Ein Fass ohne Boden
17.11.2023 Künten, Region BremgartenEhemalige Behördenmitglieder machen sich Sorgen um die Finanzen der Gemeinde
Der Küntener Gemeinderat will an der «Gmeind» vom 22. November einen Kredit von 14,7 Millionen Franken für die Erweiterung der Schule und den Neubau einer Turnhalle ...
Ehemalige Behördenmitglieder machen sich Sorgen um die Finanzen der Gemeinde
Der Küntener Gemeinderat will an der «Gmeind» vom 22. November einen Kredit von 14,7 Millionen Franken für die Erweiterung der Schule und den Neubau einer Turnhalle abholen. Die ehemaligen Ammänner Werner Fischer und Enrico Carfora sowie der ehemalige Vizeammann Markus Staubli haben grosse Bedenken am Projekt.
Sabrina Salm
Wie vielerorts benötigt auch die Gemeinde Künten mehr Schulraum. Um Abhilfe zu schaffen, hat der Gemeinderat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ermitteln sollte, wie die Gemeinde dieses Problem lösen könnte. Nachdem im September der Bevölkerung drei Varianten vorgestellt wurden, bringt jetzt die Exekutive die Maximalvariante mit einer zusätzlichen Einfachturnhalle an die kommende Einwohnergemeindeversammlung. Kostenpunkt: 14,79 Millionen Franken. «Der Gemeinderat kam zum Schluss, dass sowohl bei der Schule als auch bei der Turnhalle gleichermassen Handlungsbedarf besteht», erklärte Vizeammann Yves Moser die Beweggründe für diesen Entscheid. Die Variante sieht neben dem Neubau für das Zentrum Unterstufe und die Tagesstrukturen, den Umbauten in Schulhaus und Mehrzweckhalle auch den Neubau einer Einfachturnhalle mit Vereinslokal vor sowie die Aufwertung des Aussenraums. Auch würde der Pavillon abgebrochen. Doch ist das der richtige Weg? «Nein», finden die Alt-Gemeindeammänner Werner Fischer, Enrico Carfora und Alt-Vizeammann Markus Staubli.
Art und Weise hinterfragen
Generell haben sie nichts gegen die Bedürfnisse der Schule und stellen sich einer Erweiterung nicht in den Weg. «Die Lebensdauer des Pavillons kommt an ihr Ende. Mit der Einführung des Lernplans 21 braucht es mehr Räume. Das sind alles Fakten, die uns einleuchten», sagt Werner Fischer. «Wir möchten auch keinesfalls den aktuellen Gemeinderat diskreditieren. Wir wissen alle, was das für eine Arbeit ist, die geleistet werden muss.» Doch die Art und Weise, wie hier fast 15 Millionen Franken, basierend auf einem Strategiepapier, beantragt werden sowie die «unterlassenen wichtigen Abklärungen, die einen wesentlichen Punkt an der Nachhaltigkeit und allfällige Mitbeteiligung Dritter dieses Ansinnens beeinflussen», machen ihnen grosse Sorgen. Enrico Carfora: «Wir haben Bedenken, dass Künten die nun jahrzehntelange angestrebte und realisierte Gesundung der Finanzen innert kurzer Zeit mit Langzeitwirkung zunichte macht.»
Enrico Carfora spricht aus eigener Erfahrung von dem langen Weg der Gemeinde aus einer hohen Verschuldung. Er war von 1998 bis 2009 im Küntener Gemeinderat, davon 12 Jahre als Ammann. «Als ehemaliger Gemeindeammann sollte man sich nicht in die Geschäfte des aktiven Gemeinderats einmischen», ist er der Meinung, sagt aber: «Es gibt Ausnahmen und dies hier ist eine.» Das findet auch Markus Staubli, der von 2014 bis 2020 im Gemeinderat sass und das Amt des Vizeammanns innehatte. «Das, was hier passieren könnte, hat eine zu grosse Tragweite, da darf man nicht wegschauen», sagt der Urküntener. Werner Fischer war ebenfalls zwanzig Jahre, davon 12 Jahre als Ammann, im Amt. Ende 2021 trat er zurück und hielt sich von der Dorfpolitik fern. «Die Bevölkerung ist zu kurzfristig und viel zu wenig involviert in der Entstehung dieses grossen Projekts.» Zwar sei eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, aber nur mit Personen aus der Schule und dem Gemeinderat. Kein Ressortvertreter der Finanzen oder kein Mitglied der Fiko, was eigentlich bei einem solchen finanziellen Umfang üblich wäre. Sie hätten sich auch einen wesentlich breiteren Einbezug der Bevölkerung gewünscht, zum Beispiel auch durch Vertreter aus den verschiedenen Vereinen.
«Die Katze im Sack»
Sie wollen niemanden desavouieren. «Für ein solch grosses Projekt sind die Infos dazu unzureichend.» Das Strategiepapier zeige zu wenig. «Es ist sprichwörtlich die Katze im Sack für sehr viel Geld», sagt Fischer. Über die detaillierte Ausgestaltung und Energetik der Gebäude könne man sich keine Vorstellung machen. Die Diskrepanz des Bevölkerungswachstums, das in drei verschiedenen Berichten völlig unterschiedlich prognostiziert werde, sei ebenfalls störend. «Wir wissen alle, wie schwierig solche Prognosen sind, jedoch gehen diese doch recht weit auseinander.» Ausserdem fragen sie sich, ob alles berücksichtigt worden sei. «Aus den Berichten geht nirgends hervor, ob der Oberstufenvertrag mit Stetten, Niederwil und Fischbach-Göslikon sowie der Mittelstufenvertrag mit Stetten einbezogen wurde», erklärt Fischer. Im Oberstufenvertrag sei festgehalten, dass eine Erweiterung der Oberstufenschulhäuser der zwei Standortgemeinden gemäss Verursacherprinzip von den beschulten Gemeinden finanziell mitgetragen werden müsse. «Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Oberstufenschulhäuser auch erweitert werden müssen und Künten sich mitbeteiligen muss. Darüber finden wir in der Botschaft keine Aussage.» Anders verhalte es sich mit dem Mittelstufenvertrag Künten/Stetten, das heisst, der Mittelstufenstandort Künten muss aufgrund der steigenden Schülerzahl beider Gemeinden erweitert werden. «Uns ist nicht bekannt, ob mit der Gemeinde Stetten Verhandlungen stattfanden in Bezug auf eine Kostenbeteiligung (Verursacherprinzip). Und eine Absicherung des Schulstandortes Künten mit einem entsprechenden langfristigen Kündigungsschutz.» Auch bezüglich der Bedürfnisse einer neuen Turnhalle Standort Künten ist nicht bekannt, ob diese mit den Nachbargemeinden evaluiert wurden (Mitnutzung/-beteiligung), wie dies aktuell in der Regionalplanungskommissionen diskutiert und empfohlen wird.
Unrealistischer Finanzplan
Der Gemeinderat verheimlicht nicht, dass mit einem Ja wahrscheinlich der Steuerfuss erhöht werden müsse. Davon gehen die ehemaligen Behördenmitglieder ebenfalls aus. Sie sehen Schwarz: «Der Finanzplan basiere bis im Jahr 2033 auf dem grössten Bevölkerungswachstum und rechnet dann mit 2320 Einwohnern. Gemäss Metron-Bericht wären es dann erst bereits stagnierende 2071 Einwohner. Der prognostizierte Steuerertrag ist also von der zugrunde liegenden Einwohnerzahl im Jahr 2033 nicht nachvollziehbar.» Ebenfalls sei die Steuerkraft pro Einwohner, die dargestellt wird, nicht nachvollziehbar. «Mit einem Steuerfuss durchgehend mit 104 Prozent würde die Steuerkraft mit 2320 Einwohnern auf 3034 Franken pro Einwohner steigen. Bei gleichbleibender Steuerkraft würden wir uns 2033 mit diesen 2320 Einwohnern in der Höhe des maximalen Steuerfusses von 127 Prozent bewegen.» Einen Plan für die Tilgung der Schulden hätten sie ebenfalls nirgends gesehen. «Wir befürchten, dass mit dieser Investition ein Riesen-Loch aufgehen wird und wir in eine negative Spirale rutschen», erklärt Markus Staubli.
Das Traktandum wird bestimmt für Diskussionsstoff sorgen an der «Gmeind» vom kommenden Mittwoch. Für Fischer, Carfora und Staubli ist bereits jetzt klar: Sie werden einen Rückweisungsantrag mit Bedingungen stellen. Es sollte etappiert, entsprechend der Finanzkraft, die optimal verträgliche Variante gefunden werden.