Einblicke in den Wissensschatz
11.06.2024 WohlenKunstführung der Kunstkommission durch Wohlen: Daniel Güntert informierte umfassend
Es gibt sie, die versteckten Kunstwerke in der Gemeinde Wohlen. Lokalhistoriker Daniel Güntert brachte sie den Interessierten näher. Ob Kirchenschiff, altes ...
Kunstführung der Kunstkommission durch Wohlen: Daniel Güntert informierte umfassend
Es gibt sie, die versteckten Kunstwerke in der Gemeinde Wohlen. Lokalhistoriker Daniel Güntert brachte sie den Interessierten näher. Ob Kirchenschiff, altes Gemeindehaus oder ehemalige Tuchhandlung – Güntert lüftete mit seiner Kunstführung so manches Geheimnis.
Daniel Marti
Wenn es sein muss, dann legt er sich auch auf den Boden der katholischen Kirche. Damit hat er einen freien und guten Blick auf die Malereien am Kirchendach. Und so kann er auch spezielle Gegebenheiten bestens erklären. Lokalhistoriker Daniel Güntert sei eben ein idealer Partner mit einem riesigen Wissensschatz, erklärte Verena Schütz, Co-Präsidentin der Kunstkommission. In welcher Lage auch immer, Güntert kennt Wohlens Geschichte ausgezeichnet. Er weiss über unzählige Wohler Hintertürchen und sogar über den katholischen Kirchenhimmel Bescheid, heisst es. Stimmt. Güntert, der Wohlen-Experte, der bei der Kunstführung durch Wohlen glänzte.
Die Maria im Kirchenschiff
Und ganz am Anfang des Rundgangs, der von der Kulturkommission organisiert wurde, legte er sich tatsächlich auf den Rücken und zeigte so, dass die Maria auf einem Kirchenbild drei Hände hat. Dies ist bei der Restauration im Jahr 1970 passiert. Das alte, übermalte Bild wurde entdeckt, restauriert und ergänzt. Mit einer Hand zu viel.
Auch sonst weiss Güntert ganz viel Wissenswertes zu erzählen. Die imposante Kirche, im Bau von 1804 bis 1808, wurde in einem «Rekordtempo errichtet, und damals war der Beton noch nicht erfunden und das Gerüst war aus Holz». Nach zwei Jahren Bauzeit war Aufrichte. Architekt war Niklaus Purtschert aus Luzern. Damals ein Stararchitekt. Deshalb gibt es laut Güntert diverse ähnliche Kirchen in der Innerschweiz. In Wohlen gibt es einen wesentlichen Unterschied. Der Kirchturm von 1488 blieb erhalten, und im Jahr 1880 erhielt der Turm dann seine heutige Form. Für die Deckengemälde war Leonhard Isler, ein Wohler, verantwortlich. Und nach 100 Jahren erfolgte die erste grosse Renovation. «Dann wurde viel im Barock-Stil modernisiert, das war damals Mode.» Die alten Bilder wurden übermalt – und gingen vergessen. Bei der Renovation in den 70ern hatte der «Restaurator einen Schreckmoment». Denn ein halbes Bild sei praktisch heruntergestürzt, «und so bemerkte man erst, dass hier etwas drunter ist», Und bei der Reparatur habe dann die Maria, unbemerkt, drei Hände bekommen, erklärte Güntert auf dem Rücken liegend und das 13 Meter hohe Kirchenschiff hinaufblickend.
Altes Gemeindehaus noch nicht vergessen
Daniel Güntert ist – natürlich – auch ausserhalb der Kirche sattelfest. Die sogenannten «Willisauer Ringli» vor dem Gemeindehaus, die runde Skulptur, sei ein Geschenk der Ortsbürgergemeinde. Und der imposante Brunnen vor dem Gemeindehaus wurde von Martin Ruf realisiert, dies zur Eröffnung des Gemeindehauses im Jahr 1972. «Er zeigt ein Strohgeflecht und ist eine Hommage an die Strohindustrie.» Das sei erstaunlich, weil doch die Strohindustrie kurz darauf am Ende war (1974). Das Turmkunstwerk ist sehenswert, nur funktioniert das Wasserspiel sei Jahren nicht mehr. Aber reinigen könnte man das Werk, so Güntert, damit es wieder einmal eine Falle mache.
Kunstvoll ist auch die «Rössli»-Fassade. Erbaut wurde das Gebäude 1738 – und es ist seit jeher im Besitz der Familie Wohler. Das Restaurant hat in der Vergangenheit erst Linde, dann Tanne geheissen. Linde, weil gegenüber praktisch immer eine Linde stand. Auf Geheiss des Kantons Aargau wurde dort dann im Jahr 1810 das erste Schulhaus Wohlens errichtet. Das dann später zum Gemeindehaus wurde. Das alte Gemeindehaus ist eine Geschichte für sich, im Jahr 1979 entschied das Stimmvolk, das geschichtsträchtige Gemäuer abzureissen. Nach Schule, Gemeindeverwaltung war dort die offene Jugendarbeit zu Gast. Das schien den Wohlern in den 70er-Jahren «verdächtig», darum sei der Entscheid knapp für den Abbruch gefällt worden, mutmasst Güntert. Und viele Wohlerinnen und Wohler halten heute noch den Abriss für eine schlechte Tat. «Wohler, schämt euch», wurde kurz vor dem Abbruch auf die Fassade gesprayt. Diese Haltung hält sich nun seit 45 Jahren.
Ein Mittagessen für 80 Rappen
Ein Bijou versteckt sich zwischen Bremgarterstrasse und Steingasse. Es sind die beiden Häuser von Beatrice Geissmann. Die Besitzerin, 102-jährig, wohnt heute noch dort. Die Geissmanns stammen aus Hägglingen, als die Strohindustrie von Wohlen aus die Welt eroberte, sind sie nach Wohlen gezogen. 1835 wurde das Haus an der Bremgarterstrasse gebaut, 1906 das Nachbarhaus. Und es waren die Buben von Daniel Güntert, heute sind sie erwachsen, die das alte Firmenschild der Tuchhandlung entdeckt haben. Im Jahr 1921 stellten die Geissmanns das Haus der Tuchhandlung an der Bremgarterstrasse der Gemeinde Wohlen zur Verfügung. Und am 7. Februar 1921 war Eröffnung des vom Frauenverein betriebenen Hauses. Es war von da an eine Art Vorreiter des heutigen Mittagstischs. Der offizielle Name: «Gemeindestube mit alkoholfreier Wirtschaft des Frauenvereins Wohlen». Die Schülerinnen und Schüler vom Haldeschulhaus und von der Bezirksschule waren über den Mittag zu Gast. Ein Mittagessen ohne Fleisch kostete 80 Rappen, mit Fleisch waren es 1.30 Franken.
Die Besitzerin Beatrice Geissmann war übrigens ein Leben lang eine Sammlerin. «Darum», so Daniel Güntert vor den beiden Häusern, «ist das hier auch ein kunstträchtiger Ort.» Die beiden alten Schilder, das Firmenschild und jenes vom Frauenverein, blieben deshalb erhalten.
Ein Brunnen, der doch nicht verschwunden ist
Nicht ganz alles Kunstvolle vom ehemaligen Gewerbeschulhaus wurde dagegen in die Neuzeit gerettet. Das bekannte Turbinen-Rad bleibt verschwunden. «Und der ‹Rössli›-Brunnen, da weiss niemand mehr, wo er geblieben ist», rätselte selbst Daniel Güntert. Um dann eines Besseren belehrt zu werden. Marianne Keusch, ehemalige Einwohnerrätin und Lehrerin, klärt auf: «Der steht im Innenhof des Schulhauses Junkholz.» Da war selbst der Experte baff.
Ein Kunstwerk ist dagegen unverrückbar. Es ziert die Wand des Berufsbildungszentrums bbz Freiamt-Lenzburg: Ein Mosaikbild aus Naturstein, angefertigt von Otto Kuhn. «Es fristet halt ein Schatten-Dasein», so Güntert. Das Mosaik-Gebilde wurde 1956 gespendet von Otto Notter zur Einweihung des damaligen Gewerbeschulhauses. Das Werk trägt den Titel «Aufbruch» und zeigt einen jungen Menschen bei der Arbeit.
Zwei gut gelagerte Schmuckstücke
Einen Bogen zum Gemeindehaus schlug dann Daniel Güntert im alten Werkhof. Dort präsentierte er den Türbogen vom alten Gemeindehaus, ein wahres Schmuckstück. Der wurde nämlich vor dem Abbruch gerettet und Jahrzehnte lang im Werkhof des Bauamtes gelagert. Zum Glück. Daniel Güntert konnte zudem eine Skulptur mit zwei Mädchen präsentieren. Diese stand einst bei der Bezirksschule, sie wurde besprayt, sogar geköpft. Frisch restauriert, wollte man sie nicht mehr beim Schulhaus. Wie der Türbogen des alten Gemeindehauses wurde die Mädchenskulptur im alten Werkhof zwischengelagert. Und vielleicht finden beide einen Platz im Kulturzentrum, das vom Verein für Kultur Wohlen im alten Werkhof realisiert wird. Es sei schon mal schön, dass beide erhalten wurden, so Güntert.
Und zum Abschluss der Kunstführung ging es zum Bildhauer Rafael Häfliger. Dieses Areal sei ein Paradebeispiel für kunstvolle Werke, «hier gibt es immer etwas zu bestaunen. jeder Stein ist hier ein Kunstwerk», so Daniel Güntert abschliessend. Und Verena Schütz, die Co-Präsidentin der Kunstkommission, war begeistert: «Diese Kunstführung ist ein schöner Erfolg. Wir werden wohl eine zweite Führung organisieren.» Gute Idee.