«Es braucht gegenseitigen Respekt»
07.05.2024 WohlenWohler Zentrum in Fokus
Das Projekt Aufwertung Zentralstrasse bewegt die Menschen. Auch deshalb war es eine gute Idee, bei einem Spaziergang alles vor Ort genau anzuschauen. Einwohnerrat Patrick Schmid gab fachmännisch Auskunft. --dm
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Wohler Zentrum in Fokus
Das Projekt Aufwertung Zentralstrasse bewegt die Menschen. Auch deshalb war es eine gute Idee, bei einem Spaziergang alles vor Ort genau anzuschauen. Einwohnerrat Patrick Schmid gab fachmännisch Auskunft. --dm
Projekt Aufwertung Zentralstrasse: Infospaziergang mit Einwohnerrat Patrick Schmid, Grüne
Das geplante Bauwerk hat 14 Jahre Planungsarbeit in Anspruch genommen. Nun kann das Stimmvolk am 9. Juni darüber abstimmen. Der Abstimmungskampf wird mit harten Bandagen geführt – da kam der informative Spaziergang entlang der Zentralstrasse gerade richtig.
Daniel Marti
Das Projekt Aufwertung der Zentralstrasse bewegt die Gemüter und wird emotional diskutiert. Emotionaler als erwartet. Oft geht es ums Geld, um Fakten, die schon mal gerne verdreht werden, oder um politische Machtdemonstration. Es wird Stimmung gemacht um die Zentralstrasse und ums Zentrum von Wohlen, das ohnehin einen schweren Stand hat.
Plus-Minus-Liste erstellt
So betrachtet, ist die Idee von Patrick Schmid, Einwohnerrat der Grünen und Lehrperson, konstruktiv. Er lud die Bevölkerung ein, bei einem Spaziergang die Zentralstrasse zu begutachten, das Projekt zu erklären, Argumente auszutauschen. Schmid tat das im Namen des Referendumskomitees. Wohl deshalb waren die Befürworter des Projekts beim Spaziergang in der Mehrzahl, aber auch Kritiker nahmen daran teil. Letztlich war der Anlass informativ und es wurde auch konstruktiv diskutiert.
Grünstreifen, Bäume, Radstreifen, Tempo, Parkplätze, Beleuchtung, Strassenbreite, Staugefahr, Bushaltebuchten – so ziemlich alles wurde angesprochen. Vorweggenommen: Auch Patrick Schmid stellt nicht nur Positives am Projekt fest. Aber er habe eine Liste mit Plus- und Minuspunkten gemacht, erklärte er. Das Plus überwiegt bei ihm.
30 Sekunden Unterschied
Als Grüner, gab er zu, hätte er lieber mehr Bäume gesehen, auch auf den projektierten Verkehrsinseln. Ist aber nicht möglich, vor allem wegen der vielen Leitungen im Boden. Trotzdem: Neue Ahornbäume und Eichen sind geplant, «und die sollten hier auch gut überleben».
Und wie schnell darf man denn künftig auf der Zentralstrasse fahren. Gegenwärtig sind es 50 km/h. Neu werden es zwischen 30 und 40 sein. «Das ist aber keine 30er-Zone», stellt Schmid klar. Und er hat das Beispiel durchgespielt. Mit 50 hat man für die gesamte Länge des Projekts 58 Sekunden, mit 30 sind es eine Minute und 28 Sekunden. Ganze 30 Sekunden Unterschied. Kommt hinzu, dass beim aktuellen Zustand eigentlich nie 50 km/h gefahren werden kann. Staugefahr. «Und die gibt es, wenn der Verkehr nicht rollt», oder wenn viele Autos von den Zufahrtsstrassen in die Kantonsstrasse drängen.
Auch das Argument, Bushaltestellen auf der Strasse blockieren den Verkehr, lässt Schmid nicht gelten. Denn im Projekt gibt es eine Bushaltestelle weniger als beim Ist-Zustand, «das verflüssigt eher den Verkehr». Und sowieso sind die Diskussionen rund um die Bushaltestellen müssig – denn sie müssen ohnehin gemäss dem Behindertengesetz angepasst werden, auch ohne das aktuelle Projekt.
Genug Sicherheit für Velofahrer?
«Aber die Velofahrer wurden beim Projekt doch vergessen», monierte ein Kritiker. Da wiegelte Schmid an. «Die gewohnten und heutigen Fahrradstreifen werden heute gar nicht mehr bewilligt. Und heute schon fahren Autos oft auf diesem Streifen. Deshalb bietet der aktuelle Fahrradstreifen gar keine Sicherheit mehr.» Darum sei eine klare Trennung, Strasse und Trottoir, sicherer. «Natürlich hätten alle am liebsten einen Veloweg wie zwischen Wohlen und Bremgarten, aber dazu fehlt im Zentrum der Platz.» Die Fahrbahn werde auf der Zentralstrasse zwar schmaler, «aber sie bleibt minimal sechs Meter breit. Aber es braucht auch künftig gegenseitigen Respekt.»
Letztlich werde es für die Auto etwas enger auf der Strasse, und für die Fussgängerinnen und Fussgänger wird etwas mehr Platz eingeräumt. Auf diese Weise, auch mit einem neuen Belag, wird es mit der Aufwertung auch allgemein ruhiger auf Postplatz und Zentralstrasse. «Und somit attraktiver», fügte ein Vereinsmitglied von «Schöner Wohlen» hinzu.
Und die Parkplatzsituation bleibt praktisch gleich, vier Parkplätze verschwinden so oder so mit der sanierten Bushaltestelle beim Postplatz. «Netto gibt es insgesamt zwei Parkplätze weniger als heute». Patrick Schmid erinnerte daran, dass Kanalisation, Bushaltestellen und Belag erneuert werden müssen – auch bei einem Volks-Nein zur Vorlage Zentralstrasse. Gleichzeitig ist eigentlich eine neue Beleuchtung überfällig. Die neue Variante leuchtet vor allem den Fussgängerbereich viel besser aus, «ein grosser Vorteil».
Und wer die drohenden Baustellen mitten im Dorf als Gegenargument aufführt, muss laut Schmid bedenken, dass der Ersatz der Kanalisation, der sowieso anstehen wird, gegen eineinhalb Jahre dauern werde.
Nichts ist passiert: Schlechtes Beispiel Bahnhofstrasse
Keine Möglichkeiten für Verbesserungen bietet der «Bären»-Kreisel. Dagegen erhofft sich Patrick Schmid eine flüssigere Verkehrsabwicklung auf der Bremgarterstrasse Richtung Kirchenplatz. Die Hoffnung aufgegeben hat ein Kritiker. Man solle doch die Bahnhofstrasse anschauen, sagt er. Diese wurde beruhigt und es sei ganz viel versprochen worden. Wie etwa eine Flaniermeile. «Und was ist passiert? Es hat praktisch keine Läden mehr.» An der Zentralstrasse werde Ähnliches passieren, befürchtet er. Von den politischen Gegnern waren eher wenige am Spaziergang anzutreffen. Einer war dabei. Philipp Stäger, Grünliberale. Er habe das Gleiche gemacht wie Patrick Schmid, eine Liste mit Plus und Minus, erklärte er. Er kam zu Schluss, «dass das Projekt keinen grossen Mehrwert für Wohlen bringt». Und dabei bleibt es auch nach dem informativen Spaziergang.
Also konnte Befürworter Schmid, der Grüne, Skeptiker Stäger, den Grünliberalen, nicht davon überzeugen, eine Kehrtwende zu machen. «Die Zentralstrasse ist noch gut genug zwäg», sagt Stäger. «Und wenn es ein Nein gibt», befürchtet Schmid, «dann wird in den nächsten 15, 20 Jahren nichts passieren.» Und der Verkehr wird in dieser Zeit laufend zunehmen. Und ohne Aufwertungsmassnahmen gebe es schon früher kein Durchkommen mehr an der Zentralstrasse.
Geld von Bund und Kanton sichern
Und zuletzt sagte der Grünen-Einwohnerrat noch etwas zu den Kosten. Wohlen muss 4,6 Millionen Franken investieren. 2 Millionen vom Bund und 4,9 Millionen vom Kanton, das sind die Summen, die nun von Dritten ans Projekt bezahlt werden. Diese Zuschüsse gilt es zu sichern. Der Kanton Aargau beispielsweise hat keine Schulden mehr und die Rechnung 2023 einen Gewinn von 120 Millionen. «Da müssen wir doch einmal einfach auf Wohlen schauen, zudem bezahlen wir Wohlerinnen und Wohler auch Steuern an den Bund und den Kanton. Nun kann einmal etwas zu uns zurückkommen», betonte Schmid.
Wenn Wohlen Nein sagt, wird dieses Geld nicht fliessen. «Dann geht es an andere Gemeinden, die nehmen es schon, vielleicht geht es nach Oberfrick oder irgendwohin.» – «Oder sogar nach Villmergen», fügte eine Besucherin augenzwinkernd an.
Der zweite Infospaziergang mit Patrick Schmid findet am Sonntag, 26. Mai, 10.30 Uhr, statt. Treffpunkt ist erneut vor der CS.