Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Wie schön, das Leben! Mein Buch ist gerade erschienen, die Vernissage war ein Erfolg, in dieser Zeitung erschien ein toller Bericht. ...
Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Wie schön, das Leben! Mein Buch ist gerade erschienen, die Vernissage war ein Erfolg, in dieser Zeitung erschien ein toller Bericht. Und als wäre dies nicht genug der Ehre, wurde meiner Carl-Durheim-Biografie die höchste philatelistische Auszeichnung verliehen. Grossgold. Ich schwebe wie auf Wolken.
Erfüllt von Glück radle ich frühmorgens nach der Medaillenvergabe auf dem Rennrad zum Basler Bahnhof, will mit dem Zug ins Emmental und dort mit dem Velo die hügelige Herzroute fahren. Am Himmel und in meinem Leben keine Wolken, Leichtigkeit pur. Wenige Minuten bis zum Bahnhof. In Gedanken packe ich bereits den Renner in die Biketasche, um schnell in den Zug steigen zu können. Ich sause auf eine Unterführung zu, sehe den Weg zwischen Betonpfeiler und gelbem Pfosten in den Untergrund abtauchen, beschleunige – da öffnet sich direkt vor mir der Abgrund: Eine steile Treppe führt in die Tiefe. Definitiv kein Veloweg!
Im Augenwinkel erhasche ich auf dem Asphalt einen gelben Pfeil, der nach links die Richtung des Velowegs weist. Doch welcher Glückselige auf Wolke sieben beachtet gelbe Pfeile auf der Strasse, wenn sich direkt vor ihm ein Durchgang als logische Fortsetzung des Wegs auftut? Sinnigerweise heisst die Fussgängerpassage «Gate to heaven», Himmelspforte. Doch das erfahre ich erst später. Ein halber Meter trennt mich in voller Fahrt noch von der Treppe.
Analysieren, entscheiden, handeln, alles im selben Augenblick: Die 15 Stufen hinunterdonnern? Mit dem Rennrad keine Chance. Oder den Lenker nach links herumreissen und hoffen, nicht in den Pfeiler zu krachen? Ich reisse am Lenker, erwische die Kurve – und fahre weiter, als wäre nichts passiert. Doch der Schock sitzt tief. Mein Verstand sagt, ich war viel zu nah an der Treppe, um heil davonzukommen. Es müssen tausend Schutzengel zur Stelle gewesen sein, mindestens. Was für ein Schuss vor den Bug. Wollte mich eine höhere Macht von Wolke sieben herunterholen? Mich an die Zerbrechlichkeit von Glück erinnern? Demut lehren?
Später radle ich durch die Emmentaler Hügel wie im Traum, innerlich erschüttert, aber auf eine aufgewühlte Art glücklich. Und dankbar, nicht durch die Himmelspforte getreten zu sein. Viel hat wahrlich nicht gefehlt. Danke, liebe Schutzengel.