Für den Papst mit Mut und Loyalität
28.10.2025 Region OberfreiamtPascal Staub hat im Maria Bernarda Heim in Auw über seinen Dienst in der Schweizergarde referiert
Es ranken sich viele Legenden um die Schweizergarde, die in Rom den Auftrag hat, den Papst und seine Residenz zu schützen. Pascal Staub, ehemaliger Gardist, hat an ...
Pascal Staub hat im Maria Bernarda Heim in Auw über seinen Dienst in der Schweizergarde referiert
Es ranken sich viele Legenden um die Schweizergarde, die in Rom den Auftrag hat, den Papst und seine Residenz zu schützen. Pascal Staub, ehemaliger Gardist, hat an seinem Referat im Maria Bernarda Heim den Realitätsabgleich gemacht.
Thomas Stöckli
Nein, die blau-rot-gelbe Uniform, für welche die Schweizergarde bekannt ist, hat nicht Michelangelo kreiert, wie fälschlicherweise immer wieder verbreitet wird. Sie lehnt sich lediglich an Renaissance-Vorlagen und die Traditionsfarben des Hauses Medici an, wobei auch auf Bewegungsfreiheit geachtet wurde. Und nein, die Gardisten stinken nicht, wie das manche Touristenführer in Rom heute noch behaupten. Pascal Staub, der selbst von 2000 bis 2002 in der Schweizergarde gedient hat, weiss aber auch, woher dieses Vorurteil kommt: «Jeder Gardist hat genau eine Sommer- und eine Winteruniform.» Diese werden massgeschneidert, seit über 25 Jahren vom selben Gardeschneider. Gewaschen werden die Uniformen nur nach der jeweiligen Saison. Dazwischen sei jeder selbst dafür verantwortlich, dass keine unangenehmen Gerüche entstehen. Er habe nebst Auslüften auf Textilerfrischer-Spray gesetzt, verrät Staub.
Handschuh mit besonderem Erinnerungswert
Rund 70 Interessierte hängen dem Referenten in der Cafeteria des Maria Bernarda Heims in Auw an den Lippen. «Ich bin überwältigt», sagt Martin Abt, Präsident des organisierenden Vereins Maria Bernarda, zum Besucheraufmarsch. Er spricht von einem «riesigen Glück», dass die Gemeinde in der Person von Pascal Staub, neu gewählter Gemeinderat, einen ehemaligen Gardisten in ihren Reihen hat. Und noch ein zweiter Ex-Gardist ist im Saal: Von 1982 bis 1984 habe er gedient, verrät dieser, ein Merenschwander. «Ich wollte hören, wie es 20 Jahre später war», nennt er seine Motivation, am Anlass zu erscheinen, und berichtet von diversen weiteren Ex-Gardisten aus dem Freiamt.
Doch zurück zum Referat von Pascal Staub. Dieser berichtet von seinem Treffen mit Papst Johannes Paul II. Die Handschuhe, mit denen er die päpstliche Hand schütteln durfte, hat er noch zu Hause. «Nie gewaschen?», fragt eine Frau dazwischen. «Nie gewaschen», bestätigt der Referent. Von älteren Gardisten kursieren Erzählungen, wonach der Papst zu ihnen gekommen sei und zu plaudern begonnen habe, wenn er nachts nicht schlafen konnte. Das sei ihm selbst nie passiert, so Staub. Trotzdem seien ihm die Begegnungen mit Johannes Paul II sehr wertvoll gewesen. Weiter habe er auch einen Staatsbesuch von Bill Clinton erlebt. Die Amerikaner hätten den gesamten Funkverkehr der lokalen Behörden lahmgelegt, erinnert sich Staub. Nur die alten Geräte der Schweizergarde funktionierten noch.
Wenn der Oscar-Preisträger um ein Selfie bittet
Unvergessen ist auch sein Wachtdienst in der Sala Regia, dem Ehrensalon im Apostolischen Palast, den kaum jemand zu Gesicht bekommt. Da klopfte einmal ein Führer an mit einem Gast aus Neuseeland. Staub liess sie rein, posierte mit dem aufgedrehten Gast noch für ein Erinnerungsfoto und erfuhr erst später von einem Kollegen, wer dieser Russell Crowe eigentlich ist: Der Hauptdarsteller des Hollywood-Blockbusters «Gladiator», der für seine Darstellung des römischen Feldherren Maximus Decimus Meridius 2001 den Oscar für den besten Hauptdarsteller erhalten hat.
Es sind die Glanzpunkte aus zwei Jahren in der zugleich kleinsten und ältesten Armee der Welt. Gegründet wurde sie 1506, um den Papst und seine Residenz zu schützen. Zu einer Zeit, als die Schweizer Söldner als die besten überhaupt galten, bekannt für ihre Tapferkeit und Zuverlässigkeit. Endgültig Legendenstatus erreichte die Schweizergarde, als sie im Mai 1527 anlässlich des «Sacco die Roma» – der Plünderung Roms durch Truppen von Kaiser Karl V – dem Papst das Leben rettete. Damals standen 189 Gardisten rund 5000 bis 6000 Söldnern aus Deutschland, Spanien und Italien gegenüber. Die 147 Schweizer, die den Ansturm auf dem Petersplatz bremsen sollten, fielen alle. Papst Clemens VII. konnte in der Zwischenzeit mit den restlichen 42 Gardisten vom Petersdom aus durch den Passetto di Borgo in die Engelsburg fliehen, wo sie sich erfolgreich der Belagerung widersetzten. In Anlehnung an diesen heroischen Einsatz werden noch heute die neuen Gardisten am 6. Mai vereidigt.
Bereit sein, im Ernstfall das Leben zu geben
Im Falle von Pascal Staub war es der 6. Mai 2000, an dem er im Beisein von Familie und Freunden seinen Treueschwur an den Papst und die Kardinäle leistete. Dazu gehört auch die Bereitschaft, für sie im Ernstfall das Leben zu geben. Die Schweizergarde begleitet und beschützt den Papst im In- und Ausland. Darüber hinaus leistet sie Ehren- und Ordnungsdienste sowie Zugangskontrollen. Die Garde besteht aus drei Geschwadern, die sich in Sechs-Stunden-Blöcken ablösen. Vor jedem Dienst werden jeweils die Pünktlichkeit, die Rasur und der Zustand der Uniform kontrolliert.
In die Garde eingetreten war Staub bereits im Februar 2000. Rekrutiert werden dreimal im Jahr jeweils rund zehn junge Männer. Potenzielle Gardisten müssen mindestens 1,74 m gross, zwischen 19 und 30 Jahre alt, ledig, Schweizer Staatsbürger und praktizierende Katholiken sein. Weiter wird auf einen guten Leumund geachtet, auf eine abgeschlossene Erstausbildung sowie Rekrutenschule. Angehende Gardisten verpflichten sich für mindestens zwei Jahre. Wer will, kann anschliessend verlängern und allenfalls auch Karriere machen.
In der Ausbildung stehen Selbstverteidigung und Schiessen im Vordergrund. Daneben geht es auch darum, die örtlichen Gegebenheiten und die personellen Zuständigkeiten im Vatikan zu kennen. Im Alltag ist dann allerdings vor allem Stillstehen gefragt. Regelmässig zwei Stunden am Stück, oder in dreimal eine Stunde, mit jeweils einer Stunde Pause dazwischen. «Beim ersten Mal ist man stolz, wie die Leute Fotos von einem machen und die Zeit geht schnell rum», beschreibt Pascal Staub. Bei einer Ostermesse habe er mal dreieinhalb Stunden am Stück stehen müssen. «Am schlimmsten war danach das Weglaufen: Da hat man einen steifen Schritt.» Weil 2000 ein «heiliges Jahr» war, wie es im Vatikan alle 25 Jahre gefeiert wird, fiel ganz viel zusätzliche Arbeit an Messen und Empfängen an – auch an den «freien» Tagen»: «Wir haben einfach gearbeitet, wie wir gebraucht wurden», so Staub. Darüber hinaus war auch die Teilnahme an der Sonntagsmesse Pflicht.
Ein selbst ernannter «Messias» und viel Monotonie
Was macht denn nun den Reiz aus, in der Schweizergarde zu dienen? Pascal Staub zählt Werte wie Tapferkeit, Treue, Hingabe und Loyalität auf und Karrieremöglichkeiten im Bereich Sicherheit. Der monetäre Anreiz ist dagegen eher bescheiden. Ohne Ausgaben für Kost, und Logis, Steuern und Krankenkassen reiche es trotzdem gut. «Man kommt an Orte, an die sonst niemand darf», stellt Staub die nichtmonetären Anreize in den Vordergrund, und schwärmt von Gemälden, die kaum jemand zu Gesicht bekommt, von den exklusiven Joggingrunden in den Vatikanischen Gärten. Diese seien nicht nur sehr schön gepflegt: «Da fliegen sogar Papageien herum», beschreibt der Auwer.
«Man muss sich gedanklich beschäftigen können», nennt Staub eine wichtige Grundvoraussetzung, die es für den Dienst in der Schweizergarde braucht. Auch wenn der Vatikan immer wieder Spinner anzieht – Staub erinnert sich an einen selbst ernannten «Messias», der sich zum Papst durchmogeln wollte – sei der Dienst meist monoton. An manchen Posten ist zumindest Lesen gestattet. «Ich habe noch nie so viele Bücher gelesen wie in meiner Zeit bei der Garde», so Pascal Staub. «Im Hosensack der Uniform hat auch ein grosses Buch Platz.»
Der Dienst und die gemeinsamen Erfahrungen verbinden weit über die Dienstzeit hinaus. «Einmal Gardist – immer Gardist» bringt es der Auwer auf den Punkt. Ehemalige treffen sich mehrmals pro Jahr zum Austausch – in einer von insgesamt 13 Ex-Gardisten-Vereinigungen oder im kleinen Kreis der eigenen Kameraden. «Der Götti meines Sohns war auch mit mir in der Garde», veranschaulicht es Staub. Der harte Dienst schweisst zusammen. Und natürlich der gemeinsame Ausgang. So geht es auch in Auw nicht lange, bis die beiden Ex-Gardisten gemeinsam an einem Tisch sitzen und sich über die eigenen Erfahrungen austauschen.


