bezüglich der Genehmigung von weitergehenden Leistungen sei man hingegen zurückhaltend, erklärt der Gemeinderat, in solchen Fällen versuche man oft, mit einem Gesuch an Stiftungen oder karitative Organisationen zu helfen.
Keine Probleme mit Eritreern
Im Bericht der «Weltwoche» wird zudem erwähnt, dass 90 Prozent der geflüchteten Eritreer von der Sozialhilfe leben. Diese Zahl treffe auf Wohlen nicht zu, hält die Gemeinde fest. Es sei zwar tatsächlich so, dass gerade Asylbewerber aus Bürgerkriegsländern oft traumatisiert seien und Mühe hätten, sich in der Schweiz zu integrieren. «Die Sozialen Dienste stellen aber fest, dass sich ein Grossteil der Betroffenen bemüht, selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ihre Kinder so zu fördern, dass diese erfolgreich die Schule abschliessen, anschliessend eine Lehre absolvieren oder weiterführende Schulen besuchen. Andere sind engagiert, die Integrationsmassnahmen erfolgreich abzuschliessen, um sich einer Erwerbstätigkeit zuwenden zu können», heisst es weiter.
Zudem liefert der Gemeinderat auf Wunsch ganz konkrete Zahlen. Per 31. Dezember 2023 wurden 127 Schweizerinnen und Schweizer mit Sozialhilfe unterstützt sowie 304 Ausländerinnen und Ausländer, davon 66 mit Schutzstatus S. Bezüglich der Kosten sowie deren Entwicklung verweist der Gemeinderat auf die Zahlen des Geschäftsberichts.
Im Schnitt während vier Jahren
Nach konkreten Zahlen hat SVP-Einwohnerrat Renato Hübscher in einer Anfrage vom April 2023 gefragt. Auch diese liefert nun der Gemeinderat. Per 31. Dezember 2022 wurden gesamthaft 253 und per 31. Dezember 2023 259 Dossiers geführt. Es handelt sich um 203 Dossiers (337 Personen) der wirtschaftlichen Sozialhilfe (Schweizer und Ausländer), 10 Dossiers (23 Personen) von Flüchtlingen, 41 Dossiers (66 Personen) von Schutzsuchenden aus der Ukraine und 5 Dossiers (5 Personen) von vorläufig Aufgenommenen.
Bezogen auf die Dossiers der wirtschaftlichen Sozialhilfe entspricht der Anteil der Schweizer 39,8 Prozent. Die übrigen Dossiers verteilen sich auf Menschen aus Afrika (7,7 Prozent), Asien (10,4 Prozent), EU/EFTA (14,3 Prozent) und Schutzsuchende aus der Ukraine (26,3 Prozent). Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach den bis heute bezogenen Sozialhilfegeldern, ausgewiesen pro Dossier (inklusive Nationalität, Bezugsdauer, Anzahl Unterstützungseinheit), die Hübscher verlangt. Die Gemeindeverwaltung verfügt nicht über die nötigen personellen Ressourcen, um die pro Dossier aufgelaufenen Kosten sämtlicher je geführten Sozialhilfefälle zu erheben. Andererseits würde eine detaillierte Strukturierung von Daten nach den geforderten Kriterien teils Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen, was sich nicht mit dem Amtsgeheimnis und dem Persönlichkeitsschutz vereinbaren lässt.
Grosse Unterschiede bei Bezugsdauer und -höhe
Darum wurden die Kosten nur summarisch in einer Grafik dargelegt, aufgeteilt in die Bezugsdauer, die Anzahl Personen pro Dossier und die erhaltene Summe. Die grösste Summe liegt bei über 400 000 Franken, dies allerdings bei einer Bezugsdauer von über 15 Jahren. Die längste Bezugsdauer liegt mittlerweile bei 260 Monaten. Im Schnitt aber liegt die Bezugsdauer bei etwas weniger als vier Jahren und die bezogene Summe unter 30 000 Franken.
Dabei legt der Gemeinderat Wert auf die Feststellung, dass die erheblich nach oben abweichenden Beträge in Zusammenhang mit überdurchschnittlichen ausserordentlichen Kosten, wie beispielsweise für stationäre Einrichtungen oder Kinderschutzmassnahmen, stehen.
Im Weiteren hält der Gemeinderat fest, dass «Sozialhilfe lediglich bei wesentlich verbesserten wirtschaftlichen Verhältnissen, realisiertem Vermögen und bei bevorschussten Leistungen rückerstattungspflichtig ist». Insofern ist es nicht möglich zu sagen, wie viel Geld auf diesem Weg zurückkommt. --chh