«Einfach schade»
08.03.2024 BremgartenNur acht Monate nach der Eröffnung geht die Stadthof Bremgarten AG Konkurs
Noch am Montag hatte die berühmte Gaststätte eingangs der Bremgarter Altstadt ganz normal geöffnet. Am Dienstag dann der Schock: Der Stadthof ist per sofort dauerhaft ...
Nur acht Monate nach der Eröffnung geht die Stadthof Bremgarten AG Konkurs
Noch am Montag hatte die berühmte Gaststätte eingangs der Bremgarter Altstadt ganz normal geöffnet. Am Dienstag dann der Schock: Der Stadthof ist per sofort dauerhaft geschlossen. Die Bilanz deponiert. Ein Ende mit Schrecken, das sämtliche Beteiligten bedauern.
Marco Huwyler
«Es ist ein trauriger Anlass, zu dem wir uns heute treffen», sagt Renato Rocchinotti. Gemeinsam mit den Mitbesitzern Markus Koller und Urs Stocker und dem bisherigen Koch und Betreiber Matthias Künzi informiert er über das Aus des Restaurants in seinem Stadthof. Dem Gebäude, das er vor rund drei Jahren auch aus viel Idealismus erworben hatte und in dem er das Wirten für die ganze Bevölkerung wieder möglich machen wollte. Die vier anwesenden Männer demonstrieren Geschlossenheit. Dass auch der unglückliche Gastwirt am Tisch Platz genommen hat, soll zeigen, dass keinerlei Groll herrscht zwischen den Beteiligten. «Wir gehen ohne böses Blut auseinander», betont dieser dann auch. «Es hat einfach nicht geklappt, obwohl wir uns dies alle sehr gewünscht hätten.»
Kein Restaurant für alle
Letztlich hat der Stadthof, so wie er geführt wurde, nicht rentiert. Aus unterschiedlichen Gründen. Obwohl die Voraussetzungen hervorragend waren. Gross war die Euphorie bei der Eröffnung im vergangenen Juli. Die Leute in Bremgarten freuten sich aufrichtig auf das neue alte Restaurant, das so vielen im Städtli am Herzen liegt und mit dem so mancher schöne Erinnerungen verknüpft. Entsprechend gross war denn auch der Auflauf in den ersten Wochen. «Die Leute rannten uns fast die Tür ein», sagt Künzi. Gegen 500 Gäste pro Tag durfte der Stadthof in den ersten Tagen bewirten. Ein zweischneidiges Schwert indes. Denn so schön der Zuspruch aus der Bevölkerung war – das Wirteteam war vom Ansturm auch überfordert.
Das resultierte in unzufriedenen Gästen, die mit Bedienung und Bewirtung nicht zufrieden waren. Und entsprechend auch nicht mehr so schnell ein zweites Mal kamen. Hinzu kam, dass das Konzept des Wirteteams um Künzi und Remo Siebers markant von dem abwich, was sich Renato Rocchinotti gewünscht hätte und was dieser auch mehrmals im Vorfeld öffentlich kundtat. Denn Rocchinotti wollte mit dem Stadthof wieder eine Gaststätte für alle schaffen. Die Betreiber offerierten aber eher gehobene Küche mit entsprechenden Preisen. Stammtisch-Atmosphäre suchte man im Stadthof daher vergebens. Und auch für Familien mit (kleinen) Kindern war das Restaurant sowohl ungeeignet als auch unerschwinglich. Das Restaurant war letztlich kein Treffpunkt für jedermann von «Holzklasse» bis «Polsterklasse» – sondern orientierte sich ausschliesslich an Letzterem. So zumindest war schnell einmal die Aussenwahrnehmung. Mit den entsprechenden Konsequenzen, was die Gästezahlen anbelangt.
Das Rätsel um das schnelle Ende
Dennoch wähnten sich Künzi und Co. auch nach dem schwierigen Start auf gutem Weg. Im November ist man mit den Investoren zum letzten Mal zusammengesessen. «Damals wurde uns versichert, dass man auf Kurs sei», sagt Investor Markus Koller. Und offenbar glaubte man das vonseiten der Betreiber auch. Denn nach anfänglich gegenseitig anderen Erwartungen hatten sich das Wirteteam und eine passende Gästeschaft gefunden. «Wir konnten uns eine wachsende Stammkundschaft aufbauen», bekräftigt Künzi. «Zuletzt lief es immer besser. Und wir hatten Anlass für Optimismus. Die Sommersaison stand vor der Tür.» – Bloss: die Schulden wuchsen weiterhin und die Finanzlage wurde immer prekärer. Zuletzt konnten die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden, die Anfang Jahr in geballter Zahl ins Haus flatterten. «Wir haben wochenlang händeringend Lösungen gesucht. Doch dann mussten wir einfach ein Einsehen haben und die Reissleine ziehen», sagt Künzi.
Insgesamt 8 Mitarbeiter sind von der Schliessung betroffen. Dass es mit ihrem Restaurant nicht mehr weitergeht, haben sie erst kurzfristig erfahren. Wie auch Investoren und Kunden. Noch vor Kurzem wurden Reservationen angenommen. Geschäftspartner lieferten bis zuletzt Frischwaren an den Stadthof. Noch am Montag war der Betrieb geöffnet, als wenn nichts wäre. Weshalb es zuletzt so schnell ging und weshalb das Ende so überstürzt anmutet, kann oder will auch Künzi nicht schlüssig erklären. Er betont nur immer wieder, dass man sich gezwungen gesehen habe. «Glauben Sie mir. Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wirklich nicht. Es war sehr, sehr schwer, aber letztlich alternativlos», sagt er wiederholt.
Anlaufzeit eigentlich einkalkuliert
Letztlich ist die Schliessung wohl das Resultat fehlender Erfahrung und grober Fehlkalkulation. Das Missverhältnis scheint so gross gewesen zu sein, dass man es als unmöglich erachtete, sich mittelfristig mit Korrekturen vom schwierigen Start zu erholen. Obwohl man diesen eigentlich einkalkulierte. Denn die meisten neuen Betriebe benötigen eine gewisse Anlaufzeit, bis sie wie gewünscht funktionieren und schwarze Zahlen schreiben, das wusste man auch beim Stadthof. Für das junge Wirteteam gilt es für die Zukunft die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Künzi und seine Mitstreiter wissen noch nicht, wohin die Reise geht. Ihre Stadthof Bremgarten AG ist einstweilen Konkurs. Das müssen sie zuerst einmal sacken lassen. «Und das Kapitel zu einem anständigen und möglichst sauberen Ende bringen», wie Künzi es nennt.
Auch Pachterlass hätte nichts gebracht
Beide Seiten – Eigentümer und Betreiber – streichen heraus, dass das schnelle Scheitern des neuen Stadthofs mitnichten an den Bedingungen gelegen hat. Das Restaurant ist auf dem modernsten Stand, die Räumlichkeiten genügen höchsten Ansprüchen. Und auch der Pachtzins, den die Betreiber an die Investoren zu entrichten hatten, war nicht überrissen. «Im Gegenteil. Wir haben die Wirte zu Beginn gefragt, was sie bezahlen können. Wie es für sie wirtschaftlich aufgeht. Und haben erst dann gemeinsam den Betrag festgelegt», sagt Rocchinotti. Anfeindungen, mit denen er sich bereits konfrontiert sieht, wonach die Schliessung auch an überrissenen Ansprüchen der Eigentümer gelegen hätte, weist er daher aufs Schärfste zurück. «Solches zu hören und zu lesen, tut sehr weh, weil es in unserem Fall einfach überhaupt nicht stimmt. Die Verzinsung, die wir verlangen, ist bescheiden. Wohnungen würden ein Vielfaches bringen.»
Rocchinotti betont auch, dass man vonseiten der Eigentümer auch einer Zinsreduktion entsprochen hätte, wenn es das Überleben des Restaurants sichergestellt hätte. «Denn dann wären wir ihnen weiter entgegengekommen», sagt er. Letztlich ist es aber wohl so, dass selbst ein vollständiger Erlass der Pacht das Restaurant Stadthof in seiner bisherigen Form nicht hätte retten können. Zu ausgeprägt war das Missverhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen. Das räumt auch Betreiber Matthias Künzi ein.
Definitiv wieder ein Restaurant
So wird sich in den kommenden Wochen und Monaten der Konkursrichter mit dem Stadthofinventar beschäftigen. Wie lange dies dauert und die Räumlichkeiten des Restaurants wieder zur Nutzung freigegeben werden, steht momentan noch in den Sternen. Fest steht einzig: Das Erdgeschoss des Stadthofs inklusive Terrasse soll ein Restaurant bleiben. Im Hintergrund werden die Investoren in den kommenden Wochen Gespräche mit potenziellen Nachfolgern führen. «Ziel ist es sicher, dass das Restaurant diesmal wirklich bodenständig und volkstümlich bleibt», sagt Rocchinotti. Und Stocker ergänzt: «Ideal wäre für mich ein Wirtepaar alter Schule.» Für das Gelingen ihrer Vision von einem Stadthof für alle wollen die Investoren jenen langen Atem beweisen, der den bisherigen Betreibern letztlich abging.