Im Einklang mit der Natur
07.11.2023 Natur, Aristau, Region OberfreiamtEin Teil des Aristauer Reitwalds ist ein Friedwald – hier können Menschen ihre letzte Ruhe finden
Sie sind eine Alternative zu herkömmlichen Bestattungen. «Keine Konkurrenz. Die Leute sollen einfach wählen können», sagt Sabine ...
Ein Teil des Aristauer Reitwalds ist ein Friedwald – hier können Menschen ihre letzte Ruhe finden
Sie sind eine Alternative zu herkömmlichen Bestattungen. «Keine Konkurrenz. Die Leute sollen einfach wählen können», sagt Sabine Weber, Teil der Geschäftsleitung von Friedwald. Rund 85 solcher Waldstücke gibt es mittlerweile, vor allem auf der Alpennordseite. Eines davon ist in Aristau, ein weiteres in Jonen.
Annemarie Keusch
Nichts. Keine Grabkerze. Kein Foto. Keine Blumen. Ein ganz normales Waldstück eben. «Das soll so sein», sagt Sabine Weber, Mitglied der Geschäftsleitung von Friedwald. Es sei Auflage, dass die Natur rund um die Bäume nicht beeinflusst wird. «Wir kontrollieren das auch regelmässig», sagt Weber und meint damit einerseits die Waldbesitzer, die in einigen Friedwäldern diese Kontrollgänge unternehmen, andererseits Thomas Brändle, der als Forstwart die Friedwälder betreut. Dass dies hier im Aristauer Reitwald, am Waldrand Richtung Besenbüren, trotzdem kein ganz normales Waldstück ist, verraten einzig die kleinen Buchstabencodes an einigen Bäumen. Damit sie einem auffallen, muss man schon genau hinsehen. «Das sind keine Initialen jener, die hier begraben sind, es ist einfach eine Orientierungshilfe», sagt Sabine Weber.
Seit rund 30 Jahren gibt es in der Schweiz Friedwälder. Die Idee dazu kam von Ueli Sauter. Er schreibt:
«Immer mehr Menschen entscheiden sich für diese neue Form der Bestattung, weil sie den Hinterbliebenen ermöglicht, mit dem Verlust eines Angehörigen sorgfältig umzugehen und der Trauer Raum zu geben.» «Im Wald kann ich atmen, hier empfinde ich die Atmosphäre als tröstlich.» So formuliert es Sabine Weber.
Für bis zu 99 Jahren im Grundbuch eingetragen
Das Prinzip ist unkompliziert. Wer will, kann auch schon zu Lebzeiten einen entsprechenden Baum kaufen. Im Todesfall wird ein Loch im Wurzelbereich gegraben und darin die Asche ausgestreut. «Ohne Urne», betont Weber. Auch hier gilt, dass die Natur möglichst so belassen werden soll, wie sie ist. Weber beobachtet, dass sich immer mehr Leute zu Lebzeiten Gedanken über ihr Ableben machen. «Mittlerweile ist die Hälfte aller Plätze vorsorglich gekauft», erklärt sie. Dabei bietet ein Baum nicht nur Platz für eine Bestattung. «Ganze Familien, Freundeskreise oder auch Paare, gar Haustiere können sich so einen gemeinsamen Ort für die Ewigkeit einrichten.»
Weber meint dies nicht nur im spirituellen Sinn. Friedwälder werden im Grundbuch eingetragen, für eine Dauer von bis zu 99 Jahren. «Man muss sich als Angehörige nie mehr Gedanken darüber machen, was nach einer möglichen Grabräumung kommt.» Weber sagt dies nicht, um das Modell gegen herkömmliche Bestattungen auf Friedhöfen auszuspielen. «Für mich ist die Stimmung auf einem Friedhof eher beklemmend, stattdessen gibt die Weite im Wald die Möglichkeit, sich zu entfalten und zu atmen. Aber das ist meine Meinung und mit der will ich niemanden brüskieren. Ich finde es einfach schön, dass wir in der Schweiz verschiedene Möglichkeiten für unsere letzte Ruhestätte haben.»
Waldbesitzer entscheiden mit
Den Friedwald in Aristaus Reitwald gibt es seit rund 20 Jahren. Über 50 Bäume, die für Bestattungen gekauft werden können, stehen hier. «Das müssen keine besonders kräftigen Bäume sein», betont Thomas Brändle. 200-jährige Bäume seien im Gegenteil eher suboptimal, weil die Gefahr gross ist, dass diese nicht mehr lange stehen bleiben. Buchen, Linden, Eichen, Ahorn, Kirschen, Birken, Eiben, Weisstannen und Lärchen seien besonders beliebt. Brändle betont: «Die Waldbesitzer entscheiden, welche Bäume für Bestattungen möglich sind.» Dies seien einerseits Privatpersonen, aber auch Ortsbürgergemeinden oder Kooperationen. Zudem gebe es Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit aus einem Waldstück ein Friedwald wird. «Das Gelände sollte zugänglich sein», sagt Brändle. In zumutbarer Gehdistanz brauche es zudem eine kleine Parkmöglichkeit. «Und Mischwald ist ideal, weil er am gesündesten ist und am längsten stehen bleibt.»
In Kontakt kommen die Verantwortlichen von Friedwald und Waldbesitzer an Forstmessen, via Ausschreibungen oder einfach aus Interesse der alternativen Bestattungsmöglichkeit gegenüber. «Wir sind immer auf der Suche nach neuen Standorten», sagt Sabine Weber. Denn obwohl es aktuell rund 85 Friedwälder gibt in der Schweiz, sind einige bereits ausgebucht, jener in Seengen zum Beispiel. Ganz allgemein ist die Nachfrage recht gut. Im Aristauer Friedwald würden jährlich rund zwei, drei Rechte verkauft. «In städtischen Gebieten sind es deutlich mehr», weiss Weber.
Auch pragmatische Vorteile
Brändle und Weber, die beide seit über zehn Jahren bei Friedwald arbeiten, wissen, dass diesem Projekt gegenüber auch Skepsis herrscht. «Die einen meinen, dass durch einen Friedwald viel Bewegung in den Wald kommt. Aber das stimmt nicht.» Natürlich dürften Verabschiedungszeremonien gemacht werden, vielleicht mit Musik, mit einem Pfarrer. «Da sind die Leute völlig frei», sagt Weber. Aber auch hier gilt: der Eingriff in die Natur soll möglichst klein und von kurzer Dauer sein. Weber betont: «Mit Forstbetrieben, mit Jagdgesellschaften, mit Bikern, mit Waldspielgruppen – wir pflegen ein gutes Verhältnis, es geht alles gut aneinander vorbei.» In Mammern im Kanton Thurgau ist der Sitz von Friedwald, von hier aus wird das Projekt begleitet – in die ganze Schweiz hinaus. Es seien querbeet Leute, die ihre letzte Ruhe im Wald suchen. «Oft sind es solche, die es auch zu Lebzeiten in den Wald zog», sagt Sabine Weber.
Auch darum ist sie überzeugt, dass es zwar Bestattungen im Wald erst seit 30 Jahren offiziell gibt, es solche aber schon früher gab. «Damals hatten noch fast alle Leute Kontakt zu Waldbesitzern, gerade in den Städten hat sich das sehr gewandelt, auch darum braucht es unser Angebot.»
Und Thomas Brändle, der seit vielen Jahren in den Friedwäldern arbeitet, sieht auch ganz pragmatische Vorteile. «Ein Friedwald heisst nicht, dass dieser Wald nicht mehr genutzt werden kann. Jene Bäume, deren Rechte nicht gekauft werden, bringen weiterhin wirtschaftlichen Nutzen. Und weil es immer schwieriger ist, den Wald rentabel zu bewirtschaften, sind Friedwälder auch einfach eine willkommene zusätzliche Einnahmemöglichkeit für Waldbesitzer.»