Im Kopf beginnt das Spiel
21.11.2025 Bremgarten, SportLaura Vogt und ihre Mutter Carmen coachen Goalies mental – mit ihrem Start-up MindSave wollen sie ein Tabu brechen
Wer im Tor steht, steht allein. Ein Fehltritt, und alle sehen ihn. Für Torhüterinnen und Torhüter ist der Grat zwischen Held und ...
Laura Vogt und ihre Mutter Carmen coachen Goalies mental – mit ihrem Start-up MindSave wollen sie ein Tabu brechen
Wer im Tor steht, steht allein. Ein Fehltritt, und alle sehen ihn. Für Torhüterinnen und Torhüter ist der Grat zwischen Held und Sündenbock besonders schmal. Die Bremgarterin Laura Vogt kennt diesen Druck seit Jahren – und will mit ihrem Unternehmen MindSave, das sie zusammen mit ihrer Mutter Carmen gegründet hat, etwas verändern.
Sabrina Salm
Während sich Stürmer feiern lassen, wenn sie ein Tor schiessen, sieht die Welt des Goalies anders aus. «Wenn du zwei Fehler machst, sitzt du auf der Bank. Der Druck ist enorm», sagt Laura Vogt. Die 25-Jährige spielt derzeit beim FC Rapperswil-Jona in der höchsten Schweizer Frauenliga. Für sie ist klar: Torhüterinnen und -hüter brauchen mehr als Reaktion, Sprungkraft und Technik – sie brauchen mentale Stärke. Denn ein Goalie ist Teil des Teams, aber zugleich Einzelsportler. Niemand versteht so recht, was im Kopf einer Torhüterin vorgeht, wenn der Ball auf sie zurast. «Man gehört dazu, aber doch nicht richtig», beschreibt Vogt das Paradox ihrer Position. Sie weiss, die besondere Rolle des Goalies wird oft unterschätzt.
Von Bremgarten in die Welt
Begonnen hat alles auf der Bärenmatt in Bremgarten. Mit fünf Jahren begann Laura beim FC Bremgarten, mit zwölf wechselte sie zum FC Zürich, später folgten Stationen bei GC Zürich und dem FC Aarau. Ein Sportstipendium führte sie in die USA, wo sie auch ihren Podcast «We need to be Laud» gestartet hat, danach der erste Profivertrag nach Rumänien. Überall sammelte sie Erfahrungen – sportlich und mental. «Schon früh wurde mir gesagt, dass ich für den Profifussball zu klein bin», erzählt sie. Doch statt aufzugeben, suchte sie Wege, innerlich zu wachsen. In den USA lernte sie, sich durchzusetzen, in Rumänien erlebte sie, was Vertrauen eines Vereins bewirken kann.
Ihr Studium in Sportpsychologie und ihre eigenen Erfahrungen legten den Grundstein für ihr zweites Standbein. Entstanden ist die Idee, Mentaltrainings speziell für Goalies zu entwickeln. «Für alle Sportlerinnen und Sportler gibt es Mentalcoaches – nur nicht speziell für Torhüterinnen und Torhüter», sagt sie. Die Lücke im System wollte sie schliessen. Mit im Boot: ihre Mutter Carmen. Die 59-Jährige ist seit 12 Jahren Sport-Mentalcoachin und bringt mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung als Juniorentrainerin beim FC Bremgarten mit. «Dadurch und als Mutter einer Torhüterin habe ich gesehen, wie unterschiedlich die Anforderungen an Goalies sind», sagt sie. «Der Druck ist grösser, Fehler sichtbarer – und das Umfeld entscheidend.» So entstand die MindSave GmbH, ein Familienunternehmen, bei dem auch Bruder Jesse im Hintergrund mithilft.
Ein Angebot, das es so noch nicht gab
Seit einem Jahr gibt es MindSave – und die Nachfrage wächst stetig. Einmal im Monat bieten Laura und Carmen Vogt ein Webinar an, meist mit rund 20 Teilnehmenden, manchmal auch mit über 50. Goalies aller Sportarten lernen, mentale Routinen zu entwickeln, Selbstvertrauen zu stärken und den Fokus, besonders in Drucksituationen, zu halten. «Wir schwingen nicht den Zauberstab», sagt Carmen Vogt. «Wir geben den Sportlern das Rüstzeug, um mit Herausforderungen besser umzugehen. Umsetzen müssen sie es selbst.» Die Ergebnisse sprechen für sich: Ein 13-jähriger Eishockeygoalie erzielte nach nur drei Monaten Coaching an einem Turnier Bestleistungen – ohne zusätzliches Training.
«Ab einem gewissen Niveau sind alle gut – was den Unterschied macht, ist der Kopf», sagt Laura Vogt. Sie und ihre Mutter wollen helfen, das ganze Potenzial zu entfalten. In Deutschland sind Mentaltrainer in Leistungszentren Pflicht, in der Schweiz dagegen Luxus. «Viele Clubs haben kein Budget dafür. Unser Ziel ist, das Bewusstsein zu schärfen, dass mentale Fitness genauso wichtig ist wie körperliche.»
Selbstvertrauen aus dem Inneren
Das Unternehmen der Vogts richtet sich vor allem an junge Leistungssportlerinnen und -sportler zwischen 15 und 25 Jahren, die auf dem Sprung in den Profibereich sind. Neben Webinaren gibt es individuelle Coachings via Zoom. «Unsere Kombination aus sportpsychologischem Wissen und Coaching-Erfahrung funktioniert perfekt», sind sich Mutter und Tochter einig. Das Herzstück des Programms ist das sogenannte Brick-Wall-Mindset: die Fähigkeit, in allen Situationen Höchstleistungen zu bringen. «Ein Gegentor ist kein Weltuntergang, sondern ein Moment zum Lernen», findet Laura Vogt. Entscheidend sei, wie man danach reagiert – nicht, ob man Fehler vermeidet.
Ein zentraler Punkt der Coachings ist Selbstvertrauen. Viele suchten Anerkennung im Aussen, sagt Carmen Vogt. «Doch wir können nicht beeinflussen, was andere denken. Deshalb sollte Selbstvertrauen aus dem Inneren kommen.» Ein einfacher Tipp, den sie ihren Coachees mitgeben: Jeden Abend zwei bis drei Dinge notieren, die gelungen sind – so klein sie auch scheinen. «Das lenkt den Fokus auf das Positive.» Laura Vogt ergänzt: «Wir sind nicht nur Goalies. Wenn ein Spiel schlecht läuft, ist das nur eine Rolle in unserem Leben. Wir sind auch Tochter, Freundin, Geschäftsfrau. In allem gleichzeitig zu scheitern, ist unmöglich.»
Ein Familienprojekt mit Vision
Was als Idee zwischen Mutter und Tochter begann, ist heute eine wachsende Marke im DACH-Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz). Ihr Ziel: MindSave als festen Begriff in der Goalie-Community zu etablieren. «Jeder, der MindSave hört, soll wissen, was es ist», sagt Laura Vogt. Langfristig will sie ihr Coaching auch international anbieten – und eines Tages ihre «eigenen» Goalies bei einem Spiel live begleiten.
Für sie ist MindSave mehr als ein Unternehmen – es ist eine Bewegung. Eine, die den Menschen im Tor ins Zentrum rückt. «Goalies sind anders – haben eine Schraube locker», sagt sie und lacht. «Aber genau das macht sie besonders.»

