Die Welt geht nicht unter
05.08.2025 WohlenMit Ioannis Dougas hielt ein ehemaliger Zivildienstleistender die Bundesrede im Bifang
Es war seine allererste Rede, die er in seinem Leben hielt. Und das vor Menschen, die er zuvor in seiner Funktion als «Zivi» betreut hatte. Entsprechend nervös war ...
Mit Ioannis Dougas hielt ein ehemaliger Zivildienstleistender die Bundesrede im Bifang
Es war seine allererste Rede, die er in seinem Leben hielt. Und das vor Menschen, die er zuvor in seiner Funktion als «Zivi» betreut hatte. Entsprechend nervös war Ioannis Dougas bei seinem Auftritt. Er löste die Aufgabe dann souverän und sorgte für so manchen Lacher im Saal.
Chregi Hansen
Die eigene Bundesfeier im Bifang hat eine lange Tradition. Denn vielen der Bewohner ist der Weg zur offiziellen Feier auf dem Sternenplatz zu weit. Zudem findet diese am späten Abend statt. Im Bifang wird hingegen schon am Mittag gefeiert. Im schön dekorierten Saal, bei einem feinen Essen und mit musikalischer Unterhaltung. Aber auch mit einer Rede. Die Liste derer, die hier ans Rednerpult traten, ist lang und beeindruckend. Schon mancher prominenter Gast ist hier aufgetreten.
Diesmal gingen die Verantwortlichen einen neuen Weg. Sie wählten keinen externen Redner, sondern einen, der das Bifang von innen kennt. Ioannis Dougas hat im Rahmen seines Zivildienstes zweimal drei Monate im Wohler Alters- und Pflegeheim gearbeitet. Der griechisch-schweizerische Doppelbürger hat die Kanti in Wohlen besucht und studiert derzeit Wirtschaft. «Ich habe mich sehr gefreut, wieder hierherzukommen und auf so viele bekannte Gesichter zu treffen», erklärt er zu Beginn seiner Ansprache. Die Anfrage, hier zu sprechen, habe ihn überrascht. «Ich fühlte mich geehrt. Aber bald auch überfordert. Und ich habe mich gefragt: Was erzähle ich all diesen tollen Leuten?»
Einsatz im Bifang ermöglicht neue Blickwinkel
Dann habe er sich an die vielen Gespräche erinnert, die er in seiner Zeit als Zivildienstleistender im Bifang mit den Bewohnern geführt hat. Dabei habe er Geschichten erfahren, die ihn beeindruckt haben. «Viele von euch haben ein hartes Leben voller Arbeit hinter sich. Und haben heute noch Mühe, Hilfe anzunehmen», so Dougas. In seiner Arbeit habe er ganz viele Unterschiede festgestellt zwischen seiner Generation und jener, die heute im Bifang lebt. Und diese Unterschiede machte er dann zum Thema seiner Ansprache – wobei seine eigene Generation nicht immer gut wegkam.
Viele Menschen der älteren Generation hätten ihr ganzes Leben lang geschuftet, den Jungen von heute sei die Work-Life-Balance viel wichtiger. Viele Ältere waren 30, 40 oder gar 50 Jahre für den gleichen Arbeitgeber tätig, «das zeugt von Loyalität und Verlässlichkeit». Viele Junge würden oft schon nach zwei Jahren das Unternehmen wechseln, weil es irgendwo anders vermeintlich besser ist oder mehr Geld winkt. Was ihn in seiner Arbeit auch beeindruckt habe, sei die Ehrlichkeit und Direktheit der älteren Generation. «Ihr sagt es, wenn euch etwas stört. Aber auch, wenn etwas gut ist. Ich habe hier im Bifang viel mehr Rückmeldungen erhalten als in meinen 25 Jahren vorher.» Die heutige Generation sei hingegen bemüht, immer politisch korrekt zu sein.
Kritik an den Jungen ist kein neues Phänomen
Einen weiteren Unterschied erkannte der Student in der Wichtigkeit des Geldes. «Viele von euch sind gewohnt, mit wenig auszukommen, und sind dennoch zufrieden. Viele Jüngere suchen im Luxus nach dem Glück.» Auch hätten sich viele der Bifang-Bewohner während vielen Jahren engagiert, sei es in Vereinen, Organisationen oder auch in der Gemeinde. Dieses freiwillige Engagement gehe verloren. Auch darum, weil die Jüngeren weniger sesshaft sind und häufiger umziehen. Und während für viele Ältere damals die Gründung einer Familie wichtig war, bleibe die heutige Generation lieber ungebunden. «Wir heiraten, wenn überhaupt, erst später. Dafür lassen wir uns schneller wieder scheiden», erklärte er schmunzelnd. Das gelte auch für die Frage nach Kindern, diese würden viele Jüngere eher als Einschränkung sehen.
Ioannis Dougas zeichnete also ein eher düsteres Bild seiner Generation. Man könne bei diesen negativen Aussagen Angst bekommen, dass die Welt bald untergeht, ist ihm bewusst. «Aber mein Ziel ist ein anderes», betonte er. Denn diese Unterschiede zwischen den Generationen seien kein neues Phänomen, sondern es gebe sie seit Anbeginn der Aufzeichnungen. «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte», sagte schon Sokrates. Kritik der älteren an der jüngeren Generation gibt es seit Jahrtausenden, immer fürchten die Älteren den Verfall der Sitten. «Dabei geht es doch einfach nur darum, dass die Jüngeren Sachen anders machen als die vorherige Generation», relativiert Dougas. «Und das habt ihr doch früher auch getan.»
Letztlich gehe es doch darum, dass sich die Welt wandelt. Und dieser Wandel sei gut und berge Hoffnung und Fortschritt. Statt die Unterschiede zu suchen, solle man das Verbindende in den Vordergrund rücken. «Wir alle haben den Wunsch nach einem guten Leben, nach guten Menschen um uns herum.» Und man könne doch lernen voneinander. «Ihr habt eure Erfahrungen und die Lebensweisheit, wir haben die Energie und neue Ideen.» Damit das gemeinsame Leben funktioniere, brauche es Respekt und Dankbarkeit. Und auch einmal einen Blick über die eigene Generation hinaus. Das ist Ioannis Dougas in seiner Ansprache bestens gelungen.