Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Zugegeben, ich hatte ihn vermisst. Ich habe ihn ja auch schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Wenn ich mich recht erinnere, schon viele Monate oder gar ...
Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Zugegeben, ich hatte ihn vermisst. Ich habe ihn ja auch schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Wenn ich mich recht erinnere, schon viele Monate oder gar Jahre. Es ist immer so eine Sache mit alten Bekanntschaften. Irgendwie lebt man sich auseinander und wenn man sich dann nach einer langen Zeit wieder sieht, hat man Glück, wenn man sich an den Namen erinnert, geschweige denn ein geeignetes Gesprächsthema findet. Man kennt sich zwar, lebte aber in der Zwischenzeit zwei völlig unterschiedliche Leben und sucht krampfhaft nach einer Schnittmenge in der gemeinsamen Vita. Man weiss gar nicht mehr, wie das Gegenüber genau aussieht und hat sich über die Zeit auch selbst verändert.
Es war nicht immer einfach mit meinem Bekannten. Manch eine oder einer meiner Kolleginnen und Kollegen rümpfte die Nase. Wie hältst du den nur aus? Ich könnte das nie. Mir ist der zuwider. Der ist immer so aufdringlich und schleicht sich an.
Wie es dann so ist, man sieht sich plötzlich in der Rechtfertigungsrolle, schliesslich will man nicht schlecht dastehen. Obwohl man das gar nicht unbedingt möchte, streicht man die Vorzüge des Bekannten hervor: Wir hatten es immer gut miteinander. Ich geniesse seine Gesellschaft. Ich finde ihn nicht aufdringlich, eher angenehm. Aber irgendwie kommen einem doch Zweifel. Wie sehen mich die Leute, wenn ich mich mit ihm abgebe? Warum fühle ich mich in seiner Gegenwart geborgen und andere nicht? Liegt es an mir, dass ich ihn eher gemütlich als abschreckend finde?
Normalerweise folgt dann die Entscheidung, ob man sich auf die Seite seiner Kolleginnen und Kollegen stellt oder aber trotz aller Kritik zu seinem Bekannten steht mit allen Konsequenzen. Es gibt einige, die mich wegen ihm nicht mehr besuchen. Zu abschreckend ist die Vorstellung, nur schon in seiner Nähe zu sein. Wenn ich dann argumentiere, er sei ja nur für eine beschränkte Zeit bei mir und man solle sich seinetwegen keine Sorgen machen, ernte ich oft nur ein Kopfschütteln.
Mittlerweile habe ich mich so sehr an meinen Bekannten gewöhnt, dass ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen kann. Ich muss zugeben, er ist mir so fest ans Herz gewachsen, dass ich ihn als Freund bezeichnen würde, besonders wenn er dicht und dick vor meinem Wohnzimmerfenster wabert. Endlich ist er wieder da, der Nebel.