«Erwartungen sind Fluch und Segen»
31.10.2024 BremgartenIm Gespräch mit Rolf Knie
Rolf Knie hat in einigen Bereichen ein beachtliches Niveau erreicht. Als Zirkusartist und Schauspieler. Später dann auch als Maler. Seine Tier- und Zirkusbilder sind schweizweit begehrt. Und er hätte wohl auch als Profifussballer ...
Im Gespräch mit Rolf Knie
Rolf Knie hat in einigen Bereichen ein beachtliches Niveau erreicht. Als Zirkusartist und Schauspieler. Später dann auch als Maler. Seine Tier- und Zirkusbilder sind schweizweit begehrt. Und er hätte wohl auch als Profifussballer Karriere machen können. Aus jener Zeit stammt eine Freundschaft, die bis heute überdauert hat und den 75-Jährigen immer wieder nach Bremgarten führt. --huy
Rolf Knie kommt am Samstag nach Bremgarten – Vernissage ab 16 Uhr
Bereits zum siebten Mal stellt der bekannte Künstler heuer neue Werke und Raritäten in der «Galerie am Bogen» im Herzen der Altstadt aus. Rolf Knie freut sich auf den Besuch im Städtli – nicht nur aufgrund der Freundschaft mit Galerist Pius Fischbach.
Marco Huwyler
Herr Knie, in Bremgarten sind Sie mittlerweile Stammgast. Wie kommts eigentlich, dass ein berühmter Schweizer Maler regelmässig in einem beschaulichen Aargauer Städtli ausstellt?
Rolf Knie: Das ist ganz meiner engen Freundschaft zu Pius zu verdanken. Seit ich in den 80er-Jahren angefangen habe, professionell zu malen, war klar, dass ich mit ihm zusammenarbeiten würde. Pius verkaufte damals Rahmen. Schliesslich hat er hier 2003 eine Galerie eröffnet. So kam eines zum anderen. Und es gab nie einen Grund, ihm oder Bremgarten den Rücken zu kehren. Im Gegenteil. Es ist wunderschön hier (lächelt).
Ihren Ursprung hat Ihre Freundschaft beim Fussball.
Genau. Das ist ein paar Jahre her (schmunzelt). Wir waren einst in den 60er-Jahren hoffnungsvolle Talente und haben uns quasi auf dem Platz kennengelernt. Schnell entwickelte sich daraus eine Freundschaft. Pius hat es später gar in die Nationalmannschaft geschafft. Meine Sportkarriere war schneller vorbei.
Dabei sagt man, dass Sie es weit hätten bringen können.
Gut möglich. Doch plötzlich hat mich die Zirkuskarriere mehr gereizt. Vor allem die Handelsschule, die ich als Fussballjunior parallel absolvierte, hing mir zum Hals raus. Und ich sah den Glamour, den mein Bruder im Zirkus erfuhr. Wie die Mädchen ihn umschwärmten.
Haben Sie den Entscheid damals, Ihre Zelte in Zürich abzubrechen und dem Zirkus nach Lausanne zu folgen, je bereut?
Bereut ist ein zu starkes Wort. Man sollte im Leben möglichst nichts bereuen. Und es ist alles gut so, wie es gekommen ist. Ich bin mehr als zufrieden damit. Aber ich denke oft an die Fussballzeit zurück. Auf dem Platz war ich glücklich. Ich habe im Leben nie mehr etwas gemacht, wo ich den meisten anderen so überlegen war wie im Fussball. Da fragt man sich manchmal schon, wohin dieser Weg geführt hätte.
Berühmt sind Sie auch so geworden. Zuerst als Artist in der einzigartigen Dynastie des Schweizer Nationalzirkus. Später als Maler.
Wobei das eine in das andere hineinfliesst. Meine ungebrochene Leidenschaft für die Zirkus- und Artistenwelt widerspiegelt sich in meinen Bildern und Motiven. Das finde ich schön und es verleiht dem Ganzen eine Authentizität und Glaubhaftigkeit, die wichtig ist in der Kunst. Schliesslich ist sie vor allem auch Selbstverwirklichung. Wenn ich eine Zeit lang nicht malen kann, werde ich grantig. Fragen Sie mal meine Frau (lacht).
Zu dieser Authentizität trägt auch das Material bei, auf dem Sie malen. Stoff ehemaliger Knie-Zirkuszelte.
Ja, ich habe mir damals die zwei letzten geschnappt, bevor in den 80er-Jahren die Zelte ganz auf Kunststoff umgestellt wurden. Von Zeit zu Zeit schneide ich wieder ein paar Fetzen ab (schmunzelt).
Wie lange reicht der Vorrat?
Da brauche ich mir momentan keine Sorgen zu machen. Wohl bis zu meinem Tod, selbst wenn ich sehr alt werden sollte. Ich habe aber meine Frau angewiesen, den Rest im Falle eines unerwartet vorzeitigen Ablebens zu verbrennen.
Ernsthaft?
Ja. Ich möchte nicht, dass jemand anderes darauf malt oder die Zeltreste andersartig verwendet. Der Stoff passt zu niemandem so wie zu mir und meiner Kunst. Ich habe unter diesen Planen gelebt. Bin dort aufgewachsen. Und sie sind heute ein Alleinstellungsmerkmal von meinen Werken geworden. Ich wünsche mir, dass das so bleibt.
Sie sind jetzt 75-jährig. Also eigentlich längst im Pensionsalter. Wie viel arbeitet Rolf Knie heute noch?
Ich habe nie aufgehört oder bewusst reduziert. Es sind immer noch mehrere Tage pro Woche. Und das jeweils von morgens bis abends. Ich bin getrieben. Das ist das Los des Künstlers. Wenn ich nicht male, frage ich mich ständig: Habe ich noch Ideen? Und wenn ja – wären diese noch gefragt? Das ist aber nicht negativ gemeint. Ich habe unglaublich Freude an der Kreativität und am Schaffen. Das erfüllt mich. Wenn ich am Morgen um 5 oder 6 Uhr anfange, Musik einstelle und nach und nach das Gezwitscher der verschiedenen Vögel einsetzt, macht mich das glücklich. Das Böse auf der Welt ist dann ganz weit weg.
Für Ihre Zirkusmotive und facetten- und detailreichen Tiermalereien sind Sie schweizweit berühmt. Hat es Sie nie gereizt, vom Zirkus wegzukommen, sich ganz anders zu verwirklichen?
Doch, natürlich. Und das habe ich auch zur Genüge gemacht. Ich habe viel anderes gemalt. Auch ganz andere Stile. Bloss interessiert das die meisten wenig. Gefragt ist das, wofür man mich kennt. Auch das Los eines Künstlers. Wie ein Sänger, der an jedem Konzert jahrzehntelang die gleichen zwei, drei Lieder spielen muss, welche die Leute hören wollen.
So sind auch in Bremgarten am Samstag wieder viele neue faszinierende Tierbilder zu sehen. Wobei auch Sie gefragt sein werden als auskunftsfreudiger Schöpfer.
Das ist so. Eine Vernissage ist Knochenarbeit (lacht). Auch dort bin ich jeweils ein bisschen gefangen als witziger Sali-Siech (schmunzelt). Aber grundsätzlich mag ich den Gang mit meinen Kunstwerken zu meinem Publikum sehr. Ich freue mich auf den gesellschaftlichen Aspekt und auf das Wiedersehen. Viele, die schon öfter da waren, sind gespannt, was sie diesmal erwartet. Und auch für mich ist es ungemein spannend, ob es und was den Menschen gefällt. Oft werde ich auch überrascht. Kunstwerke, von denen ich dachte, da ist dir aber richtig was gelungen, finden kaum Beachtung. Oder umgekehrt sind Werke begehrt, die ich persönlich nicht unbedingt so eingeschätzt hätte.
Finden Sie bei Ihren Abstechern hierher eigentlich auch gelegentlich Zeit für Dinge abseits Ihrer Kunst?
Ich reise jedes Mal etwas früher an, damit ich mir noch einen ausgedehnten Spaziergang am Reussufer und einen Altstadtbummel gönnen kann. Die Bremgarter dürfen sich glücklich schätzen, hier leben zu dürfen. Es ist einfach wunderschön hier und ich geniesse es. Wobei das nicht immer so war.
Wie meinen Sie das?
Meine ersten Erinnerungen im Zusammenhang mit Bremgarten sind nicht gerade positiv. Als wir mit dem Circus Knie früher hier durchreisen mussten, hat jeder gestöhnt. Das Verkehrs-Nadelöhr Altstadt haben wir fast nie unbeschadet überstanden. Irgendein Wohnwagen oder Anhänger schlug immer irgendwo an (lacht). Zum Glück vergangene Zeiten. Auch aus musischer Sicht hat das Städtli ohne Blechlawinen eine ganz andere Qualität.
Wenn Sie Werbung für Ihre Ausstellung machen müssten – worauf kann man sich nächste Woche am Bogen freuen?
Bei gelungener Kunst reichen Worte nicht aus, um sie zu beschreiben. Gewiss schwierig für einen Journalisten, ich weiss (schmunzelt). Aber es ist leider so, dass man einem Kunstwerk mit Sprache nicht gerecht werden kann. Schon nur, weil es bei jedem wieder andere Eindrücke hinterlässt. Deshalb sind alle herzlich zum Bogen eingeladen, um meine Bilder unmittelbar auf sich wirken zu lassen.
Rolf Knie, «Neue Werke 2024 und Raritäten». Art Pius Fischbach, Am Bogen 6, Bremgarten. Ausstellung vom Samstag, 2. November, bis Sonntag 10. November. Weitere Infos: www.art-fischbach.ch.