«Es braucht echte Väter»
09.05.2025 WohlenDie Wohlerin Tanja Tobler stärkt die Beziehung zwischen Vater und Tochter – auch aus eigener Erfahrung
Sie ist Personal-, Business- und Familiencoach. Und Tanja Tobler hat ein «Herzensprojekt», wie sie es nennt. Es geht um die Beziehung zwischen Vater ...
Die Wohlerin Tanja Tobler stärkt die Beziehung zwischen Vater und Tochter – auch aus eigener Erfahrung
Sie ist Personal-, Business- und Familiencoach. Und Tanja Tobler hat ein «Herzensprojekt», wie sie es nennt. Es geht um die Beziehung zwischen Vater und Tochter. Sie spricht dabei aus Erfahrung, weil sie selbst mit ihrem Vater schwierige Zeiten durchlebte. Heute hilft sie anderen. «Der Vater von heute prägt die Frau von morgen», erklärt sie.
Stefan Sprenger
An der Aeschstrasse in Wohlen hat Tanja Tobler ihre Räumlichkeiten. Es ist ruhig, freundlich, friedlich. Während sie von ihrem Vater erzählt, sieht auch ihr Gesicht so aus. Doch innerlich sind viele Emotionen vorhanden. «Ich hatte einen Vater, der mich liebte – und doch nicht verstand. Er wollte für mich da sein, doch er konnte es nicht. Ich weiss am Ende aus eigener Erfahrung, was es heisst, wenn die Beziehung zu einem Vater zerbricht.»
Sie war 12 Jahre alt, als sich ihre Eltern trennten. Damals lebte die Familie in Venezuela. Die Mutter blieb in Südamerika, während sie mit ihrem Vater nach Deutschland zog. Eine neue Welt, eine neue Kultur. Alles war anders. «Meine einzige Konstante im Leben war mein Vater», erklärt Tobler. «Doch er war selbst völlig überfordert mit der Trennung, dem neuen Job, dem Umzug, der Verantwortung. Er stand plötzlich allein da. Mit einer 12-jährigen Tochter, die er nicht wirklich kannte.» Bislang war ihre Mutter die Hauptansprechperson, die sich um alles kümmerte. Jetzt war es ihr Vater. «Mein Vater war zwar da – und gleichzeitig auch nicht. Seine Welt war die Arbeit. Für ihn stand an erster Stelle: Sicherheit und das finanzielle Wohlergehen der Familie.»
Scheidungstermin beim Richter: «Ich will zu meiner Mutter»
Die Beziehung wurde mit der Zeit angespannter. «Ich fühlte mich oft abgeschoben und allein. Mein Vater versuchte, seinen Schmerz mit Alkohol zu betäuben, was uns weiter voneinander entfernte. Diese Jahre waren für uns beide sehr herausfordernd und führten dazu, dass wir uns immer mehr voneinander entfremdeten.» Die Kommunikation wurde schwierig, die Beziehung zueinander von immer grösseren Mauern geprägt. «Als der gerichtliche Scheidungstermin kam, sagte ich dem Richter: Ich will zurück zu meiner Mutter.» Und sie ging wieder nach Venezuela.
Ein Muster begegnet ihr immer wieder – auch bei sich selbst
Die Erfahrung prägt sie. Sie will besser verstehen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren, wie solche Mauern einzureissen sind. Tanja Tobler wird Jahre später Coach. Im Personal-, Business und Familienbereich versucht sie, den Menschen zu helfen. Dort hat sie oft mit Frauen zu tun. Und egal ob Unternehmerin, Führungskraft oder Mutter: Ihr begegnete immer wieder ein Muster. «Ein Muster, das ich auch von mir selbst kenne. Es waren Frauen, die mit sich selbst kämpften, die sich aufopferten. Die für andere stark sein wollten – und dabei sich selbst vergassen.» Ihnen fehlte es an Selbstbewusstsein, Sicherheit, Standfestigkeit und Mut. Einige hatten das Gefühl, dass sie nicht genug sind. Andere wollen niemandem zur Last fallen oder ordnen sich lieber unter – als für sich selbst einzustehen. «Mir wurde klar: Jene Themen beginnen früh. In der Kindheit. Genauer gesagt: In der Beziehung – oder der fehlenden Beziehung – zum Vater.»
Das Feedback eines Vaters
Neben ihrer Arbeit als Coach für Führungskräfte entstand dieses «Herzensprojekt», wie sie es nennt. Tanja Tobler bietet Coaching-Begleitungen für Männer an, die für ihre Töchter da sein wollen – und manchmal einfach nicht wissen, wie.
Im letzten Sommer begleitete Tobler als Vater-Tochter-Expertin Camps in Österreich und stand dabei den Vätern und Töchtern unterstützend zur Seite.
Sie erzählt: «Da waren Väter, die geschieden waren. Väter, die verwitwet waren. Väter, die in glücklichen Beziehungen lebten. Es spielte keine Rolle. Niemand fragte nach Zivilstand, Jobtiteln, Karrierestufen oder Autoschlüsseln. Es ging einzig darum, da zu sein. Für die Tochter.»
Aus ihrer jahrelangen Coachingerfahrung und den Eindrücken aus den begleiteten Camps entstand die Idee, eigene Vater-Tochter-Camps anzubieten. Seit April 2025 finden sie neu in den Schweizer Bergen statt – mitten in der Natur und fernab vom Alltag.
Väter und Töchter erleben dort eine unbeschwerte Auszeit – ohne Termine, ohne weitere Familienmitglieder, ohne Ablenkung und vor allem ohne Erwartungen. Einfach Papa und Tochter, unterwegs auf gemeinsamen Wanderungen, bei spielerischen Aktivitäten entstehen Momente voller Lachen, Gespräche und echter Nähe – Zeit, die im Alltag oft zu kurz kommt. Das Feedback eines Vaters: «Das Camp hat mir die Augen geöffnet. Hier wurde mir bewusst, wie sehr meine Tochter auch mich braucht – und wie viel sie mir zu sagen hat, wenn der Alltag stillsteht.»
Manchmal denkt Tanja Tobler zurück – an ihr zwölfjähriges Ich. Ein Mädchen, das sich Nähe gewünscht hätte. Verständnis. Echte Gespräche. «Was wäre gewesen, wenn auch mein Vater und ich solche Momente erlebt hätten? Vielleicht hätten wir uns wiedergefunden. Vielleicht wäre vieles anders gewesen.»
Im «Men’s Health»-Magazin gibt sie Tipps
Heute unterstützt sie Väter dabei, genau solche Momente mit ihren Töchtern zu schaffen – Momente, die Nähe, Freude und unvergessliche Erinnerungen entstehen lassen. «Ich glaube, jeder Vater will für seine Tochter da sein, prägend sein, alles geben, was er hat. Aber manchmal wissen Väter einfach nicht, wie», sagt Tobler.
Gerade bei Töchtern begegnen Väter Themen, die ihnen oft fremd sind: Menstruation, Körperbild, emotionale Dynamiken. Das sind Themen, über die oft geschwiegen wird – dabei wären genau sie so wichtig für Verständnis, Vertrauensaufbau und echte Nähe.
Was braucht es für eine gute Vater-Tochter-Beziehung? «Ehrliche Kommunikation. Gemeinsame Zeit. Zuverlässigkeit. Emotionale Unterstützung. Respekt. Verständnis. Offenheit. Freiheit. Und Vorbildfunktion.»
Tobler ist überzeugt: «Töchter und ihre Väter – ob alleinerziehend oder in einer Partnerschaft – können trotz allen Herausforderungen eine liebevolle und vertrauensvolle Beziehung zueinander aufbauen.»
Auch im Magazin «Men’s Health» gibt sie als Expertin Einblick in ihre Arbeit – mit dem Titel: «Warum Väter eine entscheidende Rolle im Leben ihrer Töchter spielen – und warum diese Verbindung nicht dem Zufall überlassen werden sollte.» Ein weiterer Artikel von ihr erscheint Mitte Juni im gleichen Magazin: «Wie Mütter lernen loszulassen – und Väter übernehmen.» Für ihr Herzensprojekt (www.vatermittochter.com) gibt sie alles. Denn: «Die Verbindung zwischen Vater und Tochter ist keine Nebensache. Sie ist entscheidend. Denn die Mädchen von heute sind die Frauen von morgen. Und sie brauchen keine perfekten Väter. Sie brauchen echte Väter.»