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10.12.2024 WohlenDer Fussball-Experte
Ciriaco Sforza bei der Valiant AG
Die dritte Auflage von «Freiämter Persönlichkeiten erzählen», durchgeführt von der Valiant AG mit Sitz in Wohlen, ist auf grosses Interesse gestossen. Regionenleiter ...
Der Fussball-Experte
Ciriaco Sforza bei der Valiant AG
Die dritte Auflage von «Freiämter Persönlichkeiten erzählen», durchgeführt von der Valiant AG mit Sitz in Wohlen, ist auf grosses Interesse gestossen. Regionenleiter Martin Schertenleib sprach sogar von einer Rekordbeteiligung im Restaurant Linde in Büttikon. Dies lag vor allem am prominenten Gast. Ciriaco Sforza, ehemaliger Captain der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft und Gewinner der Champions League, philosophierte über den Fussball der 90er-Jahre, über die Entwicklung bis hin zur Aktualität. Das Business sei heute oft wichtiger als der Fussball selber, kritisierte der Fussball-Experte. Er selber rückt lieber die Menschen in den Mittelpunkt. --dm
Valiant Bank AG in Wohlen präsentiert: «Freiämter Persönlichkeiten erzählen» mit Ciriaco Sforza
Interessante Einblicke in eine bemerkenswerte Karriere. Das versprach Valiant-Regionenleiter Martin Schertenleib. Sein Gast Ciriaco Sforza hielt Wort. Der ehemalige Captain der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, der von Wohlen aus seine erfolgreiche Laufbahn startete, lieferte Ansichten, Erlebnisse, Fakten und Zukunftsaussichten.
Daniel Marti
«Die Messlatte ist hoch», sagte Martin Schertenleib in seinen Begrüssungsworten. Der Regionenleiter der Bank Valiant in Wohlen konnte die Gäste zur dritten Auflage von «Freiämter Persönlichkeiten erzählen» im Restaurant Linde in Büttikon begrüssen. Nach Hanspeter Strebel, Mäzen, Investor sowie Präsident und Mehrheitsaktionär des Eishockeyclubs Zug, und Schwinger-Boss Stefan Strebel suchte Martin Schertenleib nach einer «herausragenden Sport-Persönlichkeit». Und fand diese in der Person von Ciriaco Sforza, erfolgreicher Fussballer und Trainer.
Stolze Titelsammlung
«Ciriaco Sforza ist ein Mensch, der nie vergessen hat, woher er kommt», erklärte Schertenleib zu Beginn. «Er hat praktisch alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.» Uefa-Cup-Sieger (1996), Champions-League-Sieger und Weltpokal-Gewinner mit Bayern München (2001), zweifacher Deutscher Meister mit Kaiserslautern und Bayern München, Schweizer Meister und Cupsieger. 79 Spiele mit der Schweizer Nationalmannschaft. 265 Spiele in der Bundesliga. Diese Marke wurde nur von einem Schweizer überboten, Yann Sommer, der 291 Spiele in der deutschen Spitzenklasse absolvierte.
Wie denn alle diese Erfolge in Erinnerung geblieben sind, wollte Alexander Müller von der Valiant wissen. Ab und zu denke er schon daran, so Ciriaco Sforza, wenn er im Fernsehen allenfalls Siegerehrungen oder Finalspiele verfolgt. «Ja, diesen Pokal habe ich auch mal gewonnen», denkt er sich dann.
Schöne Erinnerungen, aber Ciri Sforza lebt im Hier und Jetzt. Er sei glücklich und stolz, dass dies alles von Wohlen aus gelungen sei. Er selbst ist hier aufgewachsen, und seine Familie fühle sich ausgesprochen wohl in Wohlen. Auch jetzt, als Trainer des FC Schaffhausen in der Challenge League, ist sein Lebensmittelpunkt in Wohlen. Um 6.15 Uhr fährt er praktisch jeden Tag nach Schaffhausen. «Wohlen ist meine Heimat», sagt er.
Für ihn steht immer der Mensch im Mittelpunkt
Von Wohlen aus startete er seine Karriere, als 16-Jähriger ging er zu den Zürcher Grasshoppers. Dort bekam er nicht nur viel Vertrauen, sondern auch die zugesicherte Unterstützung, falls es mit der Profikarriere nicht klappen sollte, dass seine Ausbildung wieder im Vordergrund stehen würde. Das war die Basis zum Erfolg. «Sonst», sagt Sforza, «sollte der Beruf schon vor dem Hobby kommen.» Dass er jedoch die ganz grosse Bühne betrat und in den riesigen Fussballstadien dieser Welt spielte, das ist seinem Talent, seinem Können zuzuschreiben.
Eine Spirale, die sich laufend nach oben drehte. Auch für Interviewer Alex Müller. Wie gross und bedeutend denn Fussball noch werden soll, wollte er wissen. «Fussball lebt von Emotionen, vom Business», weiss der 54-Jährige. Für ihn sei jedoch das Aarauer Stadion Brügglifeld heimeliger als irgendwelche Fussballtempel, die 80 000 Fans fassen. «In kleinen Stadien zählt noch der Mensch, in den riesigen Stadien wird alles schnell anonym.» Sowieso steht für Ciri Sforza stets der Mensch im Mittelpunkt – auch im Fussball. Mit dem Lauf der Zeit sei auch er selbst menschlicher geworden, gibt er gerne zu. «Menschlichkeit ist mir heute viel wichtiger als früher.»
Mit der WM 1994 viele Türen aufgestossen
Gewiss, in der grossen Unterhaltungsshow Fussball mit all seinen Rekorden brauche es auch Ecken und Kanten. «Aber auch Klarheit und Offenheit.» Vor allem als Trainer. Und das hatte Sforza schon in jungen Jahren, Im Jahr 1990 liess er sich einbürgern, der Sohn einer Einwandererfamilie aus Italien entschied sich für die Schweiz. «Ich wurde in der Schweiz geboren, Das Land hat mir eine Chance gegeben, in das Profileben einzusteigen. Darum war für mich klar, dass ich mit Überzeugung für die Schweiz spielen möchte. Und zwar mit Herz.» Er habe stets alles gegeben für die Schweizer Fussball-Nati.
Unvergesslich ist die WM-Qualifikation und -Teilnahme in den USA 1994. «Was wir damals geleistet haben, das war grossartig.» Nach 28 Jahren Unterbruch hatte sich die Schweiz wieder für eine WM-Endrunde qualifizieren können. «Wir waren getragen von einer grossen Euphorie, und wir konnten mit unserem Erfolg viele Türen aufstossen.»
Danach setzte eine Entwicklung ein. Das Business Fussball sei hoch gegangen, und die Entwicklung sei heute nicht nur positiv. «Ich kann das aber auch nicht ändern. 1994 waren wir eine Einheit, alles starke Typen. Und heute? Wo bleibt der Mensch? Das Business ist im Vordergrund, nicht der Fussball», betont er kritisch.
Schweizer Vereine setzen zu wenig auf eigene junge Spieler
Gewiss, auch Ciri Sforza wird getrieben vom Fussballfieber. «Und wie wars denn mit lukrativen Angeboten?», wollte Müller wissen. «Lukrative Angebote aus anderen Ländern gab es, aber es muss immer für alle stimmen. Die Familie muss sich wohlfühlen, nur dann kann ich Energie entwickeln.» Er habe nach wie vor «den Fussball im Blut», aber momentan sei es ihm wichtig, mit jungen Fussballern zu arbeiten. So habe er jeden Tag Freude am Fussball.
Gleichzeitig bedauert Ciriaco Sforza, dass in den beiden Profiligen der Schweiz viel zu wenig auf junge und eigene Kräfte gesetzt werde. «Fussball ist für die Jungen ein Traumberuf. Aber nur in Luzern, St. Gallen, Wil und Schaffhausen wird effektiv auf die Karte Junge gesetzt.» Dies darf man auch als klare Kritik an den Club-Bossen verstehen. Denn die Schweizer Super und Challenge League sind laut Sforza Ausbildungsligen. «Wenn man zu wenig auf junge Schweizer Spieler setzt, dann läuft doch etwas falsch.» Zudem haben die vielen Spielerberater gemäss Sforza einfach zu viel Einfluss, «und für die Philosophie eines Vereins interessieren sie sich oft nicht».
Ob er denn alles nochmals gleich entscheiden würde, wollte Alex Müller vom ehemaligen Spitzenfussballer wissen. «Rückblickend», so Sforza, «würde ich mir wohl etwas mehr Zeit lassen beim Einstieg als Cheftrainer.» FC Luzern, GC, FC Wohlen (mit der besten Saison in der Geschichte der Challenge League), FC Thun, FC Wil, der grosse FC Basel und nun FC Schaffhausen sind seine Trainerstationen.
Geduld und eine klare Strategie
Das generelle Erfolgsgeheimnis kann auch Ciri Sforza im Fussball nicht garantieren. Aber wichtige Aspekte hebt er hervor: «Man braucht Geduld, eine Strategie, die man klar kommunizieren muss und die dann von den Fans auch akzeptiert wird. Dann braucht es einen starken internen Kreis, der in schwierigen Zeiten auch mal Ruhe bewahrt.» Und Leute, die den Schweizer Fussball kennen, sollten das Sagen haben bei den Vereinen. Nicht ausländische Investoren, die sich auf ihnen unbekanntem Terrain bewegen.
Das klingt dann schon wie ein kompetenter Funktionär oder Sportchef. Ist das auch ein Thema für Ciriaco Sforza, «Schweizer Fussballer des Jahres 1993»? Irgendwann, vielleicht. «Könnte sein, wenn es denn Sinn macht», so Sforza. Auf jeden Fall werde er nie am Scheideweg stehen: Schnelles Geld verdienen oder ein sauberer Weg für den Fussball, Ciriaco Sforza wählt immer den sauberen Weg. Und das, wenn es irgendwie geht, immer von Wohlen aus. «Denn hier ist meine Familie glücklich.»


