«Für mich eine Erfolgsgeschichte»
26.05.2023 Fussball, SportKomornicki vor 113. FCW-Spiel
Es waren drei Kapitel, die Trainer Ryszard Komornicki beim FC Wohlen geschrieben hat. Nun geht das dritte Engagement zu Ende. Mit seiner professionellen Einstellung machte der gebürtige Pole den FCW jeweils besser. «Alle drei ...
Komornicki vor 113. FCW-Spiel
Es waren drei Kapitel, die Trainer Ryszard Komornicki beim FC Wohlen geschrieben hat. Nun geht das dritte Engagement zu Ende. Mit seiner professionellen Einstellung machte der gebürtige Pole den FCW jeweils besser. «Alle drei Engagements hatten es in sich», sagt er. Bevor er Tschüss sagt, absolviert er am Samstag sein 113. Spiel als Trainer des FCW. --dm
Interview mit Ryszard Komornicki: Er war dreimal Trainer des FC Wohlen – nun geht er wohl definitiv
Der FC Wohlen und Ryszard Komornicki, das passt. Bei allen drei Verpflichtungen feierte er Erfolge mit der Freiämter Nummer eins. «Die Zeit beim FCW ist für mich eine Erfolgsgeschichte», sagt der gebürtige Pole zum Abschied.
Daniel Marti
Er hat in den Fussballstadien dieser Welt so ziemlich alles erlebt. Der FC Wohlen wurde für ihn jedoch fast so etwas wie die zweite Heimat. Ryszard Komornicki spielte 20Mal in der Nationalmannschaft Polens, er wurde als Spieler viermal polnischer Meister und einmal mit dem FC Aarau Schweizer Meister (1993). Auch die drei Engagements als Trainer des FC Wohlen waren von Erfolg begleitet: 1999 Aufstieg in die 1. Liga, 2012 Sprung in die Zehnerliga der Challenge League, letzte Saison Gruppensieg in der 1. Liga. Nun steht er morgen Samstag vor dem letzten Spiel mit dem FC Wohlen, der ihm immer wichtig war und bei dem er aktuell nicht nur die erste Mannschaft trainierte, sondern auch eine Talentgruppe betreute. Komornicki, der Pole, der seit 2015 auch Schweizer ist, hat sich stets mit dem FCW identifiziert.
Es gab drei Engagements beim FC Wohlen. Welches war das besondere für Sie?
Ryszard Komornicki: Alle drei sind besonders. Das erste Engagement in Wohlen war zugleich mein erster Trainerjob. Das zweite Engagement war das schwierigste. Es blieb nur kurze Zeit für die Vorbereitung und danach war der Druck unglaublich gross, denn wir wollten den Sprung in die Zehnerliga der Challenge League schaffen. Aber ich mag solche Herausforderungen. Den Platz in dieser Zehnerliga zu sichern, das war eine unglaubliche Leistung. Ich habe in dieser Phase aber auch das professionelle Denken in den Verein gebracht. Und beim dritten Engagement hatten wir in der ersten Saison ganz viel Qualität im Team. Alle drei Engagements hatten es in sich.
Aller guten Dinge sind tatsächlich drei. Trifft das zu für Sie beim FC Wohlen?
Es wird kaum ein weiteres Mal geben. Es gibt in Polen eine Art Aberglauben, der sagt: Du darfst nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Trotzdem glaube ich, dass ich in Wohlen etwas bewegen konnte. lch hatte als Trainer nie einen einfachen Job, das war auch in Wohlen so.
Es hat immer gepasst, das Duo Wohlen und Koko. Was wird in Erinnerung bleiben?
Alles. Die Qualität der Spieler. Die ehrgeizigen Ziele. Und die Infrastruktur stimmt. Nach der Profizeit sind ein paar professionelle Sachen geblieben. Für mich passte das so, denn ich arbeite stets mit professioneller Einstellung. Letztlich ist die Zeit beim FC Wohlen für mich eine Erfolgsgeschichte.
Zum aktuellen Engagement: In der letzten Saison feierte der FC Wohlen den Gruppensieg, danach patzte man in den Aufstiegsspielen. Trauern Sie dem verpassten Aufstieg nach?
Letztes Jahr spielten wir eine überragende Saison. Wir hatten so viel Qualität und Mentalität. Als wir nun am letzten Wochenende den Aufstieg von Delémont erlebten, war ich enttäuscht, dass wir das nicht geschafft haben. Gut, wir hätten halt vor einem Jahr auch direkt aufsteigen sollen, aber der Modus war anders. Letztlich darf man sich keine Fehler erlauben wie wir in den Aufstiegsspielen. Da waren beim Spiel in Bulle nicht alle Spieler mit hundert Prozent dabei. Das ist schade.
Danach hatten Sie in der Sommerpause nur noch vier Spieler. Dann gab es eine beeindruckende Entwicklung. Ist das eine Bestätigung Ihrer Arbeit?
Zuerst muss ich klarstellen, dass der damalige Sportchef Alessio Passerini sehr viel geleistet hat. Er wurde oft verantwortlich gemacht für den grossen Umbruch. Er arbeitete jedoch aufopferungsvoll für den FC Wohlen. Dass wir in der zweiten Hälfte dieser Saison eine so positive Entwicklung erlebt haben, das ist tatsächlich eine schöne Bestätigung der seriösen Arbeit. Das Cupspiel gegen Servette Genf war ein Highlight, und bis zum Spiel in Schötz waren wir in der Rückrunde das zweitbeste Team der Gruppe. Deshalb gehört der Mannschaft ein grosses Kompliment. Ein Kompliement haben auch Sportchef Marco Muslin und Co-Trainer Jonas Strebel verdient, beide waren sehr loyal und eine grosse Hilfe für mich.
Hand aufs Herz, nach diesen Erfolgen haben Sie etwas mehr Wertschätzung erwartet?
(schmunzelt). Ich bekomme doch nie Wertschätzung. Aber das liegt eben an mir. Ich bin halt so, wie ich bin, mich kann niemand verändern, und ich verbiege mich nie. Das ist mein Charakter.
Sie sagen stets geradeaus, was Sie denken. Das mögen nicht alle. Oder sind Sie zu ehrlich?
Ich sage allen Menschen die Wahrheit. Mein Leben besteht aus Ehrlichkeit. Ich sage stets direkt, was Sache ist. Und als Trainer lege ich Wert auf sportliche Kompetenz. Dafür darf ich behaupten, dass meine Mannschaften stets funktionieren. Es geht mir stets um die Entwicklung der Spieler. Es ist meine Leidenschaft, Spieler weiterzubringen. Entweder nimmt man das an oder eben nicht. Ich bin immer ehrlich, immer offen, nie unkorrekt. Und loyal gegenüber meinem Verein. Ich habe mich immer zu hunderttausend Prozent mit dem FC Wohlen identifiziert.
Können Sie ohne Fussball sein und was folgt jetzt? Fussball ist doch Ihr Leben.
Jein. Ich schaue jetzt mal, ob ich einen neuen Job bekomme. Aber ich habe mich noch nicht darum bemüht. Und ja, es ist für mich schwierig, ohne Fussball zu sein.
Im August werden Sie 64 Jahre, geht es Richtung Pension?
Ich fühle mich zu gesund und zu fit, um in Pension zu gehen.
Gibt es denn ein Angebot?
Nein. Ich lasse mir Zeit. Entweder macht mir ein neuer Trainerjob ganz viel Spass oder dann muss das Angebot topseriös sein. In meinem Alter ist es nicht so einfach, mit dem Laptop-Zeitalter mitzuhalten. Aber ich habe schon einen Laptop und bedienen kann ich ihn auch. Also, ich lasse alles auf mich zukommen.
Sie sind in Polen in einem kleinen Dorf aufgewachsen mit neun Häusern. Ohne Kirche, ohne Schule, ohne Ball. Und trotzdem haben Sie stets den Traum des Fussballs gelebt. Wie war das möglich?
(seufzt). Das ist lange her. Ich war von klein auf der geborene Profifussballer. Sport habe ich einfach am liebsten gemacht. Als ich im Fernsehen dann meine Lieblingsmannschaft, Gornik Zabrze, gesehen habe, wollte ich nur noch Profifussballer werden. Leidenschaftlich habe ich dieses Ziel verfolgt und mir schon als Kind vieles angeeignet. Ich wollte damals stets gegen die Grossen spielen und mit einer eher schwächeren Mannschaft die Grossen auch besiegen. Deshalb ist mir wohl die Juniorenausbildung so wichtig.
Als Fussballer erlebten Sie viel Einzigartiges. Auch ein Spiel mit der Polen-Nationalmannschaft vor 80 000 Zuschauern, es war ein WM-Qualispiel gegen Belgien.
Das vergesse ich nie mehr. Mein Trainer hat mir danach verraten, dass er sich mit dem Staff bis morgens um 4 Uhr beraten hat, ob ich oder ein Spieler aus Warschau in der Startelf steht. Ich spielte dann im Mittelfeld im Zentrum und mein Trainer gab mir noch die Aufgabe, mich um den gegnerischen Mittelstürmer zu kümmern. Es war hektisch und einzigartig. Und die Atmosphäre war einmalig.
Bitte konkret.
Beim Einlaufen dachte ich: Was mache ich hier überhaupt. 80 000 auf den Rängen, ein solches Erlebnis kann man nicht bezahlen. Was die Spannung und die Anspannung betrifft, war es einzigartig. Wir spielten 0:0 und qualifizierten uns für die WM. Es war unbeschreiblich.
Die Quali war für die WM 1986 in Mexiko. Wie erlebten Sie diese?
Manchmal denke ich, es muss gestern gewesen sein. Das Wetter war sehr heiss, und die Fussballplätze hart wie Beton, der Rasen stets zu hoch. Aber wir haben uns durch die Vorrunde gespielt, Portugal geschlagen, gegen Marokko unentschieden gespielt und uns für den Achtelfinal qualifiziert. Dort sind wir gegen Brasilien ausgeschieden, aber wir zählten zu den 16 besten Mannschaften der Welt. Das alles war sehr prägend.
Es gab auch eine Partie gegen die Ikone Maradona?
Nicht nur gegen Maradona. Ich habe auch gegen Lothar Matthäus gespielt. Oder wir spielten im Meistercup 1988/1989, das war die Champions League von damals, mit Gornik Zabrze gegen Real Madrid mit allen Superstars. Wir führten in Madrid bis zur 77.Minute mit 2:1 und wären weiter gewesen. Wir verloren noch 3:2. Wahnsinn. Vier Tage später folgte eine Partie zum Jubiläum der italienischen Liga. Bei der italienischen Liga-Auswahl stand Maradona im Team. Das bleibt unvergesslich.
Dann war noch der Meistertitel mit dem FC Aarau 1993 mit Spielmacher Ryszard Komornicki.
Ja, so fünf Runden vor Schluss haben wir realisiert, dass wir Meister werden können. Ich hatte sogar eine Meisterprämie im Vertrag, aber alle hielten das für unrealistisch. Trainer Rolf Fringer tat unheimlich viel für uns. Und Fringer hat auch endlich eingesehen, dass man mich als Nummer zehn hinter den Sturmspitzen einsetzen muss. Da hat einfach alles gepasst. Die Meistermannschaft hat heute noch viel und oft Kontakt. Da waren lauter Typen dabei. Di Mateo, Wassmer, Hilfiker, Bader oder Salvi Romano und Petar Aleksandrow.
In Aarau kreuzten sich auch die Wege mit Ciriaco Sforza.
Ja, ein Jahr zuvor war er bei uns eine Saison lang in Aarau, dann ging er zurück zu GC.
Nun ist Ciriaco Sforza zurück beim FC Wohlen. Als sportlicher Berater ist er im Verwaltungsrat tätig. Es hätte auch zu einem Duo Sforza–Komornicki kommen können.
(seufzt, überlegt lange). Ich möchte dazu nichts Falsches sagen.
Bitte, was bedrückt Sie?
Ich hätte erwartet, dass er einmal mit mir über den FC Wohlen und dessen Zukunft gesprochen hätte. Nur ein Austausch, vielleicht ein Kafi zusammen, nur zwei oder drei Minuten. Dass es nicht dazu gekommen ist, das ist schade und für mich halt enttäuschend. Aber ich akzeptiere es, wie es ist.
Die Schweiz ist für Sie zu Ihrer zweiten Heimat geworden. Das war ein guter Entscheid.
Klar, das war ein guter Entscheid. Meine Trainerkarriere in der Schweiz hätte besser verlaufen können. Aber ich hatte halt nie einen Manager und vielleicht auch kein gutes Netzwerk. Aber ich bin hier in der Schweiz glücklich geworden. Meine Tochter lebt hier und ich bin Grossvater. Die Schweiz ist top. Wenn man hier etwas Negatives findet, dann ist es schon Jammern auf hohem Niveau. Ich schätze in der Schweiz die Ruhe, die Ordnung, die Stabilität, das Soziale. Ein wunderbares Land.
Zurück zum FCW. Zwei Engagements waren unter Präsident Andy Wyder. Was war so speziell?
Er hat mir immer vertraut. Was ich mit ihm erlebt habe, ist wunderbar. Er strahlte so viel Ruhe aus, so viel Qualität. Und wenn es mal Probleme gab, hat er immer zuerst die Sachlage geklärt. Er liess mich als Trainer gewähren und er hat sich bei beiden Engagements total für die Mannschaft und für mich eingesetzt. Andy Wyder ist eine grosse Persönlichkeit. Er fehlt dem FC Wohlen.
Wie lauten Ihre Wünsche an Ihren Nachfolger Piu?
Ich kenne ihn zu wenig. Aber er ist ein angenehmer Trainerkollege. Und ehrlich: Ich hatte keine besondere Freude an unserem 8:0-Sieg gegen seinen FC Muri. Ich glaube, er braucht auch keinen Ratschlag von mir. Aber auch die 1.Liga ist halt Ergebnisfussball. Piu übernimmt ein intaktes Team. Und die Zielsetzung, junge Spieler einzubauen, ist in Ordnung und das wurde schon in dieser Saison begonnen.
Was wünschen Sie dem FCW?
Ich glaube, der FCW gehört in die Promotion League. Ob das passieren wird, weiss ich nicht. Solche Ziele soll man vorsichtig formulieren. Und wenn ich darf, noch ein Tipp …
Bitte sehr.
Auf die Jungen zu setzen, das ist sehr gut. Das allein reicht jedoch nicht. Es sollten jeweils die Besten spielen, nicht die Jüngsten. Und gleichzeitig gilt es vor allem auf die Ausbildung der jungen Sportler zu achten. Ich hoffe, das wird richtig verstanden und nicht als Kritik aufgenommen.
Warum so vorsichtig?
Ich weiss, dass ich ab und zu ein paar Sprüche mache. Das, so finde ich, ist als Trainer mein gutes Recht. Und ich möchte auch im Frieden auseinandergehen – auch im Wissen, hier einen guten Job gemacht zu haben.
Nun folgt das letzte Spiel gegen Langenthal. Wie sind die Erwartungen?
Ich möchte einen positiven Saisonabschluss, da spielt der Gegner keine Rolle. Es soll ein guter Abschluss werden für die Mannschaft und für den Verein und für mich. Dabei soll die bestmögliche Mannschaft auf dem Platz stehen. Wir wollen über die 40-Punkte-Grenze kommen. Also ganz klar: Das Spiel ist uns nicht egal.
Es ist das 113. Spiel als Trainer des FC Wohlen – das 100. war der Heimsieg gegen Xamax II. Eine stolze Zahl.
Das ist doch top. 113 sind auch die letzten Zahlen meiner Handynummer. Jedes Jahr beim FC Wohlen hatte seine Highlights und seine Erfolge – das lass ich mir nicht nehmen. Und ja, diese Zahl macht mich stolz.