Etwas Besonderes bleiben
08.03.2024 WohlenDie Identität bewahren
Dorfverein Anglikon feiert 50-Jahre-Jubiläum
Sie fühlen sich wohl dabei, ein Teil von Wohlen zu sein. Aber sie sind Anglikerinnen und Angliker – und eben nicht Wohler. Seit über 110 Jahren ist das so. Etwas ...
Die Identität bewahren
Dorfverein Anglikon feiert 50-Jahre-Jubiläum
Sie fühlen sich wohl dabei, ein Teil von Wohlen zu sein. Aber sie sind Anglikerinnen und Angliker – und eben nicht Wohler. Seit über 110 Jahren ist das so. Etwas werniger lang gibt es den Dorfverein Anglikon. Nun seit 50 Jahren. Das will Ende August gefeiert werden. Aber der Dorfteil Anglikon ist mehr als ein gewöhnlicher Verein. Die Angliker kämpfen stets für ihre Eigenständigkeit, denn sie wollen unbedingt ihre Identität bewahren. Dank ihrer politischen Verankerung gelingt auch das recht gut. Der erfolgreiche Kampf fürs eigene Schuhaus ist eine besondere Leistung. Und sie kämpfen jüngstens auch für «ihre» komplette Angliker Linie für den Ortsbus. --dm
Verankert in Gesellschaft und Politik: Der Dorfverein Anglikon feiert heuer sein 50-Jahr-Jubiläum
Der Dorfverein Anglikon ist mehr als «nur» eine Ansammlung von treuen Vereinsmitgliedern. Tief im Herzen sind sie alle Angliker – und eben nicht Wohler. Sie wollen die Identität des Dorfteils wahren. Das betonen Präsident Daniel Seiler und sein Vize Mika Hainsalo immer wieder.
Daniel Marti
«Wir sind ein spezielles und eingeschworenes Völklein», sagt Mika Heinsalo, Vizepräsident des Dorfvereins Anglikon. «Wir sind keine Wohler, wir sind eben Angliker.» Neben ihm sitzt Präsident Daniel Seiler, und er nickt bei den Worten seines Vize. Heinsalo, der ehemalige Zürcher, und Seiler, der Ur-Angliker, harmonieren gut an der Spitze des Dorfvereins. Dieses Duo lebt für den Dorfteil Anglikon und seine Menschen, «für die wir die Interessen wahren wollen», fügt Seiler an.
Die Förderung des Gemeinschaftsgefühls unter den Dorfbewohnern sowie die Wahrung und Verbesserung der Lebensqualität. Dies sind die wichtigsten Ziele des Dorfvereins. «Und wir wollen politisch Einfluss nehmen», betont der Präsident, der auch schon Einsitz im Einwohnerrat nahm. Heute vertreten Mika Heinsalo und Hans-Rudolf Meyer das kleine Anglikon im Dorfparlament des grossen Wohlen. Sachliche, ehrliche und konstruktive Politik steht dabei im Vordergrund. Der Dorfteil Anglikon ist politisch neutral und er verfolgt deshalb auch kein politisches Parteiprogramm – und ist deshalb für alle Parteien und Bürger wählbar. «Wir unternehmen vieles fürs Dorf», weiss der Vizepräsident, «und das muss nicht immer mit Politik zu tun haben», so der Präsident.
Zwei Persönlichkeiten sorgten für Aufschwung
Rückblende. Anglikon wurde aufgrund eines grossrätlichen Dekrets im Jahr 1912 mit Wohlen verbunden oder eben fusioniert. Knapp 60 Jahre später kam langsam der Drang nach einem Dorfverein auf. Gegründet 1974 feiert der Verein Ende August sein 50-Jahr-Jubiläum (siehe Kasten). Dabei hat er sich auch als Überlebenskünstler bewiesen. Während die traditionellen Vereine der Schützen und Turner ihr Ende einsehen mussten, hielt sich der Dorfverein immer gut am Leben. Zu Spitzenzeiten mit gegen 200 Mitgliedern. Heute sind es 120 erwachsene Mitglieder und 50 Kinder. «Es dürften ein paar mehr sein», sagt Heinsalo. Von einem Nachwuchsproblem möchte man nicht reden, aber die meisten Mitglieder sind so um die 60 Jahre alt.
Die Politvertreter waren immer wichtig für den Dorfteil Anglikon. Als Anglikon mit Herbert Vock den Vizeammann stellte oder als Toni Schürmann im Gemeinderat war, erlebte der Verein jeweils einen Aufschwung. «Zwei Persönlichkeiten», so Präsident Seiler, «die jeweils frischen Wind brachten.» Vock, der Pöstler, kannten wirklich alle. Auch Toni Schürmann verfügte über ein grosses Netzwerk. Und mit Schürmanns viel zu frühem Tod 2012 ging so vieles verloren für Anglikon.
Und jetzt von einem Sitz im Gemeinderat Wohlen zu träumen, sei fast ein wenig vermessen, meint die Vereinsspitze. Nach der Reduktion des Gemeinderates von sieben auf fünf Sitze sind die Aussichten für Anglikon erst recht kleiner geworden. Und bei den letzten Wahlen 2021 wurde der dritte Sitz im Einwohnerrat hauchdünn verpasst. «Wir schauen halt für unser Anglikon und nicht für Wohlen, das hat Nachteile bei den Wahlen», erklären beide miteinander. «Aber ich kann mich mit allen Parteirichtungen bestens unterhalten», fügt Parlamentarier Heinsalo noch an.
Stolz auf den Alpenzeiger
Aber der Dorfverein Anglikon bedeutet nicht «nur» Politik. Das Jahresprogramm ist recht umfassend: Grillparty, «Eierufläsete» an Ostern, Velotour und Seniorenausflug sind fixe Anlässe. Und beim Alpenzeiger trifft man sich gerne. «Das ist unser beliebtester Grillplatz», so Heinsalo. Die Sanierung und Aufwertung des Aussichtspunktes in Zusammenarbeit mit dem Gemeinnützigen Ortsverein sei sehr gelungen, betont Präsident Daniel Seiler und verrät, dass der eigentliche «Heimatort» der Anglikerinnen und Angliker gleich neben dem Alpenzeiger liegt: Der Aussichtspunkt Jungenbahl – da ist die Aussicht in die Berge und auf Anglikon noch besser – war früher die Nummer eins. Aber weil die Zufahrt zu schwierig sei, hat sich die Frequenz auf den Alpenzeiger verlagert.
Anglikon hat immerhin zwei Restaurants. Der «Hirschen» ist die «Dorfvereinsbeiz», aber auch das «Vergissmeinnicht» wird nicht vergessen. Dagegen habe Anglikon keinen Dorfladen mehr, seufzen beide. Auch die Post sei wie ein Dorfladen gewesen. Solche Verluste zeigen, dass der Kampf um Identität stetig geführt werden muss.
Das Schulhaus, das Herz von Anglikon
Denn wenn sich die Anglikerinnen und Angliker so richtig ins Zeug legen, dann sind die Erfolgschancen meistens sehr gut. So konnte der Kindergarten im Dorfteil garantiert werden. Und der Kampf ums Schulhaus bescherte Anglikon und seinen Menschen den grössten Erfolg. Über eine Petition mit über 1000 Unterschriften, eine kleine Demonstration vor dem Gemeindehaus und über eine Motion verschafften sich die Angliker Gehör und politische Unterstützung in Wohlen.
Mit dem Resultat, dass Anglikon über Wohlens Gemeinderat triumphierte, im Einwohnerrat eine Mehrheit erarbeitete, neben dem Schulhaus ein Provisorium entstanden ist und die Dritt- und Viertklässler weiterhin in Anglikon unterrichtet werden können. «Viele haben nicht daran geglaubt, dass wir das schaffen. Auch darum war das ein riesiger Erfolg», freut sich Mika Heinsalo noch heute. «Wenn das Schulhaus nicht mehr in Anglikon wäre», sagt Daniel Seiler, «dann würde das Herz in Anglikon fehlen. Schulhaus und Kindergarten sind uns sehr wichtig. Daran hängen wir, zudem hat es letztlich auch eine geschichtliche Komponente.»
Bei solchen Auseinandersetzungen ist die politische Verankerung enorm wichtig und entscheidend. «Ohne politische Vertretungen hätten wir in Anglikon wohl bald kein Schulhaus mehr», vermutet Heinsalo.
Kampf für die Buslinie
Und die Vereinsspitze kündigt gleich den nächsten Kampf an. Geht es nach dem Gemeinderat, soll die Ortsbuslinie hinauf zum Anglikerberg gekürzt werden. «Es wäre schade, wenn der Gemeinderat über unsere Köpfe hinweg entscheiden würde», warnt Heinsalo.
Eine erste Infoveranstaltung fand im vergangenen Herbst bereits statt. «Die war heftig», blickt der Angliker Einwohnerrat zurück. «Wir werden für unsere komplette Buslinie kämpfen.» Die ganze bisherige Angliker Route sei wichtig vor allem für die ältere Bevölkerung. «Und dieses Bedürfnis ist grösser» als die vom Gemeinderat aufgetischten Zahlen. «Es ist ein emotionales Thema», und wenn es sein muss, werden die Anglikerinnen und Angliker alle Mittel ausschöpfen – wie damals beim Schulhaus. Wenn das keine Kampfansage ist.
Eigenständigkeit bewahren
Kindergarten, Schulraum, Ortsbus, Alpenzeiger-Aufwertung. Diese Beispiele zeigen, dass sich Anglikon für seine Sache einsetzt. Und vor allem die Eigenständigkeit bewahren will. «Das wird zwar immer schwieriger», befürchtet der Präsident, «aber unser Verein ist identitätsfördernd, und deshalb hat der Dorfverein gute Chancen, noch lange bestehen zu bleiben.»
Eigenständigkeit in Anglikon und Akzeptanz in Wohlen – dafür wollen sich Mika Heinsalo und Daniel Seiler einsetzen. Beides sei spürbar. «Aber wenn wir mal einen Wunsch haben, stellt man sich zuerst politisch gegen uns», so der Vizepräsident. «Aber in der Bevölkerung geniessen wir eine breite Akzeptanz.» Beim Schulraum beispielsweise habe man einen Dominoeffekt verhindert und die Schulraumnot im benachbarten Schulhaus Bünzmatt gelindert. «Es gibt Kreise in Wohlen, die das durchaus geschätzt haben.»
Wohlen – das war der richtige Entscheid
Die kämpferischen Angliker machen sich alle Ehre. Das eigenständige Völklein wird zwar ewig zu Wohlen gehören, aber wohl immer auch für seine Sache kämpfen. «Wir haben eine eigene Identität», betont Seiler, der bereits seit 18 Jahren als Präsident amtet. «Wir wollen Anglikon am Leben erhalten», fügt Heinsalo, seit 15 Jahren Vize, an. Zusammen bringen sie 33 Jahre Treue an der Vereinsspitze mit. Diese Erfahrung wird sicherlich auch in Zukunft wichtig sein für den Dorfverein Anglikon.
Übrigens: Anglikon wurde im Jahr 1912 ein Teil von Wohlen. Der Schulhausbau brachte die kleine Ortschaft in finanzielle Schieflage. Damals wurde auch Villmergen als ein möglicher Partner der kleinen Gemeinde gehandelt. Letztlich entschied der Kanton. «Das war schon der richtige Entscheid», findet Daniel Seiler auch heute noch. «Unsere Gemeinde heisst Wohlen. Und wir sind ein Teil davon.» «Und trotzdem», hakt Mika Heinsalo nochmals ein, «müssen wir aufpassen, dass Anglikon so bleibt, wie es ist. Als kleines Volk werden wir weiterkämpfen gegen die Grossen und ab und zu auch gewinnen.»
Das 50-Jahr-Jubiläum
Der Dorfverein Anglikon wird heuer ein halbes Jahrhundert alt. Das muss gefeiert werden. Der Vorstand ist schon länger an der Planung. Das Datum steht: Am Samstag, 31. August, steigt das Jubiläumsfest «50 Jahre Dorfverein Anglikon».
Er sei noch auf Sponsorensuche, sagt Vizepräsident Mika Heinsalo. Aber das gesamte Programm steht noch nicht definitiv fest. Einzelne Programmpunkte sind fix, weitere sind noch hängig. Man werde später im Detail informieren, so Heinsalo, der eines verspricht: «Das gibt ein tolles Fest.»