Etwas Einzigartiges schaffen
30.08.2024 Region UnterfreiamtIm Reusspark erschaffen vier Künstler während einer Woche zwei grosse Skulpturen aus Schwemmholz
Noch bis morgen Abend kann man den vier Kunstschaffenden beim Arbeiten über die Schulter schauen. Und zusehen, wie aus Hunderten von Schwemmhölzern zwei ...
Im Reusspark erschaffen vier Künstler während einer Woche zwei grosse Skulpturen aus Schwemmholz
Noch bis morgen Abend kann man den vier Kunstschaffenden beim Arbeiten über die Schulter schauen. Und zusehen, wie aus Hunderten von Schwemmhölzern zwei riesige Tiere entstehen. Danach erhalten die Skulpturen je einen besonderen Platz im Reusspark.
Chregi Hansen
Nachdenklich betrachten Cla Coray und Matthias Gehrig das grosse Pferd vor ihnen. Fahren immer wieder mal mit den Händen über den Holzrücken. Dann geht Coray los, inspiziert die grosse Auslage von Schwemmhölzern und kehrt mit einem Teil zurück. Er hält es an die Flanken, dreht es, studiert es. Und schaut Gehrig an. «Das passt doch wunderbar», sagt er und greift zum Schlagbohrer, um das Element anzuschrauben.
«Wir lassen uns vom Material leiten. Die einzelnen Schwemmhölzer geben fast schon vor, wo sie liegen wollen», erklärt Alex Schaufelbühl. Der Bremgarter Bildhauer hat seit 25 Jahren ein Atelier im Reusspark und ist der Kopf hinter diesem besonderen Kunstspektakel. Die Idee dazu kam ihm bei einem Besuch einer Ausstellung in Evian, wo ebenfalls Skulpturen aus Schwemmholz gezeigt wurden. «Das Material passt zu diesem Ort hier. Hier am Reussufer findet man ganz viel Schwemmholz», erklärt er.
Passend zum Jahresthema
Rund zwei Jahre hat der Bremgarter an diesem Projekt gearbeitet, nun kommt es zur Ausführung. «Zu erleben, was hier gerade passiert, zu sehen, wie die beiden Tiere entstehen und der Austausch mit den anderen Künstlern, das ist einfach unglaublich», so sein Fazit. Das bestätigt auch Daniel Schwarz, der nebenan am Fisch weiterarbeitet. «Wir haben alle ein Gespür für Formen und Material und wissen, worauf es ankommt. Und wenn die eigene Idee nicht ankommt, dann stürzt keine Welt zusammen.»
Passend zum Jahresmotto «Tierisch gut!» erschaffen die vier Künstler zwei Tiere. Ein grosses Pferd und einen sechs Meter langen Hecht. Beide Tiere haben einen engen Bezug zum Ort. Im Reusspark gibt es einen Pferdestall, und Fische gibt es sowohl in der nahen Reuss wie auch auf dem Teller des Restaurants. «Tiere haben eine wichtige Funktion im Reusspark. Sie werden für die Aktivierung der Bewohner eingesetzt und wecken viele Emotionen», weiss Schaufelbühl dank der langen Zeit, in der er hier sein Atelier hat. Ihm war es zudem ein Anliegen, dass das Publikum bei der Arbeit zuschauen kann, so wie es früher schon ab und zu der Fall war im Reusspark. Das schätzt auch Gehrig. «Wir lassen die Zuschauer ganz bewusst nahe ans Geschehen und freuen uns auch über den Austausch mit ihnen», sagt er, bevor er die Kettensäge zur Hand nimmt und ein Holzstück kürzt.
Jeder bringt seine besonderen Fähigkeiten ein
Es ist nicht nur für das Publikum eine besondere Erfahrung, sondern auch für die Kunstschaffenden. «Im Normalfall arbeitet jeder von uns allein in seinem Atelier. Hier müssen wir als Team funktionieren», sagt Schaufelbühl. Er spricht von einem lebendigen und befruchtenden Austausch. «Man muss sich darauf einlassen. Aber wir haben schnell gemerkt, dass es funktioniert», bestätigt Coray. Dies auch, weil jeder der vier seine besonderen Talente einbringen kann. So war Daniel Schwarz als gelernter Huf- und Wagenschmied der Fachmann bei der Erarbeitung des Stahlgerüsts, welches die Grundlage der Holzskulptur bildet. Matthias Gehrig wiederum nutzt als früherer Schreinermeister auch in seinen eigenen Arbeiten die Kettensäge zum Modellieren feinster Details. Steinbildhauer Cla Coray wiederum liebt es, nach verborgenen Formen im Material zu suchen, und stellt seine Werke regelmässig im öffentlichen Raum aus, weiss also, worauf es dabei ankommt. Initiant Alex Schaufelbühl kennt wiederum die Gegend und die Institution und hat schon früher mit Schwemmholz gearbeitet. «Es ist ein faszinierendes Material. Jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte. Keines ist gleich, alle unterscheiden sich in Form und Farbe», sagt er.
Mut zur Überarbeitung
Angetrieben werden alle vier vom Wunsch, etwas Einzigartiges zu schaffen. Im Vorfeld hat Initiant Schaufelbühl Tausende von Schwemmhölzern eingesammelt. Diese wurden zu Beginn der Aktionswoche feinsäuberlich ausgelegt und bilden die Grundlage der Arbeiten. Mit einem Hellraumprojektor wurde die Grundform der Tiere auf Plastik projiziert und aufgemalt, die Plastikfolien wurde in die Mitte gehängt und auf beiden Seiten wuchs das Stahlgerüst hervor, an dem dann die Hölzer montiert werden. «Wir haben die Form immer wieder überarbeitet. Die Tiere sollen in Bewegung sein und trotz ihrer Grösse eine gewisse Leichtigkeit erhalten», erklärt Schaufelbühl. Ebenso wichtig ist den vier eine gewisse Natürlichkeit. Aus dem vielen Holz soll nicht ein Puzzle entstehen, sondern fliessende Formen. «Es kommt schon vor, dass wir ein bereits montiertes Stück wieder wegnehmen und nach einer besseren Variante suchen», erklärt der Initiant. Da man schneller als geplant vorankomme, könne man sich wirklich viel Zeit für die Details lassen.
Skulpturen bleiben im Reusspark
Die Kunstaktion stösst durchaus auf Interesse. Täglich schauen 100 bis 200 Personen den vier Künstlern bei der Arbeit zu. «Dass der Reusspark eine solche Aktion ermöglicht und unterstützt, das ist doch wunderbar», sagt Schaufelbühl. Noch schöner sei es, dass die Skulpturen anschliessend nicht zu Geld gemacht werden, sondern einen Platz auf dem Areal erhalten. Der Fisch vor dem Restaurant, das Pferd vor den Ställen. Hier sollen sie weiterhin die Besucher und Bewohner begeistern. Je nachdem, wie gut das Holz noch nachtrocknet, können die Werke 12 bis 15 Jahre überdauern.
Nächste Woche Führungen
Noch bis morgen Abend arbeiten die vier Künstler jeweils von 10 bis 19 Uhr im Freiluftatelier im Rosenpavillon. Anschliessend werden die Skulpturen für eine Woche an diesem Ort gezeigt, wobei jeden Tag von 18 bis 18.45 Uhr eine Führung geplant ist. Danach werden Pferd und Hecht an ihren definitiven Standort verfrachtet – wegen des enormen Gewichts ist dazu ein Kran notwendig. An diesen beiden Stellen werden sie dann noch lange an die besondere Woche erinnern. «Ich bin sicher, dass sie jeden, der vorbeikommt, auf irgendeine Art ansprechen werden. Schliesslich sind sie aus einem Material, das eine Geschichte erzählt», sagt Alex Schaufelbühl zum Schluss.
Weitere Informationen sowie Bilder der Skulpturen und zum Projektverlauf findet man auf der Homepage des Reussparks unter www.reusspark.ch.