Es war ihm eine grosse Ehre
03.05.2024 WohlenIm Wohler Alterszentrum Bifang kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsleitung
Am 1. Mai, am Tag der Arbeit also, nahm Andrea Beetschen Schaad ihre Arbeit im Bifang auf. «Es braucht alle auf diesem Schiff», betont sie anlässlich des ...
Im Wohler Alterszentrum Bifang kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsleitung
Am 1. Mai, am Tag der Arbeit also, nahm Andrea Beetschen Schaad ihre Arbeit im Bifang auf. «Es braucht alle auf diesem Schiff», betont sie anlässlich des Willkommensapéros.
Chregi Hansen
Von einem besonderen Tag spricht der künftige Präsident Urs Meier. Denn am 1. Mai konnte das Bifang seine neue Leiterin willkommen heissen. Nach über acht Jahren an der Spitze geht Marcel Lanz Ende Monat vorzeitig in den Ruhestand. Für ihn übernimmt Andrea Beetschen Schaad das Ruder.
Ein Wechsel an der Spitze sei immer auch von Unsicherheit begleitet, weiss die neue Geschäftsleiterin aus eigener Erfahrung. «Ein guter Start ist darum für alle wichtig», sagt sie. Sie will den Betrieb schnell kennenlernen, will möglichst in allen Bereichen mitarbeiten und überall Einblicke erhalten. Und sie werde viele, viele Fragen stellen, kündigt sie an. «Nicht, weil ich alles hinterfragen will. Sondern weil ich möglichst schnell einsteigen will», betont sie. Denn sie sehe sich nicht als Expertin, die alles besser weiss. «Ich bin die Generalistin. Ihr seid die Spezialisten. Ihr kennt die Institution und euren Fachbereich», erklärt sie gegenüber den Bereichsleitenden.
Bewohner stehen im Zentrum
Den ersten Morgen hat sie als positiv erlebt. Sie konnte schon viele Mitarbeitende und Bewohner sowie Bewohnerinnen kennenlernen. «Ich merke, dass sich die Leute auf dich freuen», sagt Marcel Lanz. Und auch Urs Meier ist sicher, dass die Nachfolgerin bestens an diesen Ort passt. «Sie hat uns im Bewerbungsverfahren vor einem Jahr beeindruckt», sagt er. Sowohl durch ihr Motivationsschreiben als auch im persönlichen Gespräch. «Man spürt, dass bei ihr die Bewohner im Zentrum stehen werden.» Und das sei wichtig, schliesslich sei das Bifang nicht einfach ein Ort des Wohnens, sondern für ganz viele ein Zuhause. Und das soll es auch in Zukunft sein. «Wir können auf die Erfahrungen der Vergangenheit aufbauen und Andrea Beetschen Schaad dabei unterstützen, neue Ideen umzusetzen», so Meier.
Geschäftsleiter Marcel Lanz verlässt Ende Monat das Wohn- und Pflegezentrum Bifang
Als er vor neun Jahren das Stelleninserat gelesen hat, dachte Marcel Lanz sofort: «Das ist der richtige Ort. Dass er danach ausgewählt wurde, macht ihn heute noch glücklich. Nun geht er in Pension. Und ruft dazu auf, wieder die Menschen ins Zentrum zu stellen.
Chregi Hansen
«Ich nehme nicht gern Abschied. Das ist mit ein Grund, dass ich an meinen früheren Orten so lange geblieben bin. Auch hier sind es schon wieder über acht Jahre. Und jetzt merke ich, dass mich der baldige Weggang bewegt und auch etwas schmerzt», sagt Marcel Lanz während des gemeinsamen Mittagessens.
Wobei das mit dem Essen gar nicht so einfach ist. Immer wieder bleiben Bewohner und Bewohnerinnen neben ihm stehen für einen kurzen Schwatz. Haben Fragen. Wollen etwas erzählen. Oder machen nur einen lustigen Spruch. Für alle nimmt sich der Geschäftsleiter Zeit. Erkundigt sich nach dem Befinden und nach den Plänen. Macht Komplimente zur Frisur und zur Kleidung. Freundlich, mit ganz viel Empathie, aber auch stets respektvoll. Die Bewohner und Bewohnerinnen mögen ihn, das wird deutlich an diesem Tag. Und er sie. «Im Zentrum unserer Arbeit muss immer der Mensch stehen», sagt er. «Ich gehe darum jeden Tag ins Restaurant und versuche, möglichst viele zu begrüssen. Diese Zeit nehme ich mir.»
Corona hat Kraft gekostet
Noch kann er das tun. Doch Ende Monat ist Schluss. 63-jährig ist er jetzt. Nun geht er vorzeitig in Pension. «Das war zu Beginn so nicht geplant. Aber die Zeit mit Corona hat unheimlich Kraft gekostet. Mich auch gesundheitlich belastet», sagt er mit bemerkenswerter Offenheit. Rückblickend habe der Bifang wohl vieles richtig gemacht – hier ist niemand an Corona verstorben. «Aber wir mussten in dieser Zeit viele einschneidende Entscheidungen treffen. Standen immer zwischen denen, die noch mehr Schutz der Bewohner verlangten, und jenen, die nach Öffnungen riefen. Letztlich konnte keiner sagen, was der richtige Weg ist», schaut er auf diese 2½ Jahre zurück. Er nimmt einen Schluck von seinem Tee, schaut in die Ferne. «Ich habe mich so oft allein gefühlt in dieser Zeit», sagt er. Und das nicht nur, wenn er ganz allein im Zug von Langenthal nach Wohlen sass.
Dass der Bifang so gut durch die Pandemiezeit gekommen sei, habe auch mit dem guten Geist in diesem Haus zu tun. Leitung, Kader und Personal hätten an einem Strick gezogen. Ganz nach der Devise: Wir schaffen das. Auch heute sei die Stimmung positiv, sind trotz der grossen Diskussion um den Fachkräftemangel alle Stellen im Pflegebereich besetzt. «Wir suchen heute für morgen», heisst es auf der Website des Wohn- und Pflegezentrums. «Wir sind aktiv daran, jetzt schon nach Interessenten für in ein bis zwei Jahren zu suchen. Denn dann werden hier einige Kaderstellen infolge Pensionierung frei, eröffnen sich Chancen und Optionen», erklärt der Geschäftsleiter. Für die Zukunft planen, das ist ihm wichtig. «Ich habe damals ein gut geführtes Haus übernommen. Ich glaube, ich kann jetzt ein gut geführtes Haus übergeben», sagt er.
Wohngruppe «Demenzerkrankter Menschen» als Idee
Inzwischen ist der Hauptgang serviert. Hackbraten, Spargeln, Bratkartoffeln. Für Marcel Lanz eine etwas kleinere Portion. Der Gesundheit wegen. Am 1. Mai hat seine Nachfolgerin Andrea Beetschen Schaad ihre Stelle angetreten. «Ich bin überzeugt, dass sie gute Arbeit leisten wird und die besondere Kultur in diesem Haus weiter pflegen wird», sagt Lanz. Einige Tage lang wird er sie noch einarbeiten, Mitte Monat will er ihr aber symbolisch den «Bifang-Schlüssel» und damit die Verantwortung übergeben. Und abschliessen, was er noch begonnen hat. Unter anderem ein Konzept für eine Wohngruppe «Demenzerkrankter Menschen».
Die entsprechenden Ideen hat er skizziert und an die zuständigen Stellen weitergeleitet. «Es gibt immer mehr Menschen mit demenziellen Erkrankungen in unserer Gesellschaft, die Unterstützung und Hilfe benötigen. Unsere Strukturen, wie wir sie haben, sind für sie nur bedingt geeignet. Diese Menschen finden sich nicht zurecht, stören Dritte oder fühlen sich verloren. Wobei die Störung uns betrifft, für sie selbst stimmt es ja. Wir sollten ihnen darum ein Umfeld schaffen, in dem sie möglichst uneingeschränkt in ihrer und mit ihrer Krankheit leben dürfen», findet Lanz. Doch muss der Bifang wirklich eine solche Abteilung aufbauen? Andere Institutionen bieten doch schon Plätze an. «Das stimmt. Aber wollen wir wirklich, dass die Menschen am Ende ihres Lebens noch in eine andere Gemeinde ziehen müssen? Schliesslich stammen 90 Prozent unserer Bewohner aus Wohlen», entgegnet der Geschäftsleiter. Er hat jetzt den Anstoss gegeben, eine solche Wohngruppe zu prüfen. Ob sie realisiert werden kann, müssen andere entscheiden. «Wohlen hätte es verdient», ist er aber überzeugt.
Auf die inneren Werte achten
Die meisten Bewohner und Bewohnerinnen haben inzwischen fertiggegessen und verlassen das Restaurant. Die einen etwas schneller, andere gebückt, langsam, schlurfend. Gezeichnet vom Leben. Wenn man so lange immer um betagte Menschen ist, hat man dann nicht Angst vor dem Älterwerden? Lanz muss nicht lange überlegen. «Es gibt ein wunderbares Zitat: Diese alten Menschen haben uns den Weg geebnet, auf dem wir heute gehen. Und es ist kein schlechter Weg.» Natürlich tue es weh, wenn man sehe, wie ein Mensch langsam seine Kraft und seine Fähigkeiten verliere. Marcel Lanz zieht eine «Berner Rose» zum Vergleich heran. Dieser Apfel duftet und schmeckt, wenn er voll im Saft ist. Nach einiger Zeit in der Früchteschale bekommt er aber Dellen und erste braune Stellen. Wird die Haut runzlig. «Aber das betrifft vor allem die Schale. Im Kern bleibt es ein Apfel. So müssen wir in der Pflege den Menschen sehen. Wir dürfen uns nicht auf das Äussere konzentrieren, sondern müssen das Innere erkennen.»
Marcel Lanz wünscht sich mehr Achtung vor dem Alter. Dass man auf die vorhandenen Ressourcen abstelle und nicht auf die Defizite. Und er ist stolz auf das Bifang-Personal, welches dies Tag für Tag vorlebe. Der finanzielle Druck in der Pflege ist gross. Und in anderen Kantonen könnten die Mitarbeiterinnen teilweise mehr verdienen. Dass viele dem Haus trotzdem lange treu bleiben, liege am guten Geist in diesem Haus, ist der Geschäftsleiter überzeugt. «Wir zahlen keine Spitzenlöhne. Aber wir zahlen gute Löhne. Und der Vorstand ist immer wieder bereit, noch etwas draufzulegen», erklärt er. Trotzdem habe man es geschafft, dass die Bewohnertaxen in den vergangenen Jahren nicht gestiegen sind. Und kaum je ein Zimmer leer steht. Auch wenn die Menschen tendenziell länger zu Hause leben, brauche es eben Institutionen wie der Bifang. Und diese müssen der Gesellschaft etwas wert sein, findet Lanz. «Die Idee von Mehrgenerationenhäusern ist gut. Aber das Leben darin kann schnell zur Belastung werden», weiss er.
Seelsorge ausgebaut
Der Bifang hat in der Region einen guten Ruf. «Aber wir tun auch etwas dafür», sagt Lanz, während er an seinem Espresso nippt. So wurde in den vergangenen Jahren ein Palliativ-Konzept erstellt. Wurde verstärkt in die Seelsorge investiert, welche über die Zusammenarbeit mit den beiden Landeskirchen hinausgeht. So teilen sich Jan und Nadine Karnitz neu ein 30-Prozent-Pensum und kümmern sich um die Sorgen und Nöte nicht nur der Bewohner und Bewohnerinnen, sondern auch des Personals und der Angehörigen. «Das Angebot wird rege genutzt», erklärt Lanz, das Bedürfnis nach einem Austausch ist gross. Auch das gehört eben zum Wesen der Menschen.
Inzwischen hat sich das Restaurant geleert. Marcel Lanz lässt den Blick durch den Raum schweifen. «Ich werde meinen morgendlichen Rundgang vermissen», sagt er mit einem wehmütigen Lächeln. Die Gespräche mit den Bewohnern. Den Schwatz mit dem Personal. Die vielen Begegnungen. Er würde sich wünschen, dass noch mehr Menschen hier ein und aus gehen. Der Bifang sei ein offenes Haus, Besuch ist immer willkommen. Und er selbst? Wird man ihn hier auch in Zukunft treffen? Marcel Lanz denkt länger nach. «Ich werde sicher mit dem Bifang verbunden bleiben. Aber erst gilt es Abstand zu nehmen und Platz zu machen für Neues», sagt er dann. Später werde er sicher Anlässe besuchen, etwa die jährliche GV. «Der Bifang war ein wichtiger und schöner Abschnitt in meinem Leben. Und ich bin überzeugt, dass die Institution auf einem guten Weg ist. Nicht, weil ich alles richtig gemacht habe. Da ist auch viel Bewahrung dabei», ist er sich bewusst.
Hier seine Traumstelle gefunden
Marcel Lanz ist dankbar, wurde er vor über acht Jahren aus 126 Bewerbern ausgewählt. «Ich wollte diese Stelle unbedingt. Alles, was ich mir von ihr erhofft habe, wurde erfüllt. Es war mir eine Ehre, dieses Haus führen zu dürfen», sagt er. Dann eilt er ins Büro – doch auf dem Weg wird er schon wieder angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Er bleibt stehen. «Wenn ich dafür nicht mehr Zeit habe, bin ich am falschen Ort», sagt er ganz zum Schluss.