Ein Thema, das polarisiert
29.09.2023 WohlenEinbürgerungen erschweren oder erleichtern – eine hitzige Debatte in der Rösslimatte
SVP-Grossrat Christoph Riner will die Einbürgerungsregeln verschärfen, SP-Grossrätin Lelia Hunziker fordert ein Grundrecht auf den roten Pass nach fünf ...
Einbürgerungen erschweren oder erleichtern – eine hitzige Debatte in der Rösslimatte
SVP-Grossrat Christoph Riner will die Einbürgerungsregeln verschärfen, SP-Grossrätin Lelia Hunziker fordert ein Grundrecht auf den roten Pass nach fünf Jahren in der Schweiz. In der ACLI-Begegnungsstätte Rösslimatte kreuzten sie die Klingen.
Walter Minder
Der Aargauer Grosse Rat hat am 9. Mai mit 69 gegen 63 Stimmen die Motion von Christoph Riner (SVP), Clemens Hochreuter (SVP), Adrian Schoop (FDP) und René Huber (Mitte) «Gute Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Einbürgerung» trotz dessen Ablehnungsvorschlag an den Regierungsrat überwiesen. Die Motion verlangt, dass künftig für das Schweizer Bürgerrecht höhere Deutschkenntnisse erforderlich sind. Zudem sollen auch «kleine Tolggen» im Strafregister stärkere Auswirkungen haben.
Grosses Interesse
Über 50 Interessierte nutzten die Gelegenheit, die Einbürgerungsdebatte der beiden konträren Exponenten Lelia Hunziker und Christoph Riner mitzuverfolgen, darunter unter anderen Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, Gemeindeammann Arsène Perroud und Gemeinderat Roland Vogt.
Gesprächsleiter Mathias Küng zeigte sich sehr erfreut über das grosse Interesse, zumal auch zahlreiche jüngere Besucherinnen und Besucher den Weg in die Rösslimatte gefunden hatten. Er informierte kurz über die diametralen Positionen von Hunziker und Riner zum Thema «Einbürgerungen» – und dann begann eine intensive Debatte von «Wer hier lebt, soll mitbestimmen dürfen» bis hin zu «Das ist der völlig falsche Ansatz».
Pro und Kontra
Für Hunziker ist klar, dass die SVP Einbürgerungen grundsätzlich verhindern will und dass sie mit der Verschärfung der Leumundsvorschriften mit Kanonen auf Spatzen schiesst: «Ein Töffli frisieren oder drei Ladendiebstähle sind für mich kein Grund für eine Ablehnung des Einbürgerungsgesuches. So werden Ausländer doppelt bestraft.» Demgegenüber ist für Riner klar, dass Einbürgerungen den Abschluss einer erfolgreichen Integration bilden «und dazu gehört auch, dass man sich in unserer Sprache gut verständigen kann und sich an unsere Gesetze hält». Die SP-Grossrätin ist überzeugt, dass unser Land auf Zuwanderung angewiesen ist. «Wer in der Schweiz lebt, arbeitet und Steuern zahlt, soll mitbestimmen können. Wer hier geboren wird, soll ein Grundrecht auf den roten Pass haben.»
Doppelbürgerrecht abschaffen?
Für Riner hingegen ist klar, dass die Einbürgerung kein «Gnadenakt» und damit der Beginn des Integrationsprozesses sein darf. Entsprechend verteidigte er die gültige Aufenthaltspflicht von zehn Jahren für Einbürgerungswillige. «Die Forderung, dass nach fünf Jahren ein Einbürgerungsgesuch gestellt werden kann, ist in meinen Augen reine Salamitaktik, morgen fordert die SP drei Jahre und übermorgen überhaupt keine Aufenthaltspflicht mehr.» Klar ist für die SVP: Wer in der Schweiz eingebürgert werden will, hat auf den Pass seines Herkunftslandes zu verzichten, «man muss sich für ein Land entscheiden, wobei bestehende doppelte Staatsbürgerschaften akzeptiert werden». Für die SP ist die Staatsbürgerschaft nur ein Dokument und kein Ausweis für gelungene Integration.
Auch das Thema «Ausbürgerung» kam noch zur Sprache, wobei für einmal kurze Einigkeit herrschte: Wer sich zum Beispiel in der IS aktiv engagiert, verwirkt die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Warum nicht Learning by doing?
Im Anschluss an die von Küng kompetent geführte Debatte stellten verschiedene Besucherinnen und Besucher vertiefende Fragen oder kommentierten sehr engagiert einzelne Voten von Hunziker und Riner: Warum ist die SVP immer gegen Einbürgerungen? Warum nicht Learning by doing statt happige Prüfung? Warum negiert die SP, dass die Schweiz ihre Identität wegen der vielen zugewanderten Kulturen verliert?
Riner und Hunziker gingen sehr sachlich und gleichzeitig engagiert auf die Fragen und Kommentare ein. Zum Abschluss des kontroversen, spannenden und teilweise emotionalen Politabends standen die beiden Nationalratskandidaten für weitere Fragen im persönlichen Gespräch noch einige Zeit zur Verfügung.