«Es ist erlaubt zu träumen»
14.11.2025 Fussball, SportIm Sturm erobert
Alessandro Vogt ist der Shootingstar im Schweizer Fussball – und gibt ein exklusives Interview
Sturm-Juwel. Senkrechtstarter. In seiner ersten Super-League-Saison schlägt der Wohler Alessandro Vogt ein wie eine Bombe. Der 20-Jährige führt die Torschützenliste an. Bislang wurde er vom FC St. Gallen geschützt und er gab keine Interviews. Nun darf er erstmals in seiner Zeitung in der Heimat erzählen, wie er die letzten aufregenden Monate erlebt hat.
Stefan Sprenger
Sein Weg war steinig. Alessandro Vogt musste einige Rückschläge einstecken, viele Hürden nehmen. Beispielsweise vor rund fünf Jahren, als es beim Nachwuchs des FC Aarau hiess, dass es für ihn nicht mehr reicht – und Vogt zurück nach Wohlen geht. Dort erkannte man sein grosses Potenzial. Allen voran der damalige Trainer Ryszard Komornicki, der ihn 2021 in die erste Mannschaft holte und ihm viel Vertrauen schenkte.
Heisseste Aktie im Schweizer Fussball
Vater Roland Vogt – ab dem neuen Jahr Gemeindeammann von Wohlen – sagte vor wenigen Monaten: «Alessandro ist nie durch seine Technik aufgefallen. Er hatte andere Qualitäten wie sein unbändiger Ehrgeiz und Wille, seine Dynamik auf dem Platz, seine Effizienz vor dem Tor, oder seine Bereitschaft, wegen des Fussballs auf vieles zu verzichten. Leider sind diese Tugenden nicht jedem seiner Trainer aufgefallen.» Doch erst in Wohlen und ab 2023 beim FC St. Gallen wird er gefördert, mit viel Ruhe und Vertrauen. Für den ehrgeizigen Vogt, der stets den Fussball priorisiert und lebt, geht in diesem Sommer ein Bubentraum in Erfüllung. Nach der erfolgreich beendeten KV-Lehre erhält er einen Profivertrag beim FC St. Gallen. Und was dann geschah, erstaunte die ganze Fussballschweiz. Vogt trifft und trifft – mittlerweile hat der 20-Jährige acht Treffer in 12 Spielen geschossen und die Herzen der Fans im Sturm erobert. Der Shootingstar darf erstmals für die U21-Nati auflaufen – und trifft sofort. Er gilt als heisseste Aktie im Schweizer Fussball und es buhlen auch Vereine aus dem Ausland um ihm.
Er spricht offen und ehrlich
Um den jungen Spieler zu schützen, verzichteten er und der FC St. Gallen bislang auf Interviews. Bis auf die Interviews im Schweizer Fernsehen direkt nach den Spielen gab er bislang keine Auskunft. Nun gibt er dieser Zeitung aber ein exklusives Interview. Eine Premiere für ihn. Und er spricht offen und ehrlich über die letzten Monate, seine Familie, seine Heimat Wohlen – und was in ihm ein «schräges Gefühl» auslöst.
Der Wohler Alessandro Vogt verzückt seit Monaten die Fussballschweiz – und spricht erstmals im Interview
Er hat ehrgeizig für seinen Traum gekämpft. Alessandro Vogt ist aktuell der Shooting-Star der Super League, führt gar die Torschützenliste an. Der Stürmer vom FC St. Gallen spricht über seine Ziele, seine Träume und seinen Vater, den neuen Gemeindeammann von Wohlen.
Stefan Sprenger
Sie sind der Shooting-Star im Schweizer Fussball, führen die Torschützenliste der Super League an, spielen für die U21-Nati. Und das ist alles in den letzten Monaten passiert. Hätten Sie das so erwartet?
Alessandro Vogt: (Lacht) Ich glaube immer daran, dass es gut kommt.
Wie erlebten Sie die letzten Monate?
Aufregend. Es ist viel passiert, sehr viel. Alles nur positiv. Ich versuche mich nach wie vor auf den Kern zu konzentrieren: den Fussball. Aber ich brauchte auch Zeit, um alles zu verarbeiten, was auf und neben dem Feld abging.
Der FC St. Gallen hat Sie geschützt. Mit Ausnahme des Schweizer Fernsehens nach den Spielen gaben Sie bislang keine Interviews.
Das war und ist auch in meinem Interesse. So kann ich mich voll auf den Fussball konzentrieren.
Dieses Interview hier ist die Premiere seit dem Beginn ihres Höhenflugs.
Richtig. In Wohlen hat alles angefangen. Es sind meine Wurzeln. Das Dorf, die Menschen, der FC Wohlen – das werde ich nicht vergessen.
Nach den Spielen stehen Sie oft vor der Kamera des Schweizer Fernsehens und geben ein Interview. Wie fühlt sich das an?
Ein spezielles Gefühl. Man erzielt ein Tor, man gewinnt, man geht zum Interview nach dem Spiel. Die Fragen sind zum Glück meist ähnlich (lacht).
Schauen Sie sich im Nachhinein ihre Tore und TV-Auftritte nochmals im Fernsehen an?
Ich verfolge nicht wirklich, was gezeigt und geschrieben wird. Ich will mich nicht zu sehr darauf fokussieren, sondern mich auf den Fussball konzentrieren. Natürlich ist die gestiegene Aufmerksamkeit schön, und meine Freunde schicken mir mal was via Social Media zu, aber ich muss Woche für Woche meine Leistungen bestätigen, sonst bringt das alles nichts.
Was sind Ihre Ziele im Fussball?
Ich spiele beim FC St. Gallen und will hier in jedem Spiel meine Bestleistung abliefern, Tore schiessen, dem Team helfen. Irgendwann in Zukunft bei einem ausländischen Verein zu spielen, dem wäre ich nicht abgeneigt. Ich träumte als kleiner Junge davon, einmal bei Real Madrid zu spielen.
Und nun scheint dies nicht mehr ganz unmöglich zu sein.
(Lacht) Ich bleibe am Boden. Real Madrid ist ein Traum, und es ist erlaubt zu träumen. Ganz allgemein wäre es schön, einmal im Ausland bei einem Verein zu spielen. Die Premier League in England, die Bundesliga in Deutschland oder die Serie A in Italien – das sind alles starke Ligen und haben ihren Reiz. Aber ich gebe alles beim FC St. Gallen, wo ich bis 2029 einen Vertrag habe.
Es heisst, es gibt schon jetzt Interessenten aus dem Ausland. Stimmt das?
Für mich zählt der FC St. Gallen. Die Anfragen landen bei meinem Spielerberater, und ich kriege die Anfragen erst während der Fussballpausen mit.
Der «Blick» stellte die Frage: Ist Alessandro Vogt schon einer für die A-Nati? Was meinen Sie?
(Lacht) Davon habe ich nichts mitgekriegt. Ich spiele für die U21-Nationalmannschaft. Wir haben dort grosse Ziele. Aktuell stehen wichtige EM-Qualifikationsspiele an. Wir wollen an die EM 2027. Wenn wir das schaffen, wären wir automatisch für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles qualifiziert. Olympia wäre natürlich ein cooles Erlebnis. Irgendwann für die A-Nati aufzulaufen, wäre ebenfalls ein grosser Traum. Aber ich will meinen Weg nicht beschleunigen. Alles kommt, wie es kommen muss.
Im September gaben Sie Ihr Debüt für die U21-Nati in der EM-Quali – und haben gleich getroffen.
Es war ein wenig wie beim FC St. Gallen. Ich habe das Vertrauen erhalten, und es lief dann perfekt.
Was ist Ihre Erklärung für Ihren gigantischen Höhenflug?
Die Vorbereitung lief bestens. Und der Trainer bei St. Gallen hat mir viel Vertrauen geschenkt. Auch die Mitspieler supporten mich. Nach dem Abschluss meiner KV-Lehre im Sommer konnte ich mich voll auf den Fussball konzentrieren. Ich glaube, das hat mir auch sehr geholfen. Ansonsten würde ich sagen, dass es ganz viel Training, harte Arbeit und Glauben an sich selbst ist, was mich aktuell zum Erfolg führt.
Eine positive Einstellung. Woher haben Sie das?
Von meinem Vater. Von ihm habe ich gelernt, dass man stets an sich glauben soll. Nie aufgeben. Immer voller Einsatz. Demütig bleiben. Diese Mentalität hat mir mein Vater vererbt, seine fussballerischen Künste zum Glück weniger (lacht).
Was haben Sie von Mutter Pina mit auf den Lebensweg gekriegt?
Meine Mutter macht alles für mich – zuletzt beispielsweise beim Suchen und Einrichten meiner ersten eigenen Wohnung. Genau wie mein Vater hat sie mich sehr geprägt. Egal ob auf dem Fussballplatz oder daneben. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.
Wie spüren Sie die Unterstützung der Familie?
Meine Familie ist an jedem Spiel dabei. Das freut mich, dieser Support ist mir enorm wichtig. Meine Eltern waren dabei, als ich als kleiner Junge auf den Niedermatten mein erstes Tor erzielt habe, und sie sind auch heute noch da, wenn ich in der Super League treffe und Tausende Menschen mitjubeln. Ich glaube, auch für meine Familie waren die letzten Monate speziell, da sie oft auf mich angesprochen wurden.
Für Ihren Vater sind es zudem spezielle Zeiten, da er vor Kurzem zum neuen Gemeindeammann in Wohlen gewählt wurde.
Ja, und das freut mich riesig für ihn. Ich selbst bin nicht so politisch, aber ich habe natürlich mit ihm mitgefiebert.
Wie oft sind Sie noch im Elternhaus in Wohlen anzutreffen?
Ich versuche ein- bis zweimal im Monat nach Wohlen zu kommen. Meine Familie und meine Freunde sind mir sehr wichtig. Wohlen ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen, hier hat alles begonnen. Heute kann ich zu Hause entspannen und Kraft tanken.
Ihr Vater stieg einst mit dem FC Wohlen in die 1. Liga auf. Und Ihr steiler Aufstieg startete ebenfalls in Wohlen, in der 1. Liga. Im November 2022 erzielten Sie im Schweizer Cup gegen Servette Genf ein Tor. Eine Art Sprungbrett. Es folgt der Wechsel zu St. Gallen – und nach einer Zeit in der 1. Liga dann im November 2024 Ihr Debüt in der Super League. Und jetzt ist es November 2025 und Sie sind der Senkrechtstarter im Schweizer Fussball. Verrückt, oder nicht?
(Lacht) Mein Werdegang ist eher speziell. Aber es ist aufgegangen. Beim FC Wohlen erlebte ich eine sehr wichtige Zeit. Zuerst holte mich Trainer Ryszard Komornicki in der Saison 2021/22 in die 1. Mannschaft und schenkt mir viel Vertrauen. Er war mein erster Trainer im Aktivfussball – und das ist sicherlich im Nachhinein als Glück zu bezeichnen. Denn Komornicki ist ein richtig guter Trainer. Zuvor prägte mich auch beispielsweise Alain Schultz im Nachwuchs des FC Wohlen. Es gab noch andere Personen bei Wohlen, die auf meinem Weg wichtig waren. So wurde St. Gallen auf mich aufmerksam – und ich konnte hier nochmals einen grossen Entwicklungsschritt machen.
In St. Gallen trafen Sie unter anderem auf Präsident Matthias Hüppi, der zwei Jahrzehnte lang im Freiamt wohnte. Wie war die erste Begegnung?
Weil wir aus der gleichen Region kommen, war beim ersten Kennenlernen sofort ein Bezug da. Ansonsten ist der Umgang ganz normal. Matthias Hüppi ist ein beeindruckend starker Präsident. Vor Kurzem fand die Generalversammlung statt, dort war zu spüren, dass die Vereinsführung des FC St. Gallen einfach von A bis Z top ist.
Und es herrscht eine kleine Euphorie in der Ostschweiz. Das Team zeigt meist begeisternden Fussball. Es fehlt nur ein Punkt auf den 2. Rang in der Tabelle. Wie fühlt es sich an, wenn man in den ausverkauften Kybunpark einläuft und die heimischen Fans spürt?
Unbeschreiblich. Ich bin zwar voll im Tunnel und während der Spiele versucht man so viel wie möglich auszublenden, aber vor ausverkauften Rängen zu spielen, dass macht riesig Lust und Freude. Für mich ist es ein Traum, der in Erfüllung geht. An jedem Spiel. Und ich denke in jedem Training und in jedem Match daran, dass dies alles ein sehr wertvolles Geschenk ist.
Mit acht Toren sind Sie – gemeinsam mit YB-Spieler Chris Bedia – der beste Torschütze der ganzen Liga. Spüren Sie Druck?
Nicht wirklich. Es ist meine erste Profisaison, ich laufe sehr befreit auf. Das werde ich auch weiterhin tun.
Torschützenkönig der Super League. Ist das ein Ziel?
(Lacht) Ich will einfach eine gute Saison spielen, Tore schiessen. Wenn es am Ende der Spielzeit für einen Titel reicht, dann sage ich nicht nein.
Zu was ist der FC St. Gallen in dieser Saison in der Lage?
Es liegt viel drin. Das Potenzial ist sicherlich da, um mit den besten Teams der Liga mitzuhalten. Aber wir müssen Woche für Woche abliefern, hart arbeiten und demütig bleiben. Dann werden wir sehen, wohin uns der Weg führt.
Die Schlussfrage: Durch Ihren schwindelerregend steilen Aufstieg haben Sie sich auch ins Rampenlicht gespielt, erhalten viel Aufmerksamkeit – auch von den Fans. Wie ist das für Sie?
Speziell. Aber schön. Wenn man plötzlich auf der Strasse erkannt wird, ist dann ein schräges Gefühl, aber macht auch ein bisschen stolz. Ich nehme mir für die Fans immer gerne Zeit für Fotos und Autogramme. Weil ich weiss, dass ich mir als kleiner Junge genau dies auch von denn Profifussballern gewünscht habe. Und deshalb ist mir das heute auch sehr wichtig, weil es schöne Erinnerungen und Begegnungen schafft.
Persönlich
Alessandro Vogt ist am 3. Februar 2005 geboren. Er wuchs mit den Eltern Pina und Roland (ab 2026 Gemeindeammann von Wohlen) und den Schwestern Laura und Simona in Wohlen auf. Er begann mit dem Fussballspielen beim FC Wohlen. Zwischen 2019 und 2021 verliess er die Niedermatten Richtung Nachwuchsabteilung des FC Baden und FC Aarau. Im November 2021 gab er sein Debüt für die 1. Mannschaft des FC Wohlen (1. Liga). Bis zu seinem Wechsel Anfang 2023 zum Nachwuchs des FC St. Gallen absolviert er 28 Spiele (10 Tore) für Wohlen. In der Ostschweiz entwickelt er sich weiter zum Torjäger, erzielt acht Treffer in 34 Spielen in der Promotion League und 13 Tore in 25 Einsätzen in der 1. Liga. Dazu kam im November 2024 sein Super-League-Debüt. Nach der abgeschlossenen KV-Lehre im Sommer 2025 erhielt er einen Profivertrag des FC St. Gallen (bis 2029). In seiner ersten Saison in der höchsten Spielklasse wird er zum Shootingstar. Vogt führt aktuell mit acht Toren die Torschützenliste an und trifft auch bei seinem Debüt für die U21-Nati. --red


