Familiensache Kendo
08.07.2025 Kampfsport, SportKendo-Familie Kröbl
Neben ihren Abschlussprüfungen an der Fachmittelschule in Wohlen hat die 18-jährige Yumi Kröbl an der Kendo-EM in den Niederlanden für Furore gesorgt. Ihr Vater Chris Kröbl war früher selbst ein erfolgreicher ...
Kendo-Familie Kröbl
Neben ihren Abschlussprüfungen an der Fachmittelschule in Wohlen hat die 18-jährige Yumi Kröbl an der Kendo-EM in den Niederlanden für Furore gesorgt. Ihr Vater Chris Kröbl war früher selbst ein erfolgreicher Kämpfer. --jl
Das Kellerämter Vater-Tochter-Duo Chris und Yumi Kröbl gehört zur nationalen Kendo-Elite
Yumi Kröbl aus Oberlunkhofen beeindruckte bei den Kendo-Europameisterschaften mit starken Leistungen. Ihr Vater Chris, ein ehemaliger erfolgreicher Kämpfer, unterstützt sie auf ihrem Weg.
Josip Lasic
Ein lauter Knall hallt durch das Budokan-Dojo in Zürich. Yumi Kröbl trifft ihren Vater Chris mit dem «Shinai», einem Bambusschwert, am Kopf und schreit dabei. Was im ersten Moment befremdlich wirkt, ist eine Demonstration der Kampfsportart Kendo. Chris Kröbl ist nichts passiert. Er trägt ein «Men», einen Kopfschutz. Der Schrei der Tochter kündigt die Fläche an, die sie mit dem Shinai treffen wird. So wissen die Kampfrichter in einem Turnier, dass der Treffer kein Zufall ist.
Bei einem Besuch dieser Zeitung im Dojo demonstriert das Vater-Tochter-Duo sein Können. Die 18-jährige Yumi Kröbl sorgte vor Kurzem an den Europameisterschaften in den Niederlanden für Furore. Sie erreichte sowohl mit dem Schweizer Frauenteam als auch im Einzel jeweils den Viertelfinal. Die Einzelplatzierung ist seit über zehn Jahren die beste an einer EM im Schweizer Kendo der Erwachsenen. Zudem wurde sie für ihren Einsatz und Teamgeist mit dem Fighting Spirit Award geehrt. Dieser Erfolg ist gross für die junge Frau, die erst seit zehn Jahren Kendo betreibt.
Vom Kindertraining auf die internationale Bühne
Zu Kendo ist sie durch ihren Vater gekommen. «Ich habe sie nie gedrängt», erklärt Chris Kröbl. «Ab und zu nahm ich Yumi und ihre jüngere Schwester Emi ins Kindertraining mit, damit sie es ausprobieren konnten. Es gab keinen Druck. Sie sollen Hobbys nachgehen, die ihnen Spass bereiten.» 2015 ist er mit seiner Familie in Hiroshima, um sich auf die Weltmeisterschaften vorzubereiten. Während eines Spaziergangs in der japanischen Grossstadt äussert die damals achtjährige Tochter – zur Überraschung des Vaters – den Wunsch, Kendo zu lernen. Bereut hat sie es bis heute nicht. Die junge Frau hat schon früh Talent bewiesen. Mit 16 Jahren darf sie zum ersten Mal an den Schweizer Meisterschaften bei den Frauen antreten. Sie gewinnt auf Anhieb den Titel. Die aktuelle Europameisterschaft ist ihr drittes grosses internationales Turnier. Zuvor startete sie bei einer WM und einer Junioren-EM, wo sie im Team Bronze holte. «Ich habe auch bei kleineren nationalen und internationalen Turnieren Siege und Podestplätze erreicht», erzählt sie. Ihr Vater ist stolz, dass sie sich auf ihrem Weg ihre eigenen Erfolge erarbeitet.
Vom Athleten zum Funktionär
Der 45-jährige Chris Kröbl ist Leiter Spitzensport beim Schweizer Kendoverband und übernimmt viele Management-Aufgaben rund um das Nationalteam. Früher war er selbst ein erfolgreicher Athlet, wurde zweimal Schweizer Meister im Einzel und holte zahlreiche Titel im Team. «International gewann ich kleinere Turniere. Mit dem Team erreichte ich zweimal EM-Bronze und zweimal den Fighting Spirit Award.» Yumi Kröbl scheint das Talent in die Wiege gelegt worden zu sein. Ihr Vater kam weniger freiwillig zum Kendo. Der Sohn eines Schweizers und einer Japanerin wurde in Japan geboren. Mit drei Jahren zog die Familie in die Schweiz, doch die Eltern wollten, dass er eine japanische Sportart ausübt. Die Wahl fiel auf Kendo. «Das ist eine der grösseren Sportarten in Japan, was die Anzahl der Praktizierenden betrifft. Sie ist auch in das japanische Schulsystem integriert. Im Land herrscht die Ansicht, dass die Werte, die der Sport mit sich bringt, auch eine gute Lebensschule sind.»
15 Jahre lang war Chris Kröbl Teil des Nationalteams, bis er 2019 kürzertrat. Er nimmt an keinen Wettkämpfen mehr teil, engagiert sich aber als Trainer und als Funktionär im Verband. Obwohl er von seinen Eltern ein wenig in den Sport reingedrängt wurde, hat ihm Kendo immer Spass gemacht. «Es gab aber Phasen, wo Fussball in meiner Schule sehr populär war. Das hätte mich auch gereizt.»
Sportart und Lebensschule
Deshalb war es Chris Kröbl wichtig, seine Töchter nie zu drängen. Sie sollen tun, was ihnen Spass macht. Yumi Kröbl liebt Kendo, auch wenn es nicht immer einfach ist, alle Verpflichtungen und Hobbys unter einen Hut zu bringen. Sie lebt in Oberlunkhofen bei ihrer Mutter, ist aber oft in Jonen bei ihrem Vater. In der Schweiz ist die Anzahl der Kendo-Praktizierenden geringer als in Japan. Für Leute aus dem Kelleramt kommen nur zwei Vereine infrage: Tendokan in Aarau und Budokan Zürich. Wie ihr Vater ist Yumi Kröbl Mitglied im Zürcher Verein. Sie pendelt zum Training dorthin. Bisher besuchte sie die Fachmittelschule in Wohlen, was sie logistisch vor Herausforderungen stellte. «Ich trainiere einbis zweimal pro Woche. Mehr wäre mir lieber, aber es ist zeitlich nicht möglich. Einmal im Monat findet ein Kadertraining statt, vor der EM sogar zweimal. Das erfordert viel Organisation. Wie komme ich von Wohlen nach Zürich? Wie nehme ich mein Trainingsequipment mit?» Zusätzlich ist Kendo nicht ihr einziges Hobby. Sie ist leidenschaftliche Musikerin, spielt Klavier, singt und ist Mitglied der Band «Dice» an der Kanti Wohlen. Das alles möchte sie nicht missen und sie hat bewiesen, dass sie es unter einen Hut bringt. Ihre Abschlussprüfungen an der FMS hat sie bestanden. «Ich überlege mir, vielleicht Musik zu studieren und Lehrerin zu werden», sagt sie. Kendo möchte sie aber definitiv weiter praktizieren. «Es ist eine sehr familiäre Sportart. Und ich lerne viele neue Kollegen kennen. Mit dem Nationalkader reise ich sehr viel, erlebe neue Kulturen und lerne auch Menschen aus anderen Ländern kennen. Und der Wettkampf selbst reizt mich, die ganze Atmosphäre. Ich möchte im Sport weiterkommen.»
Auch Chris Kröbl, der in Zürich als Polizist arbeitet, sagt, Kendo habe ihm viel gegeben. «Es hat mir Ruhe und Selbstvertrauen gebracht. Das hilft mir im Beruf, um Situationen zu deeskalieren.» Und da er als Verbandsfunktionär an internationalen Turnieren mit dabei ist, verbringen Vater und Tochter dank Kendo viel Zeit miteinander. Für die beiden ist es mehr als nur eine Sportart.
Was ist Kendo?
Kendo heisst übersetzt «der Weg des Schwertes» und ist ein japanischer Schwertkampf, wie ihn die Samurai praktizierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten, wurde Kendo später als Sportart mit Wettkämpfen und Reglement wiederbelebt. Im Wettkampf geht es darum, mit dem Shinai eine der vier Trefferzonen – Kopf, Unterarme, Rumpf oder Kehle – zu treffen. Pro Treffer gibt es einen Punkt. Wer zuerst zwei Punkte erzielt oder nach der regulären Kampfzeit in Führung liegt, gewinnt. --red