Keine Nachfolger gefunden
06.12.2024 Region UnterfreiamtDie Ortspartei der Mitte wird sich Ende Jahr auflösen
Bei den Gemeinderatswahlen vor drei Jahren konnte die Partei noch jubeln. Matthias Fricker und Marco Lüthi, ihre beiden damaligen Vertreter, erreichten das beste Resultat aller Kandidaten. Inzwischen sind ...
Die Ortspartei der Mitte wird sich Ende Jahr auflösen
Bei den Gemeinderatswahlen vor drei Jahren konnte die Partei noch jubeln. Matthias Fricker und Marco Lüthi, ihre beiden damaligen Vertreter, erreichten das beste Resultat aller Kandidaten. Inzwischen sind beide zurückgetreten. Und die Ortspartei verschwindet auch.
Chregi Hansen
Am liebsten würde sie nichts sagen. «Ich denke nicht, dass sich das Thema für einen Bericht eignet», so Karin Koch Wick, die Präsidentin der Mitte Bezirk Bremgarten. Dabei ist die Bremgarterin als Kontaktperson aufgeführt für die Ortspartei der Mitte Sarmenstorf. «Wir halten Sarmenstorf zusammen», wird sie dort zitiert.
Andere geben offen Auskunft. «Wir haben über mehrere Jahre versucht, ein neues Präsidium inklusive Vorstand aufzubauen, jedoch hat sich trotz mehrmaligem Aufruf niemand für eine der Funktionen zur Verfügung gestellt», berichtet Marco Lüthi. Er selber hat vor einem Jahr aus beruflichen Gründen seinen Rücktritt als Gemeinderat eingereicht. Sein Parteikollege, der frühere Vizeammann Matthias Fricker, gab sein Amt schon im Frühling 2022 aus gesundheitlichen Gründen ab. Bei den Wahlen im Herbst 2021 hatten die beiden noch Glanzresultate erzielt, aktuell ist die Partei nicht mehr im Gemeinderat vertreten. Und an einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung Mitte September haben die Mitglieder der Mitte Sarmenstorf die Auflösung per Ende Jahr beschlossen.
Die anderen Parteien bedauern das Aus
Das ist erstaunlich, hatte die ehemalige CVP doch über Jahrzehnte in Sarmenstorf das «Sagen» und hat in dieser Zeit viele Gemeinderäte und Gemeindeammänner gestellt. Der aktuelle Ammann Meinrad Baur ist denn auch überrascht über das Aus. Allerdings: «Es hat sich bereits bei den letzten Ersatzwahlen gezeigt, dass engagierte Personen Mangelware sind», sagt er. Obwohl er selbst der FDP angehört und diese auch präsidiert, bedauert er das Aus der Mitte. «Ortsparteien erachte ich als sehr wichtig, denn sie thematisieren die lokale Politik und suchen geeignete Kandidaten für alle möglichen Kommissionen und Ämter. Es ist sehr schade, dass immer weniger Personen sich mit der Politik auseinandersetzen wollen. Ich glaube persönlich, dass dies auch eine Art Wohlstandserscheinung ist», sagt Meinrad Baur.
In der eigenen Partei sehe es besser aus, fügt er an. «Aktuell stellen wir die meisten Amtsträger in Sarmenstorf», erklärt Baur. Aber von nichts komme nichts. «Wir haben die letzten Jahre stets versucht, politisch interessierte Personen für ein Engagement zu gewinnen. Tatsächlich sind die Interessenten sehr dünn gesät.» Und er lanciert gleich einen Aufruf: Wer sich für die Gemeinde engagieren wolle, der dürfe sich gerne melden.
Auch die SVP empfindet keine Freude am Verschwinden des Konkurrenten, im Gegenteil. «Ich hoffe, dass das Aus nicht von Dauer ist», sagt deren Präsident Roman Lindenmann. Schliesslich verfüge die Mitte noch über Amtsträger in den Kommissionen. Es sei die Frage, was das Aus der Partei für diese bedeute. «Ich hoffe, dass sich wieder ein paar Leute finden, die das Gedankengut aktivieren. Die CVP war jahrelang die ‹staatstragende› Partei in Sarmenstorf mit sehr guten Leuten», zollt Lindenmann dem politischen Gegner Respekt.
«Komische Zufriedenheit»
Es sei aber schon so: Alle Parteien müssten heute um aktive Mitglieder kämpfen. Man wähle lieber eine Partei als selbst Mitglied zu werden oder sich zu engagieren. Und an die Gemeindeversammlung komme oft nur noch, wer persönlich von einem Geschäft betroffen sei. Überhaupt stellt der SVP-Präsident in Sarmenstorf eine «komische Zufriedenheit» fest. «Trotz budgetiertem Defizit von einer halben Million Franken gibt es keine Wortmeldung an der ‹Gmeind›. Da verstehe ich die Jungen zeitweise auch nicht mehr», so Lindenmann. Diese Entwicklung erachtet er als bedauerlich und bedenklich. Immerhin: Seine Partei stellt mit Magnus Döbeli und Fabian Kallen aktuell gleich zwei Gemeinderäte. Nachdem die wählerstärkste Partei vor drei Jahren noch leer ausging.
Nicht nur Problem der Mitte
Und dann meldet sich die Bezirkspartei doch noch zu Wort. «Für uns war das Aus einigermassen überraschend, auch wenn wir über die personellen Engpässe in der Ortspartei schon länger informiert waren. Diese hat mehrere Anläufe unternommen, die Situation zu verbessern. Offensichtlich erfolglos», erklärt Vizepräsident Harry Lütolf, der im Vorstand für die Ortsparteien zuständig ist. Das Aus sei umso bedauerlicher, hatte die Mitte respektive die CVP als ihre Vorgängerin in Sarmenstorf über eine lange Zeit erfolgreiche Jahre mit einer starken Vertretung in den Gemeindeämtern. «Darauf dürfen wir immer noch stolz sein», findet Lütolf.
Sarmenstorf sei aber kein Einzelfall. «In jeder kleinen bis mittelgrossen Gemeinde sind es immer nur wenige Exponenten einer Partei, welche gewillt sind, sich für eine politische Haltung hinzustellen und den Karren zu ziehen», so der Vizepräsident. Das Amt als Parteipräsident oder -präsidentin oder auch als Vorstandsmitglied sei mit Aufwand verbunden, mit Dank und Ehre könne man nicht immer rechnen. «Diese Einschätzung gilt nach meiner Erfahrung aber nicht nur für die Mitte. Ich höre und sehe das landauf und landab bei allen Parteien», sagt der Wohler Grossrat.
Der Ton ist schärfer geworden
Die personellen Schwierigkeiten sind seiner Meinung nach dem aktuellen Trend zuzuschreiben: Man will unverbindlich bleiben, möchte seine Freizeit ungebunden verbringen können, möchte sich in einer anonymer werdenden Gemeinschaft nicht exponieren. Zudem habe sich in den letzten Jahren auch der Ton verschärft, was nach Ansicht von Lütolf klar die Schuld der SVP sei. «Sie hat die letzten 30 Jahre diesen Stil geprägt und damit Erfolge erzielt.» Aber damit auch viele Menschen für die Übernahme eines Parteiamtes oder eines Behördenamtes vergrault.
Zwar wird die Ortspartei der Mitte sich Ende Jahr auflösen, aber es gebe immer noch Mitglieder im Dorf, die nun direkt von der Bezirkspartei betreut und mit Informationen bedient werden. Die Bezirkspartei bleibe in «Lauerstellung» und werde bei einem Wiederaufbau der Ortspartei Unterstützung leisten, verspricht Lütolf. Es brauche jetzt Geduld. «Die Erfahrung lehrt: Es kommen unvermittelt Jungpolitiker zum Vorschein oder Neuzuzüger auf den Plan, welche gewillt sind, in einer konsens- und lösungsorientierten politischen Mitte mitzuwirken. Es wird demnach wieder eine Mitte in Sarmenstorf geben», ist der Vizepräsident der Bezirkspartei überzeugt.