Entdeckungsreise voller Faszination
23.05.2025 WohlenEine Biografie wird zum Krimi
Caroline Doka, in Wohlen aufgewachsen, kreierte ein Buch über den Briefmarken-Pionier Durheim
Carl Durheim ist vor allem Philatelisten bekannt. Caroline Doka erweckte ihn zum Leben.
...Eine Biografie wird zum Krimi
Caroline Doka, in Wohlen aufgewachsen, kreierte ein Buch über den Briefmarken-Pionier Durheim
Carl Durheim ist vor allem Philatelisten bekannt. Caroline Doka erweckte ihn zum Leben.
Daniel Marti
Das Buch wird in den Kreisen der Philatelie gefeiert. Weil es so umfassend und vielfältig ist, bekommt das Werk «Carl Durheim. Eine Berner Geschichte» auch über die Briefmarkenwelt hinaus ganz viele Komplimente. Das Buch wurde sogar mit «Grossgold» ausgezeichnet. Verantwortlich für diese Erfolgsgeschichte ist Caroline Doka. Sie ist in Wohlen aufgewachsen und Kolumnistin dieser Zeitung, Sie wagte sich an Carl Durheim heran. Entdeckte Vergessenes, recherchierte die spannende Familiengeschichte und führte etliche Interviews. Es sei erfreulich, dass sich das Buch schon fast wie ein Roman lese und auch «zur Klärung der Familiengeschichte» beigetragen habe, sagt beispielsweise Jean-Paul Bach, Geschäftsführer der Stiftung zur Förderung der Philatelie. Er äusserte auch den Wunsch, dass Caroline Doka diese Biografie schreibt. Die Geschichte habe sogar das Zeug «zum Krimi rund um Liebe und Tod», erklärt die Buchautorin. Nun kennt sie Carl Durheim, wie wenn er zur Familie zählen würde. Das ist eine eindrückliche Wandlung. Kaum vorstellbar, dass sie genau vor einem Jahr diesen Namen «googeln» musste.
Caroline Doka, in Wohlen aufgewachsen und Kolumnistin dieser Zeitung, hat die Biografie über Carl Durheim geschrieben
Es ist eine Berner Geschichte. Von einer Wohlerin geschrieben. Eine Biografie über Carl Durheim, Hersteller der ersten eidgenössischen Briefmarken vor 175 Jahren. Entstanden ist eine spannende Familiengeschichte. Ein Krimi sogar. Caroline Doka, die Autorin, entdeckte auch mysteriöse Geheimnisse. Ihr Buch und Durheim wurden für sie zur Herzensangelegenheit.
Daniel Marti
Sie drückt das Werk fest an sich. Und strahlt. Die Biografie über Carl Durheim ist für Caroline Doka eine Art Lebenswerk. Sie umfasst über 330 Seiten – voller Historie und Vielfalt. Es ist ihr Erstlingswerk als Buchautorin. Ein spannendes, bisher unentdecktes Leben hat die Journalistin recherchiert und zu Papier gebracht.
Nur, Carl Durheim? Wer ist denn das? Immerhin hat er die gleichen Initialen wie die Autorin. C.D. «Das klang schon mal verlockend. Aber ich habe nichts über diese Person gewusst, ihren Namen nie gehört. Ich musste ihn zuerst googeln», sagt Caroline Doka ganz ehrlich. Carl Durheim (1810– 1890), sagt Mister Alleswisser Google, war ein Schweizer Lithograf und einer der ersten professionellen Fotografen in der Schweiz. Im Auftrag des Bundes stelle er Briefmarken her und Fahndungsfotos. «Das ist Geschichte, das ist Kultur, das fasziniert mich.» Damit meint Caroline Doka vor allem die Fahndungsfotografien.
Der grosse Reiz und «Grossgold»
Inzwischen faszinieren sie auch die alten Briefmarken. Doch vor einem Jahr fand sie diese eher langweilig. Dies war vor allem ihre erste Reaktion, als Jean-Paul Bach, Geschäftsführer der Stiftung zur Förderung der Philatelie, bei ihr nachfragte, ob sie eine Jubiläumsbiografie über den Hersteller der ersten eidgenössischen Briefmarken interessieren würde. «Es hat mich schon immer gereizt, in den Archiven zu forschen und tief in ein Leben zu blicken.» Und sie sagte zu. Das war vor einem Jahr.
Naiv sei sie gewesen bei ihrer Zusage, räumt die Autorin heute ein. Denn ihr blieb nur ein Jahr Zeit, die Biografie musste zum 175-Jahr-Jubiläum der ersten eidgenössischen Briefmarken erscheinen. Jetzt, im Mai 2025. Pünktlich.
Ein knappes Jahr lang enorme Belastung und intensive Präsenz dieses Carl Durheim. Sie hats geschafft. Die Vernissage an der Briefmarkenmesse Bernaba und eine erste Auszeichnung in Bern gingen bereits feierlich über die Bühne. Das Buch wird in der Branche der Philatelie gefeiert. An der Philatelistengala hat es den Preis in der Sparte Literatur abgeräumt – es holte «Grossgold», was für eine Bezeichnung. «Das ist die höchste Aufmerksamkeit und Anerkennung», freut sich die Buchautorin.
Puzzleteile zusammengetragen
Welche Wendung und Entwicklung. Denn: «Vor einem Jahr hatte ich keine Ahnung, welcher enorme Aufwand vor mir lag.» Nun ist Carl Durheim gefühlt ein Teil von Caroline Doka. «Vom Niemand ist er für mich zum guten Bekannten geworden, er ist in mein Leben eingetreten.» Sie näherte sich dem Menschen Carl Durheim an. Und sie begegnete mit Isabelle Durheim der letzten Nachfahrin mit diesem Namen in der Schweiz, die Bewahrerin des Familiennachlasses. «Es gibt viel Unbekanntes, etliche mysteriöse Geheimnisse und Privates», schreibt Doka in ihrem Vorwort. «Dank minutiösen Recherchen, Hartnäckigkeit und Glück konnten etliche Puzzleteile gefunden werden.»
Sie entdeckte Randgeschichten, die nicht nur Licht auf das Leben der Durheims werfen, sondern auch auf Bern und die damalige Zeit. Sie ist auf Faszinierendes und Vergessenes gestossen.
Auf diesem Buchmarathon wurden für Caroline Doka ganz viele Nächte zu Arbeitsstunden. Sie empfand das Werk trotzdem nie als Last, denn die Begeisterung hielt das Feuer am Brennen. Und trieb sie an. Davon hat sie auch in Kolumnen in dieser Zeitung geschrieben. «Natürlich war es ein Riesenstress, darüber hinaus mussten ja auch noch meine anderen Jobs weiterlaufen», gibt sie zu. Aber sie hätte sich nie erträumen können, was alles hinter der Person Carl Durheim steckt. Uneheliches, vom Vater jedoch anerkanntes Kind, das selbst uneheliche Kinder hatte. Er sprach in seinen Aufzeichnungen immer wieder von seiner Mutter, aber ihren Namen verriet er nie. Durheim war Fotopionier und begeisterter Bergsteiger. Schaffenskraft, Neugier und Optimismus prägten die gewinnende Persönlichkeit.
Beim Joggen zum Konzept
Das Buch ist in zwölf Akte aufgeteilt: Vom «Durheim-Zimmer» bis zu «Der Vorhang fällt». Das Werk ist zudem angereichert mit zwölf Interviews: mit Isabelle Durheim (die letzte Durheim) bis zu Alt-Bundesrat Adolf Ogi, der wie Durheim die Berge liebt. Ihm durfte sie das Werk persönlich übergeben.
Übrigens, auf einer Joggingrunde hatte sie die Eingebung für das gesamte Buchkonzept, eine spezielle Art, Ideen zu kreieren. Noch in den Laufschuhen diktierte sie alles in ihr Handy – auch darum präsentiert sich die Biografie wohl so lebendig und leichtfüssig. «Carl Durheim. Eine Berner Geschichte» ist darüber hinaus auch eine Doka-Familienstory. Jon Paul Lohmann ist Grafiker und verantwortlich für Cover und Gestaltungskonzept. Und er ist der Sohn von Caroline Doka. Er habe ein frisches, modernes Layout für ein altes Thema gewählt, freut sie sich und strahlt, «total schön. Paul für dieses Buch im Boot zu haben, war mein grösstes Glück.»
Über Erforschtes und das Durheim-Leben könnte sie unentwegt schwärmen. Denn am liebsten ist sie tatsächlich als Ahnenforscherin tätig. «Es ist meine Leidenschaft, längst vergessene Sachen herauszufinden. Zu erforschen, wer unsere Vorfahren waren.» Die Frage drängt sich auf: Wer ist denn sie? Freie Journalistin, Reisebegleiterin, Buchautorin. Und Suchende? Journalistin sei sie immer weniger, erklärt die 62-Jährige. Hauptsächlich führt sie heute in Basel Präventionsworkshops an Schulen zu psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen durch. Jedenfalls ist Caroline Doka «voll ausgelastet».
Ein Buch über die Schwabenkinder?
Wenn sie recherchiert, dann ist sie stets auch Suchende. Auch in eigener Angelegenheit. Natürlich, ihre eigenen Ahnen hat sie erforscht. Ein Familienzweig reicht ins Calancatal, ins Bündnerische, einer nach Deutschland und Ungarn. Überall stiess sie auf bewegende Geschichten. Eine davon handelt von den Schwabenkindern. Als Schwabenkinder werden Bergbauernkinder bezeichnet, die einst aufgrund der Armut ihrer Familien zu Fuss zu den «Kindermärkten» hauptsächlich nach Oberschwaben zogen, um dort als Saisonarbeitskräfte ihr Brot zu verdienen.
Doka fand heraus, was niemand in ihrer Familie wusste: Ihr Urgrossvater und seine Brüder waren Schwabenkinder. «Eigentlich wollte ich ein Buch darüber schreiben, aber dann kam mir die Durheim-Biografie dazwischen», verrät sie. «Aber jetzt sind die Schwabenkinder an der Reihe, sie sind mein Herzensprojekt.» So könnte Caroline Doka ihrem Grossvater und anderen längst vergessenen Schwabenkindern «ein Gesicht geben». Ähnlich wie im Carl-Durheim-Projekt.
Die ideale Partnerin
Dank Carl Durheim ist die Baslerin, die in Wohlen aufgewachsen ist, definitiv auf den Geschmack gekommen. Zudem ist auch der Auftraggeber von der Biografie begeistert – und von der talentierten Autorin. Die Philatelisten lobten vor allem die Sorgfalt, die Caroline Doka vorgelebt hat. Und alle Ideen seien toll umgesetzt worden, lassen sie ausrichten. Mit Caroline Doka sei die «ideale Partnerin zur Umsetzung der Mammut-Aufgabe gefunden» worden, schreibt Kurt Strässle, Präsident der Stiftung zur Förderung der Philatelie. Die Biografie sei «wortgewandt formuliert und packend zu lesen».
Worte, die Caroline Doka mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis nimmt. Sie habe die Leserschaft gerne mitgenommen auf diese Entdeckungsreise zum Menschen Carl Durheim. «Die auch zu einem spannenden Krimi geworden ist, sogar Carl Durheims Mutter konnte ich identifizieren.»
Biografie, Krimi, Mysteriöses, Historie. Dieser Carl Durheim wurde 135 Jahre nach seinem Tod wieder zum Leben erweckt. Irgendwie ein Kunstwerk. Darum bleibt ein Moment für ewig hängen: Als die Autorin das fertige Buch erstmals in den Händen hielt, war sie «unglaublich happy». Stolz sei sie gewesen, voller Freude, sagt Caroline Doka – und sie drückt das Buch erneut an sich und setzt ihr schönstes Lächeln auf.
Spur führt ins Freiamt
Fahndungsfotos im Bundesarchiv
Carl Durheim, das ist eine Berner Geschichte, weil die Durheims in Bern lebten und arbeiteten. Die Spuren reichen natürlich weiter, nach Basel und bis in die USA. Eine Spur führt auch ins Freiamt. Und diese hat Caroline Doka, Buchautorin und Familienforscherin, weiter verfolgt. In Bünzen lebt Marco Majoleth. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern. Im Bundesarchiv befindet sich die Sammlung der Fahndungsfotos, die Carl Durheim 1852 bis 1853 im Auftrag des Bundesrates herstellte. Über 100 Jahre lagerten sie in den Dossiers der Heimatlosen. «Lange waren die Fahndungsfotos vergessen – heute sind sie aktueller denn je», schreibt Doka, die Marco Majoleth besucht hat. Für das Buch entstand dabei ein sechsseitiger Beitrag mit Interview und einer Bildauswahl.
Marco Majoleth ordnet ein: «Mit den Fahndungsfotos ist ein aussergewöhnlicher Bestand überliefert. Es handelt sich dabei um die erste Sammlung von Fahndungsfotografien der Schweiz – vielleicht sogar der Welt.» Die Bundesanwaltschaft habe damals versucht, eine ganze Bevölkerungsgruppe für die polizeiliche Ermittlung fotografisch festzuhalten. Es ging um die sogenannten Heimatlosen. Diese Menschen wurden zur Sesshaftigkeit gezwungen. «Man beraubte sie ihrer Existenz», so Majoleth. Bei der Sammlung im Bundesarchiv handelt es sich um 223 Fotografien und um 38 lithografische Bögen. Die Heimatlosen wurden von Carl Durheim fotografiert und die Salzpapierabzüge dem Bundesanwalt übergeben. Erst in den 1990er-Jahren wurden die Fotografien für ein breites Publikum sichtbar. --dm
«Traumhaft schön»
Zwei Fixpunkte: Basel und Wohlen
Sie mag Basel über alles. Und Wohlen wird ewig ihre Heimat bleiben. Caroline Doka, die Freiämterin, die nur wenig den Basler Dialekt angenommen hat und ihrem Freiämter-Deutsch treu geblieben ist, hat also zwei geografische Fixpunkte in ihrem Leben. In Wohlen ist sie aufgewachsen, von hier aus startete sie ihre berufliche Karriere. «In Wohlen lebten meine Eltern», betont sie. Und zu Wohlen pflegt sie noch immer «einige Herzensverbindungen». Dass sie langjährige Kolumnistin dieser Zeitung ist, beweist ebenfalls ihre Verbundenheit mit dem Freiamt. «Wohlen ist und bleibt für immer meine Heimat», sagt sie.
Trotz allen so positiven Verbindungen nach Wohlen und ins Freiamt ist Basel ihr geliebter Lebensraum. «Vor allem auch, weil meine Söhne hier wohnen.» Seit 30 Jahren lebt sie an der Stadtgrenze Basels. «Basel ist eine tolle Stadt, traumhaft schön», erklärt die Buchautorin. Sie schätzt die Offenheit zu den Grenzländern Frankreich und Deutschland, das wunderschöne Umland für ihre Velo- und Joggingtouren und das reichhaltige kulturelle Angebot der Stadt. Mit Gästen auf die Münstertürme zu steigen und den Rhein zu bestaunen, sei einfach toll. Auch beruflich ist Basel zu einem Fixpunkt geworden. Doka hat sich des Themas psychisch kranke Jugendliche angenommen. Ein wachsendes Problem in der Gesellschaft. Sie bekleidet das Co-Präsidium der Psychiatriekommission beider Basel.
Und in diesen Tagen ist sie natürlich auch im Fussballfieber. Der FC Basel ist soeben Schweizer Meister geworden. «Klar, mein Herz schlägt für den FCB», sagt sie voller Freude. --dm