In jeder Arbeit steckt Herzblut
03.02.2023 Fasnacht, Sarmenstorf, Region UnterfreiamtDie Sarmenstorferin Irene Lipp näht für ihr Leben gern – sei es für die Fasnacht oder die Freiämter Schwinger
Als Schneiderin machte sich Irene Lipp in der Region einen Namen. Lange konnten ihre «Guggengwändli» für die ...
Die Sarmenstorferin Irene Lipp näht für ihr Leben gern – sei es für die Fasnacht oder die Freiämter Schwinger
Als Schneiderin machte sich Irene Lipp in der Region einen Namen. Lange konnten ihre «Guggengwändli» für die Heuröpfler während des närrischen Fasnachtstreibens bestaunt werden. Heute ist ihr Schaffen anderweitig im Einsatz: Nämlich im Training und bei Wettkämpfen im Sägemehlring.
Celeste Blanc
«Fasnacht ist das Grösste, wenn du jung bist. Im Alter muss man es – zwangsläufig – etwas ruhiger angehen.» Ob der feinen Selbstironie muss Irene Lipp lachen. Wie so viele in der Freiämter Fasnachtshochburg Sarmenstorf gehört auch Lipp zu den Närrinnen und Narren des Dorfes, ohne die nur selten ein Fest steigt. Früher sowieso – heute hingegen nimmt sie es etwas gemütlicher.
So oder so ist sie aber während der Fasnachtszeit im Dorf anzutreffen. Hilft sie nicht gerade an der Fasnachtsparty ihrer ehemaligen Gugge, der Heuröpf ler, an der Garderobe oder an der Bar aus, steht die 62-Jährige davor. Und geniesst das bunte Treiben. «Fasnacht ist für mich der Inbegriff von Kreativität. Sie bietet Inspiration und Entfaltungsmöglichkeiten.»
Leidenschaftliches Hobby wird zum Beruf
30 Jahre lang war Lipp an vorderster Fasnachts-Front dabei. 24 Jahre spielte sie bei den Heuröpflern die Klötze und bereits während ihrer aktiven Zeit, aber auch noch lange nach ihrem Rücktritt, gestaltete sie die «Guggengwändli» massgebend mit. «Ich liebe es, wenn ich etwas mit meiner Fantasie verwirklichen kann. In der Arbeit mit Stoffen gehe ich auf», so die Schneiderin.
Die Arbeit mit Faden und Nähmaschine liegt der Sarmenstorferin im Blut. Bereits ihre Urgrossmutter und ihre Grossmutter sind Schneiderinnen gewesen. Davon zeugt auch die schöne alte Singer-Nähmaschine, die Lipp vererbt bekommen hat und die in ihrem lichtdurchfluteten Wintergarten ein wahrer Blickfang ist. Während ihre Mutter in Fahrwangen eine Bäckerei betrieben hat, die heute ihr Bruder führt, war die Schneiderei nicht Lipps erste beruf liche Wahl. Ihre Erstausbildung absolvierte sie Hotelbereich, die ersten Jahre nach der Lehre arbeitete sie in Hotels in der ganzen Schweiz. Doch egal, wo sie war, die Fasnachtszeit verbrachte sie immer in «Sarmi». «Für mich war klar, dass ich dafür in die Heimat musste», lacht sie.
Privat schneiderte Lipp leidenschaftlich als Hobby, doch erst Jahre später sollte sie über Umwege zur Schneiderei gelangen. Vor 15 Jahren dann eröffnete sie ihr eigenes Atelier und machte sich schon bald einen Namen im Dorf sowie in der ganzen Region.
Schwingerhosen für die Jugend
Nebst Alltagskleidern und Anpassungen, die sie für Kundinnen und Kunden aus dem ganzen Freiamt anfertigte, fasste sie vor rund 10 Jahren auch Fuss im Nähen von Sportbekleidung: konkret im Nähen von Trainingshosen für Jungschwinger.
Über ihre Freundin Sandra Joho, Mutter der Sarmenstorfer Schwinger Philip und Pascal Joho, tat sich diese Arbeit für Lipp auf. «Sie fragte mich an, ob ich nicht Lust hätte, und ich dachte mir: Wieso eigentlich nicht? Schliesslich ist es eine gute Sache, die Jungen zu unterstützen.» Es folgten weitere Anfragen. Nebst den Joho-Brüdern schwangen auch Andreas und Lukas Döbeli in Lipps Trainingshosen, die sie mittlerweile auch an den Schwingfesten tragen. Zusätzliche Aufträge kamen aus dem Schwingklub Freiamt zusammen, kurz darauf auch aus dem Zugerbiet und der Innerschweiz.
Für die Sarmenstorferin ist die Arbeit für die Schwinger der Region eine Herzensangelegenheit. Obwohl sie mit ihrer Frühpensionierung ihre Arbeit nun nach und nach reduziert, behält sie das Nähen der Trainingshosen bei. Und das, obwohl diese Arbeit die von Lipp so geschätzte Kreativität nicht gerade zulässt. «Die Arbeit geht mir sicher ring von der Hand. Doch was für mich daran viel mehr wert ist, ist die grosse Dankbarkeit der jungen Menschen. Das erfüllt mich.»
Genäht bis spät in die Nacht
Zurück zur Fasnacht. Diese hält ab diesem Wochenende mit den Grossanlässen wie dem Auftritt der «Gugge 3000» (heute Freitag) und der Heuröpfel-Party von morgen Samstag Einzug im Dorf. Und obwohl es Lipp, wie sie sagt, während der Fasnacht ein wenig gemächlicher nehmen will, steht bei ihr heuer doch das eine oder andere närrische Treiben auf dem Programm. Als Helferin wird sie an der Guggen-Party anzutreffen sein, in zwei Wochen läuft sie mit einer eigenen Gruppe am Jubiläums-Nachtumzug der Variété mit.
Dafür schneidert sie momentan f leissig an neuen Outfits. Knallige Farben, verschiedene Stoffe und das aktuelle, noch nicht ganz fertige Kostüm, das auf der Arbeitsfläche mitten in ihrem Atelier liegt, stechen dabei sofort ins Auge. Doch die wahren Blickfänger sind definitiv die Guggengwändli, die auf Schneiderpuppen vor und im Raum verteilt aufgestellt sind: Ihre Lieblingsstücke, die sie für die Heuröpfel-Gugge angefertigt hat. Auch diese sind kunterbunt, mit viel Liebe zum Detail. Sie erinnern an den Zirkus, an ferne Welten wie das mysteriöse Tibet oder an Fabelwesen. Oder an die Schweiz mit ihren vielen kulturellen Eigenheiten. Edelweisse und Alphörner, Jodleraccessoires und der Stoff vom «Edelwyss-Hemp» sind darin verarbeitet. «Das ‹Schwiizer-Guggengwändli› ist definitiv meine schönste Arbeit», meint Lipp und streicht liebevoll den Stoff zurecht.
Drei Jahrzehnte lang hat sie für die Heuröpfel-Gugge genäht. Zuerst für sich und die Familie, dann für Freunde und zum Schluss für den Grossteil der Gugge, wo sie jeweils bis zu 20 Gwändli genäht hat. Zusätzlich schneiderte sie für die Hächle-Gugger aus Hägglingen oder die Opus-Gugge aus Sarmenstorf. Dafür nähte sie vom Sommer bis kurz vor der Fasnachtssaison stundenlang im Atelier. Im wahrsten Sinne von morgens bis abends, oft bis in die tiefe Nacht hinein. 2018 nähte sie die letzten. «Es war Zeit gewesen», so Lipp. Dennoch: «Die Heuröpfler waren lange Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens. Und die Fasnacht ist es heute noch. Das ist vermutlich der Grund, wieso mich diese fünfte Jahreszeit bis heute nicht ganz loslässt.» Das Herzblut ist in jeder von Lipps Arbeiten zu erkennen. Nicht umsonst zählen die Gwändli der Heuröpfler seit Jahren zu den schönsten der regionalen Fasnacht.