Immer wieder Thema für Streit
12.05.2023 WohlenLetzte Gelegenheit
VHS lud zum «Gang durch Wohlen»
Heini Stäger und Daniel Güntert wählten diesmal «s Vogte Hübel» als Ort der Führung.
«S Vogte Hübel» bezeichnete ...
Letzte Gelegenheit
VHS lud zum «Gang durch Wohlen»
Heini Stäger und Daniel Güntert wählten diesmal «s Vogte Hübel» als Ort der Führung.
«S Vogte Hübel» bezeichnete früher den Hügel, auf dem heute das Schulzentrum Halde steht. Wie das Gebiet zu seinem Namen kam, das erklärten die beiden Ortsführer Heini Stäger und Daniel Güntert anlässlich des diesjährigen «Gangs durch Wohlen». Sie wählten diesen Ort des Geschehens, weil sich hier derzeit viel verändert. Und so eben etliches zum letzten Mal noch im Original zu sehen ist. Und natürlich wussten sie wieder viel Spannendes zu erzählen. --chh
Volkshochschule Wohlen: «Gang durch Wohlen» führte rund ums Schulzentrum Halde
Das Schulhaus Halde ist derzeit eine Grossbaustelle. Die beiden Ortsführer Heini Stäger und Daniel Güntert nützen die wohl letzte Möglichkeit, die Anlage noch im alten Zustand zu zeigen. Und sie weisen darauf hin, dass der Schulraum in Wohlen immer schon für grosse Diskussionen gesorgt hat.
Chregi Hansen
Rückblickend wäre man gern dabei gewesen. Mehr als 1100 Wohler (ausschliesslich Männer) drängten sich damals in die Kirche. Wichtigstes Thema war der Erweiterungsbau für die Bezirksschule. Es wurde heftig gestritten. Und dem Kredit schliesslich mit 508 zu 507 hauchdünn zugestimmt. Es gibt gar Gerüchte, dass einige bei der Abstimmung nur die Hand erhoben haben, weil sie von anderen dazu aufgefordert wurden. Ohne zu wissen, worum es geht.
Diese Legende zerzaust Heini Stäger am diesjährigen «Gang durch Wohlen», organisiert von der Volkshochschule. «Die Abstimmung war geheim, da wurden nicht Handzeichen gezählt», macht er deutlich. Aber der Versammlungsverlauf und der Zeitungsbericht darüber zeigen, dass schon damals um die gleichen Themen gestritten wurde wie heute. Wie viel neuen Schulraum braucht es? Wie teuer darf er sein? Und wo ist der richtige Ort dafür?
Damals das schönste Schulhaus weit und breit
Diese Diskussion zieht sich durch die Wohler Geschichte der letzten 170 Jahre. Denn schon die Planung des Primarschulhauses Halde im Jahr 1847 führte zu ähnlichen Diskussionen. Soll man das alte Schulhaus (welches später das alte Gemeindehaus wurde und heute ganz verschwunden ist) sanieren oder ein neues Gebäude bauen? Und wenn ja, wo? Mehrere Varianten wurden ins Feld geführt. Und wieder abgelehnt. Bis jemand meinte: «Geht doch auf den Vogtehübel.»
Gemeint war der Moränenhügel, der als Ausläufer der Steinzeit noch ins Dorf ragt und auf dem auch die Kirche steht. Den Namen verdankt das Areal der benachbarten Familie Wohler, die in der Gemeinde lange das Amt des Untervogts ausübte. «Nach diesem Vorschlag ging es schnell, 1854 konnte das Schulhaus Halde eingeweiht werden», berichtet Stäger weiter. Mehr noch: Das Gebäude galt damals weitherum als schönstes Schulhaus. Es war damals das einzige Haus an dieser Stelle. «Aber schon damals gab es Fehler bei der Planung. Das Zimmer für die Lehrmittel befindet sich zuoberst, alles Material muss also erst mal hochgetragen werden», so Stäger.
Erstmals im Regen
Während er den Blick in die Vergangenheit lenkt, sorgt Daniel Güntert für den aktuellen Bezug. Er erklärt den rund 30 Teilnehmern, was alles gebaut wird und wie es später hier aussehen soll. Und wie der Schulbetrieb in dieser Zeit aufrechterhalten wird. «Dieser Rundgang heute erlaubt es wie kein zweiter, die Geschichte Wohlen mit der Aktualität zu verbinden», freut er sich. Wobei der Rundgang selber kürzer ausfiel als auch schon. Denn der so beliebte «Gang durch Wohlen» erlebt eine Premiere. «Es ist die 17. Ausgabe. Und zum ersten Mal regnet es», muss Güntert zu Beginn feststellen. So bleibt die Gruppe vermehrt unter Dächern und legte nur eine kurze Strecke unter dem Schirm zurück.
Etwa zur Unterführung, die in den 70er-Jahren gebaut wurde und wo man bei den Arbeiten auf einen grossen Findling stiess. «Die Unterführung war nötig, weil der Verkehr schon damals ein grosses Thema war», so Güntert. Oder zum Wietlisbach-Schulhaus, welches ursprünglich in Privatbesitz war, bevor es die Gemeinde für Schulzwecke übernahm. Eine Zeit lang war hier auch die Bibliothek untergebracht. «Zuvor war diese im Schulhaus Halde. Geöffnet war sie aber nur sonntags nach der Kirche», schaut Stäger auf die Anfänge zurück. Später war das Wietlisbach-Schulhaus auch Ausgabestelle für die Rationierungsmarken im Zweiten Weltkrieg.
Der Krieg war auch der Grund für den Bau eines Luftschutzbunkers unter der Turnhalle Halde. Von dessen Existenz wissen nur wenige, viele betreten diese Räume das erste Mal. Und staunen, wie viel sich hier noch im Originalzustand befindet. Bis hin zu den Beschriftungen an den Türen und den Notstromgeneratoren, die mit Muskelkraft betrieben wurden. Der Bunker ist mit ein Grund, dass sich die beiden Dorfhistoriker für den Rundgang ums Schulhaus Halde entschieden, wird er doch bald verschwunden sein. Es ist die letzte Möglichkeit, ihn noch zu zeigen.
Von der Bez Wohlen an die Uni Zürich
Nicht mehr viel zu sehen ist hingegen von den beiden gallorömischen Gutshöfen, die einst in Wohlen standen. Einer davon an der Stelle, an der sich jetzt das Provisorium der Bezirksschule befindet. Schon früh fand man hier Überreste der Römerzeit. Doch statt sie zu bewahren, hat man die Steine damals sofort als Baumaterial verwendet. Man stelle sich vor, beim Aushub für das neue Primarschulhaus wäre man auf solche Funde gestossen – der ganze Zeitplan wäre durcheinandergeraten. «Ich habe ja gehofft, dass man wenigstens auf einen Findling stösst, aber auch das war nicht der Fall. Zur Erleichterung des Gemeinderates», schmunzelt Güntert.
Erneut brillieren er und Kollege Stäger mit vielen Fakten und Anekdoten. So berichten sie, dass das Bezschulhaus vom gleichen Architekten stammt, der später die Uni Zürich gebaut hat. «Offenbar hat der Wohler Bau ganz viel Eindruck gemacht», so Stäger. Und auch ein Badezimmer enthielt dieses Schulhaus, in welchem sich die Schüler und Schülerinnen unter Aufsicht alle 14 Tage waschen mussten. Und dass es 1899 zu einem Skandal an der Bez kam, weil ein Lehrer behauptete, dass der Mensch von den Affen abstammt. Er war nicht lange als Lehrkraft in Wohlen tätig. Es sind solche Geschichten, die jeden «Gang durch Wohlen» zu etwas Besonderem machen. Darum darf man gespannt sein, welches Quartier Heini Stäger und Dani Güntert im nächsten Jahr ansteuern. «Dann wieder bei Sonne», versprechen sie zum Schluss.