«Ja, aber …» in Villmergen
29.11.2022 Villmergen, Region UnterfreiamtAn der «Gmeind» wurde die Idee eines Wärmeverbundes unterstützt. Doch der Kooperationsvertrag mit dem ewz wurde vorerst zurückgewiesen. Der Gemeinderat soll nach weiteren möglichen Partnern suchen.
Zweifel am gewählten ...
An der «Gmeind» wurde die Idee eines Wärmeverbundes unterstützt. Doch der Kooperationsvertrag mit dem ewz wurde vorerst zurückgewiesen. Der Gemeinderat soll nach weiteren möglichen Partnern suchen.
Zweifel am gewählten Partner
Villmergen stellt an der «Gmeind» die Weichen für die Realisierung eines Wärmeverbundes
Die Einwohnergemeindeversammlung war geprägt von intensiven, aber jederzeit sachlichen Diskussionen. Vor allem die geplante Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) im Projekt Wärmeverbund sorgte für kritische Fragen.
Walter Minder
123 Stimmberechtigte fanden am vergangenen Freitagabend den Weg in die Mehrzweckhalle «Dorf», wo sie von Gemeindepräsident Ueli Lütolf unter anderem mit den Worten begrüsst wurden: «Wenn wir die heutige Teilnahme im Stil von Black Friday mit einem Steuerrabatt belohnen könnten, wäre der Saal sicher übervoll.»
Dann präsentierte Gemeinderat Renato Sanvido das Projekt des geplanten Wärmeverbundes, mit dem der Verbrauch von fossilen Brennstoffen und die energetische Abhängigkeit reduziert werden sollen. «Wir wollen mit Holzschnitzeln aus dem Forstbetrieb Rietenberg eine stabile, ökologisch sinnvolle Energieversorgung sicherstellen.» Einschränkend ist festzuhalten, dass sich Fernwärme ab Produktionsstandort nur über eine beschränkte Distanz transportieren lässt. Auf die Frage, warum der im Projekt vorgesehene Perimeter eine Zone mit vielen Einfamilienhäusern und nicht das Villmerger Industriegebiet abdeckt, war zu erfahren, dass dieses von der AEW Energie AG erschlossen wird.
Zukunftsweisendes Projekt
Leitungen und Netzanschlüsse sollen etappiert gebaut werden, die ersten Wärmelieferungen sind auf die Heizsaison 2024/25 angedacht. Eine grobe Investitionsschätzung beläuft sich auf rund 12 Millionen Franken, wovon die Gemeindewerke (GWV) 8,6 Millionen zu tragen hätten, während das ewz die Kosten für den Bau der Energiezentrale mit zwei Brennern übernähme.
Ja, aber …
Um das Projekt auf eine verbindliche Basis zu stellen, legte der Gemeinderat den Stimmberechtigten einerseits das Reglement «Wärmeverbund» als Grundlage für die Errichtung der Spezialfinanzierung «Fernwärmeverbund» und andererseits den Kooperationsvertrag zwischen GWV und ewz über dessen gemeinsame Realisierung zur Abstimmung vor. Während das Reglement trotz einiger Vorbehalte deutlich genehmigt wurde, sorgte der Kooperationsvertrag mit dem ewz als Fach- und Investitionspartner für kritische Fragen, auf die Sanvido sachlich und ruhig einging.
Ein Antrag zurückgewiesen
Ist das finanzielle Risiko für die Gemeinde durch die Zuständigkeit für die Infrastruktur vertretbar? Ist das ewz der richtige Partner, gibt es alternative Contracting-Anbieter, soll das ganze Projekt durch die GWV realisiert oder soll es vollständig ausgelagert werden? Die vielen Fragezeichen mündeten in einen Rückweisungsantrag, der Gemeinderat habe die verschiedenen Optionen bis zur nächsten Gemeindeversammlung zu prüfen – was von der Versammlung unterstützt wurde. Hingegen wurde der Antrag abgelehnt, in einem ersten Schritt sei die Wirtschaftlichkeit des Projekts durch eine externe Fachstelle zu überprüfen.
Wassergebühren können angepasst werden
Auch die beantragte Erhöhung der Wassergebühren sorgte für verschiedene Wortmeldungen. Einleitend wies Sanvido auf die anstehenden Investitionen hin wie etwa ins Leitungsnetz, in Grundwasserpumpwerke oder Reservoirs, «denn Bevölkerung und Industrie sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Und – wollen wir unseren Kindern Schulden in der Wasserkasse hinterlassen?» Konkret beantragt wurde die Erhöhung der Anschlussgebühren, der Mengengebühr und der Anschlussgrundgebühren. «Bei einer Zustimmung rechnen wir mit jährlichen Mehreinnahmen von rund 530 000 Franken.»
Auch wenn der Preisüberwacher, der bei Tariferhöhungen zwingend zu einer Stellungnahme einzuladen ist, die Verschuldung als unproblematisch beurteilt und empfiehlt, auf die geplanten Tariferhöhungen zu verzichten, hält der Gemeinderat an seinem Ziel fest, die Schulden in den nächsten 15 bis 20Jahren zurückzuzahlen. Er will aber ein positives Zeichen setzen und die Erhöhung der Mengen- und Grundgebühren erst auf den 1. Januar 2025 in Kraft setzen, während die Anpassung der Anschlussgebühren auf den kommenden 1. Januar erfolgen soll.
Antrag auf Kompensation abgelehnt
Während der Antrag aus der Versammlung deutlich abgelehnt wurde, die Anschlussgebühren in der Spezialfinanzierung «Abwasserbeseitigung» im gleichen Umfang zu senken wie die beantragte Erhöhung der Anschlussgebühren in der Spezialfinanzierung «Wasserwerk», erhielt der Gemeinderat in den vier Teilabstimmungen – inklusive der Anpassung der Pauschale für kleinere Bezüge – durchgehend grünes Licht.
Unveränderter Steuerfuss
Auch wenn durch kantonale Vorgaben bezüglich Lohnanpassung für Lehrpersonen und Teuerungsausgleich für die Mitarbeitenden im Budget Mehrkosten von 510 000 Franken berücksichtigt werden mussten, weist dieses inklusive Spezialfinanzierung ein Plus von rund 340 000 Franken aus. Sieht man aber etwas genauer hin, trübt sich das Bild, denn die Einwohnergemeinde rechnet bei einem Aufwand von 30,922 und einem Ertrag von 28,909Millionen trotz einem ausserordentlichen Ertrag von 980 000 mit einem Minus von 817 000 Franken.
Von den durch die Einwohnergemeinde geplanten Nettoinvestitionen (2,421 Mio.) können nur 1,161Millionen Franken selbst finanziert werden, sodass der mutmassliche Schuldenberg per Ende 2023 auf 18,2Millionen Franken steigen wird. Etwas besser sieht es bei den konsolidierten Schulden aus, betragen diese doch per Ende 2023 «nur» 7,6 Millionen. Etwas Hoffnung ins Zahlenspiel brachte dann die Bemerkung von Sanvido, dass der prognostizierte deutliche Anstieg der Nettoverschuldung pro Einwohner nicht in Stein gemeisselt sei. «Zudem wird die Rechnung 2022 besser abschliessen als budgetiert, sodass eine Steuerfusserhöhung noch kein Thema ist.» Ohne Gegenstimme wurde das Budget 2023 mit unverändertem Steuerfuss von 102Prozent genehmigt.
Die Beschlüsse
An der «Gmeind» in Villmergen nahmen 123 der 4141Stimmberechtigten teil. Sie fällten an diesem Abend folgende Beschlüsse:
1. Protokoll. – 2. Projekt Wärmeverbund: a) Reglement «Wärmeversorgung»: 109 Ja zu 4 Nein. b) Kooperationsvertrag GWV/ewz: Rückweisungsantrag: 61 Ja zu 49 Nein. c) Antrag externe Wirtschaftlichkeitsüberprüfung: 19 Ja zu 90 Nein. – 3. Ersatz Kanalisationsleitung Oberdorfstrasse/ Hilfikerstrasse: Verpflichtungskredit von 1,311 Millionen Franken: 115 Ja zu 1 Nein. – 4. Erhöhung Wassergebühren: a) Erhöhung Anschlussgebühren: 110 Ja zu 3 Nein. b) Erhöhung Mengengebühren: 95 Ja zu 12 Nein. c) Erhöhung Anschlussgrundgebühren: 82 Ja zu 29 Nein. d) Erhöhung Pauschale Kleinbezüge: 95 Ja zu 10 Nein. e) Antrag aus der Versammlung für Kompensation Anschlussgebühren der Spezialfinanzierungen Abwasserbeseitigung /
Wasserwerk: 19 Ja zu 84 Nein. – 5. Schulzimmersanierung Schulanlage Hof: Verpf lichtungskredit von 1,35 Millionen Franken: 115 Ja zu 0 Nein. – 6. Budget und Steuerfuss 102 Prozent: 119 Ja zu 0 Nein.