«Ich kann hier etwas bewegen»
04.11.2025 Mutschellen, RudolfstettenGemeindeschreiber Urs Schuhmacher ist seit 30 Jahren für die Gemeinde tätig
Am 6. November 1995 begann Urs Schuhmacher mit seiner Arbeit auf der Gemeindeverwaltung von Rudolfstetten-Friedlisberg. Ein Krankheitsfall machte den jungen KV-Abgänger schon bald ...
Gemeindeschreiber Urs Schuhmacher ist seit 30 Jahren für die Gemeinde tätig
Am 6. November 1995 begann Urs Schuhmacher mit seiner Arbeit auf der Gemeindeverwaltung von Rudolfstetten-Friedlisberg. Ein Krankheitsfall machte den jungen KV-Abgänger schon bald zum Gemeindeschreiber. Schuhmacher ist stolz darauf, wie sich die Gemeinde entwickelt hat und dass er über nunmehr drei Jahrzehnte dazu etwas beitragen konnte.
Roger Wetli
Sie wurden bereits in jungen Jahren Gemeindeschreiber. Wie ist es dazu gekommen?
Urs Schuhmacher: Ich bin da tragisch reingerutscht. 1995 begann ich als stellvertretender Gemeindeschreiber. An einem Sonntagabend im Juni 1998 hatte der damalige Gemeindeschreiber schwere gesundheitliche Probleme und musste auf die Intensivstation. Der damalige Gesamtgemeinderat vertraute mir an, das Amt des Gemeindeschreibers zur Überbrückung zu übernehmen. Nach einem Jahr wurde klar, dass mein Vorgänger nicht mehr zurückkommen kann. Offenbar machten wir es gut. Rund 1,5 Jahre nach diesem Schicksalsschlag beförderte man mich zum regulären Gemeindeschreiber von Rudolfstetten-Friedlisberg.
Sie wurden bereits als stellvertretender Gemeindeschreiber angestellt. War es Ihr Plan, irgendwann nachzurutschen?
An so was dachte ich damals gar nicht. Ich war glücklich mit meinem Job, welcher auch das Zivilstandsamt umfasste. Ich konnte meinen Hobbys nachgehen und leistete auch einige Monate Militärdienst. Als Gemeindeschreiber zu arbeiten, hätte ich mir damals noch nicht zugetraut, obwohl ja, die Aufgaben gefielen mir. Nein, gesucht habe ich es damals nicht.
Und trotzdem wurden Sie es.
In einem Augenblick veränderten sich hier die Umstände. Ja, man traute mir dies menschlich und fachlich zu. Der Gemeinderat glaubte an mich und mein Team. Man stand hinter uns und ging gemeinsam vorwärts.
Erhielten Sie dabei Unterstützung von anderen Gemeindeschreibern aus der Umgebung?
Ja, ich durfte sie anrufen. Ich durfte damals auf die Unterstützung einiger erfahrener Kollegen zählen. Besonders hilfreich waren Felix Irniger, Widen, Nick Wettstein aus Berikon und Walter Bürgi aus Eggenwil. Eigentlich könnte ich den halben Bezirk erwähnen – die Hilfsbereitschaft war überall spürbar. Viele dieser Ehemaligen sind heute pensioniert, während meine Jahrgänger damals zumeist noch nicht im Amt oder als Stellvertreter tätig waren. Heute hoffe ich, selbst hin und wieder etwas von meiner Erfahrung weitergeben zu können. Der Austausch unter den Gemeindeschreibern war und ist für mich stets eine grosse Bereicherung.
Wie stand es mit der Akzeptanz im Gemeinderat und in der Bevölkerung?
Die Akzeptanz der Behörde und der Bevölkerung war sehr gross. Je weniger man hörte, desto besser war es wahrscheinlich. Am Schalter sah es dann manchmal etwas anders aus. Gerade bei «anspruchsvoller» Kundschaft war ich dann schon gefordert. Innerhalb des Teams im Gemeindehaus war die Situation auch neu, da musste ich meinen Platz zuerst finden. Wenn ein 23-Jähriger plötzlich einer über 50- oder sogar 60-jährigen Person etwas erklären sollte, kann das schon mal zu einem Knattern im Gebälk kommen. Aber Probleme sind ja bekanntlich da, um sie zu lösen.
Parallel dazu machten Sie im Militär Karriere und führten dort Leute. Half das?
Ja, auf jeden Fall. Mit jungen Menschen, welche ja nicht unbedingt aus eigenem Antrieb da waren, motivierende Kommunikation, Verständnis zu schaffen, waren entscheidende Faktoren. Auch heute als Miliz-Chef Lufttransport (CAT) im Grad eines Oberstleutnants komme ich nicht nur mit militärischem Personal in Kontakt. Auch viele zivile Mitarbeitende sind da tätig. Hier bekomme ich jährlich einen Perspektivenwechsel, so ein paar Wochen quasi auf einer anderen «Flughöhe» zum Gemeindealltag.
In diesen 30 Jahren ist vieles anders geworden. Wo sehen Sie die grössten Unterschiede?
Zu Beginn waren wir noch deutlich einfacher unterwegs. Heute müssen Rechtsschriften und Verfügungen umfassender abgefasst werden. Eine Rechtsmittelbelehrung setzte man da nicht überall drauf, mehr Beschwerdeverfahren gab es aber nicht. Man ist heute überaus bedacht darauf, keine Fehler zu machen, weil durch Verfahrensfehler alles noch länger dauert und dies dann auf einen zurückfällt. Pragmatismus in Anwendung und Umsetzung gibt es heute weniger oder es wird kaum mehr zugelassen. Dazu kam die ganze technische Entwicklung mit Internet, E-Mail und den sozialen Medien. Da gings ab dem Jahr 2000 so richtig rasant vorwärts. Heute müssen wir schauen, wo und wie wir die künstliche Intelligenz richtig einsetzen, und schauen, dass wir die Inhalte auch noch kritisch hinterfragen.
Als Gemeindeschreiber arbeiten Sie eng mit den Gemeinderäten zusammen. Sind daraus Freundschaften entstanden?
Freundschaften weniger, aber kameradschaftliche Beziehungen. Viele Gemeinderäte, mit denen ich zusammenarbeitete, sind mittlerweile leider verstorben oder weggezogen.
Gab es Gemeinderäte, über deren Rücktritt Sie erleichtert waren?
Nein, Rücktritte einzelner Personen habe ich mir nie gewünscht. Es gab aber Momente, in denen ich gespürt habe, dass dieses Amt zur Last wurde. Wenn dann Motivation oder private Umstände nicht mehr mitspielen, ist ein Rücktritt ein konsequenter und möglicherweise befreiender Schritt. Viele Gemeinderäte waren für mich wertvolle fachliche und menschliche Stützen. Ich hoffe, dass niemand wegen mir zurückgetreten ist. Und dass ich heute noch für diese Gemeinde arbeite, spricht, denke ich, für die gute Zusammenarbeit in diesem Gremium (schmunzelt).
Bei der Zusammenarbeit zwischen den Mutscheller Gemeinden gibt es immer wieder Konflikte. Wie sehen Sie diese Zusammenarbeit aus eigener Perspektive?
Sie ist eigentlich entspannter, als sie zum Teil gegen aussen dargestellt wird. Heute arbeiten wir in vielen Belangen intensiv zusammen. Beispiele dafür sind die Schulen, Betreibungsamt, KESD, Bibliothek, Sicherheit, Sport. Die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen funktioniert gut, da versuchen wir, einander zu unterstützen. Dass es bei der Politik manchmal anders läuft, gehört doch auch ein bisschen dazu. Das liegt an unterschiedlichen Perspektiven, Finanzen oder Haltungen. Diese Konflikte, wenn man dies überhaupt so nennen kann, haben bisher häufig sogar zu besseren Lösungen geführt. Und schlussendlich hat immer das Volk das letzte Wort, sei es bei Sachgeschäften oder den Wahlen.
Zurück zu Rudolfstetten-Friedlisberg: Wie haben Sie die finanzielle Entwicklung der Einwohnergemeinde wahrgenommen?
Vieles wurde richtig gemacht. Als ich hier begann, versuchte man bereits, das Notwendige vom Wünschbaren zu trennen. Dies nach dem Motto: Für was man privat kein Geld ausgibt, gibt man auch als Gemeinde kein Geld aus. Sparen heisst jedoch nicht, nichts auszugeben. Im richtigen Moment Investitionen auszulösen, ist aber nicht ganz so einfach. Es wurde stets nachhaltig in die Zukunft investiert. Heute haben wir mit laufenden Ausgaben ein Problem, welche wir nicht umfassend selbst beeinflussen können, dies besonders im Gesundheits-, Sozial und Bildungswesen.
Wo hätte man diesbezüglich aus heutiger Sicht anders handeln sollen? Oder hat man immer richtig entschieden?
Im Nachhinein ist man immer ein bisschen schlauer. Man hat vor über zwei Jahrzehnten bereits Gemeindelandverkäufe getätigt. Damals gute Geschäfte, aus heutiger Sicht wären diese finanziell noch weit lukrativer ausgefallen, da würde man von Spottpreisen reden. Damit konnte man verschiedene Investitionen tätigen, aber auch notwendige Sanierungen finanzieren, ohne beim Steuerfuss etwas zu ändern. In ein paar Jahren wird man dann wahrscheinlich wieder Ähnliches sagen, wobei man heute «Geschäfte» anstrebt, welche der nächsten Generation auch wieder Vermögen sichern, wie zum Beispiel bei der Isleren, im Areal Gemeindehaus oder im Hofacker.
Sie arbeiten jetzt seit drei Jahrzehnten in und für Rudolfstetten-Friedlisberg. Könnten Sie sich vorstellen, das Dorf zu wechseln?
Aktuell nicht. Ich habe auch keine Bewerbung offen. Ich fühle mich hier wohl in diesem Umfeld und habe das Glück, dass wir ein sehr gutes Team zusammenhaben. Dies vom Werkhof über die Schule, den Hausdienst bis ins Gemeindehaus. Da bin ich wirklich dankbar und dazu müssen wir Sorge tragen. Zudem darf ich hier mitgestalten und helfen, dass wir Strategien und Projekte nicht nur planen, sondern auch umsetzen dürfen. Dabei zähle ich die Arealentwicklung Gemeindehaus, welche ein Puzzleteil der Gemeindestrategie 2020–2035 ist, genauso dazu wie Planungen, sei dies in den Gebieten Mutschellen, Isleren, aber auch Bahnhof. Ich kann helfen, etwas bewegen und Mehrwerte schaffen. Die Entwicklung der Gemeinde in den letzten 30 Jahren macht mir Freude.
Was mögen Sie besonders an Rudolfstetten-Friedlisberg?
Die Offenheit, Entscheidungsfreudigkeit und man hat Zukunftsperspektiven, die von der Bevölkerung mitgetragen werden. Und dies, ohne dass man vergisst, woher man kommt. Das Schönste für uns ist, auch einmal zu hören: Da habt ihr etwas Gutes gemacht. Danke. «Genörgelt» wird sowieso zu häufig, wir wissen manchmal gar nicht, wie gut es uns geht.
Wie würde für Sie das ideale Rudolfstetten-Friedlisberg aussehen?
Gibt es überhaupt die ideale Gemeinde? Ideal ist für mich eine Gemeinde, in der sich die Leute wohlfühlen, gerne nach Hause kommen und Perspektiven haben. Und das trifft auf Rudolfstetten-Friedlisberg zu.
Persönlich
Urs Schuhmacher wuchs in Siglistorf auf. Die kaufmännische Lehre absolvierte er auf der Gemeindeverwaltung in Lengnau. Danach wurde er als stellvertretender Gemeindeschreiber in Rudolfstetten-Friedlisberg eingestellt, wo er ab 1998 zuerst interimistisch das Amt des Gemeindeschreibers übernahm. Seit 2000 übt er dieses Amt ordentlich aus. Daneben ist Urs Schuhmacher Vizepräsident des Verbands der Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber und Präsident desselben Bezirksverbands. Im Militär bekleidet er den Grad eines Oberstleutnants in der Einsatzzentrale des Lufttransports. Er lebt mit seiner Ehefrau und den vier Kindern in Oberwil-Lieli. --rwi

