«Es ging einfach nicht mehr auf»
12.12.2023 BremgartenSandra Furrer muss ihren Laden «Furrers Wundertüte» Ende Dezember schliessen
Der Bremgarter Bücher- und Spielwarenladen «Furrers Wundertüte» war bei Stammkunden und Lädelern beliebt. Dennoch muss sich Inhaberin Sandra Furrer nun ...
Sandra Furrer muss ihren Laden «Furrers Wundertüte» Ende Dezember schliessen
Der Bremgarter Bücher- und Spielwarenladen «Furrers Wundertüte» war bei Stammkunden und Lädelern beliebt. Dennoch muss sich Inhaberin Sandra Furrer nun schweren Herzens von etwas verabschieden, das für sie weit mehr als nur ein Geschäft war.
Marco Huwyler
«Es macht mich schon ziemlich traurig», sagt Sandra Furrer, während sie ihren Blick wehmütig durch die Regale schweifen lässt. «Ich hing sehr an alledem.» Nun sind es nur noch knapp drei Wochen, bis sie die Tür an der Zugerstrasse 7 zum letzten Mal hinter sich schliesst. «Das ist zwar nicht mehr lange, aber es sind noch einige strenge Tage, die vor uns liegen.» Und Tage auch, die sie versuchen will, so gut es geht zu geniessen.
Wenn «Furrers Wundertüte» Ende Jahr ihren Betrieb einstellt, verliert die Inhaberin mehr als nur ihren Laden. Denn die 43-Jährige ist Buchhändlerin aus Leidenschaft. Furrers Augen leuchten auch heute noch, wenn sie von «meiner Bücherwelt» erzählt. Von ihrer Freude an der Sortimentsgestaltung beispielsweise. «Der regelmässige Einkauf war jedes Mal ein Highlight. Neue Bücher und Spiele zu durchstöbern und auszuwählen. Und sie dann, wenn sie ankommen, an ihrem neuen Plätzli ins beste Licht zu rücken, bis sie ihren neuen Besitzer finden.» Man merkte in Furrers Laden immer, wie viel Zeit, Fokus und Hingabe sie auch der Einrichtung und Anordnung geschenkt hat. «Alles möglichst harmonisch aufeinander abzustimmen, zu dekorieren und so eine schöne Stimmung zu kreieren – ein Ort zu sein, wohin man gerne kommt und einen Moment verweilt – das war mir immer wichtig», sagt sie.
Schritt in die Selbstständigkeit
Fast neun Jahre ist es mittlerweile her, dass Furrer sich selbstständig machte. Als die Buchhandlung im «Sunnemärt», wo sie als Filialleiterin arbeitete, zum Verkauf stand, nahm sie Mut und Erspartes zusammen und wagte den grossen Schritt. «Bereut habe ich es nicht, denn es lief lange ziemlich gut. Viele Menschen schätzten ein kompetentes Bücherfachgeschäft in ihrer Umgebung, sodass wir eine schöne Anzahl regelmässiger Stammkunden hatten.» Reich wurde Furrer freilich nie. «Aber ich kam gut über die Runden. Und das war auch alles, was ich mir wünschte. Schliesslich war es das, was ich immer machen wollte.»
Umzug und Synergien
Im Verlaufe der Jahre lernte Furrer Sabina Glarner kennen, die ein paar Strassenzüge weiter das Spielwarengeschäft «Wundertüte» führte. «Wir waren gegenseitige Kunden», lacht Furrer. Und so kamen die Spielwarenverkäuferin, die gerne las, und die Bücherhändlerin, die gerne spielte, zwangsläufig ins Gespräch. «Dabei merkten wir schnell, dass wir ähnlich tickten.»
Daraus erwuchsen Gedankenspielereien, dass man die beiden Läden eigentlich zusammenlegen und Synergien nutzen könnte. «Und eines Tages eröffnete mir Sabina, dass sie ihr Geschäft gerne abgeben würde.» So kam eines zum anderen. Furrer zügelte ihre Bücher 2019 zu Glarner an die Zugerstrasse. Und verkaufte dort fortan als alleinige Inhaberin der «Wundertüte» neben Lesestoff auch Spielwaren. «Eine Kombination, die durchaus Sinn macht», findet Furrer noch heute.
Gesundheitlich angeschlagen
Dass es den Laden in dieser Form dennoch nur knapp fünf Jahre gab und er nun vor dem Aus steht, ist unglücklichen Umständen geschuldet. Wie so vielerorts nahm das Unheil bei Furrers Wundertüte während Corona seinen Lauf. «Die wirtschaftliche Situation wurde sehr schwierig», erzählt die Inhaberin.
Die Reserven waren bald aufgebraucht. Verschärft wurden die pandemiebedingten Probleme ausserdem dadurch, dass just in jener Zeit die gesundheitlichen Schwierigkeiten Furrers begannen. Schleichend zwar. Doch irgendwann war der Punkt erreicht, als es nicht mehr ging. Die Buchhändlerin fiel von einem Tag auf den anderen auf unbestimmte Zeit aus. «Mega geholfen hat mir damals mein Bruder», erzählt Furrer. Nach seiner eigentlichen Arbeit kümmerte sich dieser um das Administrative des Bremgarter Bücherladens. Um den Ausfall zu kompensieren, wurden Pensen von Mitarbeiterinnen aufgestockt und neue eingestellt. Und nach einiger Zeit durfte auch Sandra Furrer wieder behutsam mittun. Doch weil sich die Situation nur langsam bessert, war irgendwann der Punkt erreicht, wo sie eine Auslegeordnung machen musste. Die wirtschaftlichen Realitäten zwangen Furrer förmlich dazu.
Alle Varianten durchgespielt
«Ich habe mir den Entscheid nicht leicht gemacht», seufzt sie. «Alles wieder und wieder durchgerechnet, Szenarien überdacht und meine Fühler ausgestreckt.» Eine Lösung mit einer Nachfolge und einer zweiten Teilinhaberin zerschlug sich. Genauso wie das Gedankenspiel mit einem Umzug in einen kleineren Laden in der Altstadt. «Ich habe sogar eine Räumlichkeit besichtigt», sagt Furrer. Doch letztlich musste die 43-Jährige einsehen, dass ein Weitermachen als selbstständige Buchhändlerin zum jetzigen Zeitpunkt schlicht keinen Sinn mehr ergibt.
«Wie und in welcher Form man es auch durchrechnete – es ging einfach nicht auf.» Zumal Furrer in einer Branche arbeitet, wo es auch mit voller Arbeitskraft alles andere als einfach ist, sich zu behaupten. «Es ist ein hartes Business.» Die Rabattschlacht von Grossverteilern macht auch vor Büchern nicht halt. Dazu kommt der boomende Onlinehandel. Schwer mitzuhalten für ein traditionelles Bücherlädeli. «Wobei ich überzeugt bin, dass es nach wie vor geht, wenn man mit Qualität, Atmosphäre und Knowhow punktet», sagt Furrer. Bloss brauche es dafür eine Buchhändlerin, die mit vollem Herzblut und einem Pensum von wohl weit über 100 Prozent alles reinwerfe. «Und das kann ich momentan halt einfach nicht.»
Ungewisse Zukunft
Ihre Bücherwelt wird der Bremgarterin fehlen. Genauso wie die Begegnungen. Furrer schätzte den täglichen Kundenkontakt als Buchhändlerin. Vor allem, seitdem sie im Städli wirkt. «Ich habe die Menschen in Bremgarten immer als besonders herzlich und angenehm empfunden», lächelt sie. Am schönsten sei es jeweils gewesen, wenn man gemeinsam etwas Passendes gefunden habe. Wenn sie mit einer Buch- oder Spielempfehlung den Nagel auf den Kopf getroffen habe. «Die aufrichtige Freude der Menschen dabei zu sehen, die Zufriedenheit, mit der sie meinen Laden verliessen. Dabei ist mir das Herz aufgegangen.»
Mit solchen Momenten ist nun leider vorerst Schluss. Wie es weitergeht, weiss Furrer noch nicht. «Ich muss Ende Jahr zuerst mal durchschnaufen und alles sacken lassen.» Danach sucht sie sich neue Herausforderungen und Lebensaufgaben. Ideen hat sie bereits. Zu hoffen ist primär, dass es gesundheitlich weiter aufwärts geht. Dann ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie irgendwann wieder eine eigene Buchhandlung führt. Gerne auch wieder in Bremgarten. «Im Moment zwar Utopie. Doch es ist eine schöne Vorstellung», lächelt Furrer beim Gedanken daran.
Bei «Furrers Wundertüte» gibt es am 15. und 16.12. 20 % Rabatt auf das Sortiment. Vom 27. bis 30. Dezember findet die Totalliquidation mit bis zu 80 % Rabatt statt. Auch das Interieur steht dann zum Verkauf. Bestehende Gutscheine kann man noch bis zum 23.12. einlösen.