«Die Freiheit treibt uns alle an»
09.09.2025 Wohlen, ParteienDer gefeierte Chef
7. Freiämter Landsgemeinde der SVP
Er kam sehr gerne ins Waldhaus Chüestellihau, sagte Marcel Dettling. Das hat man ihm auch abgenommen. Denn der Präsident der SVP Schweiz gab sich volksnah und war bei der Freiämter ...
Der gefeierte Chef
7. Freiämter Landsgemeinde der SVP
Er kam sehr gerne ins Waldhaus Chüestellihau, sagte Marcel Dettling. Das hat man ihm auch abgenommen. Denn der Präsident der SVP Schweiz gab sich volksnah und war bei der Freiämter Landsgemeinde der gefeierte Chef. Dettling sprach über Sicherheit und die grosse Freiheit, die man in der Schweiz geniessen kann.
7. Freiämter Landsgemeinde im Waldhaus Chüestellihau mit Marcel Dettling, SVP-Präsident Schweiz
Beste Stimmung bei der Freiämter SVP. Dies lag vor allem am Auftritt von Marcel Dettling. Der Präsident der nationalen Volkspartei gab sich gewohnt volksnah. Seine Rede war nicht nur bepackt mit den traditionellen Themen der Partei, wie Sicherheit, Freiheit und Eigenständigkeit. Dettling überraschte auch mit Humor und Lockerheit.
Daniel Marti
«Es ist eine Ehre für Wohlen, dass mit Nationalrat Marcel Dettling und Regierungsrat Jean-Pierre Gallati zwei Persönlichkeiten an der Freiämter Landsgemeinde weilen.» Dies sagte nicht etwa ein Polit-Stratege der SVP, sondern Julia Frischknecht von den Grünliberalen. Die Vizepräsidentin des Einwohnerrates sprach das Grusswort im Namen der Gemeinde Wohlen. Andere Ansätze zu hören, das «öffnet den Horizont», sagte sie noch.
Marcel Dettling: «Bundesrat im Blindflug»
Und die beiden prominenten Gäste erfüllten die hohen Erwartungen. Dettling stand ganz locker am Rednerpult und streifte das Themengebiet der SVP. Armee, Zuwanderung, Grenzschutz, EU. «Die Armee wurde totgespart, ausser von der SVP», es sei in den letzten Jahren nur immer die Rede gewesen von Cyber- und Online-Bedrohungen, «dann kam der Ukraine-Krieg», und erst jetzt wurde bemerkt, dass Links-Grüne-Bemühungen die Armee runtergefahren haben. Bei der Armee gehe es eben auch um die innere Sicherheit. «Und da braucht es eben uns von der SVP.» Darum sei es auch nicht überraschend, dass die Volkspartei bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2023 in diversen Kantonen zugelegt habe. «Denn die Sicherheit und die Armee sind unsere DNA, und das spürt die Bevölkerung immer stärker.»
Das gilt laut Dettling auch für die Zuwanderung. Der Druck auf den Verkehr und die Infrastruktur nehme bei 9,2 Millionen Einwohnern stetig zu. «Das beschäftigt die Menschen». Gemäss Statistik gab es zuletzt jährlich 560 000 Straftaten in der Schweiz, Zunahme um 40 000. «Bei 58 Prozent davon sind Nicht-Schweizer dafür verantwortlich.» Dettlings Klartext: «Wer in der Schweiz Schutz braucht, arbeitet, sich anständig verhält, der darf bleiben. Für den Rest haben wir keinen Platz hier.» Sagte es und lenkte zum Grenzschutz über. «Deutschland macht an den Grenzen inzwischen Grosskontrollen, bei uns steht an der Grenze dagegen kein Mensch.» Und wenn er nachfrage, wie viele Illegale in der Schweiz seien, bekomme er vom Bundesrat zur Antwort zwischen 50 000 und 150 000. «Das bedeutet, der Bundesrat hat keine Ahnung, er ist im Blindflug.» Dagegen müsse jeder Bauer genau angeben, wie viele Tiere er im Stall habe. «Ich verlange nur Transparenz, überall, auch im Asylwesen», so Dettling.
«Wir wollen nur diesen einen Vogt»
Und logisch: Auch die EU kam beim SVP-Boss unter die Räder. «Die Freiheit treibt uns alle an», darum habe die SVP die Hellebarde wieder hervorgeholt. «Sie symbolisiert den Kampf für die Unabhängigkeit», sagte er und leitete über zu den neuen Verträgen mit der EU. Über 2200 Seiten seien das, plus 20 000 Seiten Richtlinien. Wer das in Kürze gelesen habe, der sei ja super unterwegs. Für Dettling gilt dabei nur ein Grundsatz: «Wer ist der Chef in diesem Land? Das Volk. Und das ist der Unterschied zur EU.» Das Volk schaue in der Schweiz, dass nirgends übertrieben werde. Und die EU sei ein Bürokratie-Monster, das so ziemlich alles zertifizieren will. «Zuletzt sagt uns Brüssel, wie wir unsere Bratwürste an der Landsgemeinde grillieren müssen. Nur mit Zertifikat.» Im Streit um die neuen EU-Verträge sagte er warnend: «Wir haben weder Freunde noch Feinde, und Staaten haben nur Interessen.»
Dettling gab klar zum Ausdruck, dass die Schweiz keine neuen Vögte aus der EU brauche und deswegen auch keine neuen Staatsangestellten. «Wir wollen nur diesen einen Vogt», betonte er. Also den Vogt Roland, der als Gemeindeammann in Wohlen kandidiert. Dieser nahm die Botschaft des nationalen SVP-Präsidenten gerne an.
Und Marcel Dettling, bestens in Fahrt, spielte den Ball auch zurück an Julia Frischknecht, die ihn so herzlich empfangen hatte. Vielleicht wechsle sie ja noch von der GLP zur SVP. «Wir arbeiten daran», meinte er augenzwinkernd.
Jean-Pierre Gallati: «Wer den Frieden will …»
Auch Regierungsrat Jean-Pierre Gallati nahm sich in seiner Rede der Tradition und der Sicherheit an. Landsgemeinden gibt es nur noch in den Kantonen Glarus und Appenzell Innerrhoden. «Die haben früher wichtige Entscheide gefällt.» Im Kanton Glarus wurden per Landsgemeinde-Entscheid alle Gemeinden zu drei politischen Gemeinden fusioniert. «Das war ein politischer Schock, aber überraschenderweise funktioniert es.» Gleichzeitig gab er Entwarnung: «Keine Angst, wir wollen das im Aargau nicht einführen.»
Betreffend Landsgemeinde erinnerte der Regierungsrat auch an ein dunkles Kapitel. «Napoleon und die Franzosen, die hierzulande plünderten, wollten die Landsgemeinden verbieten.» Solches Gehabe dürfe nicht mehr passieren. «Auch deshalb braucht es eine intakte Landesverteidigung. Und seit dem Ukraine-Krieg wissen alle, dass es eine starke Armee braucht.»
Wie Dettling ärgert sich auch Gallati, dass die Schweizer Armee gegenwärtig überhaupt nicht ausgebildet und noch weniger gut ausgerüstet ist. Wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sei die Schweiz nicht vorbereitet, «und die Armee ist nicht diensttauglich». Von 134 Panzern können laut Gallati aktuell nur deren 50 bewegt werden und 55 Flugzeuge reichen nirgends hin. «Alles ist veraltet, alles wurde runtergefahren, nur ein knappes Viertel des gesamten Bestandes funktioniert. Und die Munition fehlt.» Ein Nachrüsten bis zum genügenden Stand könne bis ins Jahr 2050 dauern.
Die Schweizer Neutralität könne nicht erfüllt werden, wenn die Armee nicht funktioniere, warnte er noch. Jean-Pierre Gallati zitierte deshalb ein altes römisches Sprichwort: «Wenn du Frieden willst, dann musst du den Krieg vorbereiten.» Man müsse die Freiheit, Sicherheit, Unabhängigkeit der Schweiz sichern, «sonst gibt es bald keine Schweiz mehr», betonte Gallati. Damit liegt der Regierungsrat genau auf der Welle von Marcel Dettling, der sich traditionell von der Landsgemeinde verabschiedete: «Händ sorg zor Schwiiz.»
Viel Stolz und ein Freiämtersturm
Resolution einstimmig überwiesen
Die 7. Freiämter Landsgemeinde wurde von der Vielfalt gepflegt. Gemeinderat und Grossrat Roland Vogt führte souverän durch die Veranstaltung. Und er streute auch eine private Angelegenheit ein. Tags zuvor weilte er in Tallinn beim Länderspiel der U21-Schweizer-Nationalmannschaft beim Länderspiel-Debüt seines Sohnes Alessandro. Und Vogt junior erzielte tatsächlich das 1:0 für die Schweiz gegen Estland (Endstand 2:0). Es habe ihn schon mit Stolz erfüllt, als die Schweizer Hymne gespielt wurde, liess er die Landsgemeinde wissen. Und alle freuten sich mit ihm. Schön.
Marcel Dettling, Jean-Pierre Gallati und Roland Vogt waren die Hauptfiguren der Landsgemeinde. Und zum Schluss trat auch Manfred Breitschmid in Aktion. Er stellte seine Resolution vor, dass man im Jahr 2030 zwei 200-Jahr-Jubiläen feiern soll (siehe auch Ausgabe vom vergangenen Freitag), Der Freiämtersturm und die «30er-Strasse», die 1830 gestoppt wurde, feiern in fünf Jahren ihr grosses Jubiläum.
«Ab und zu eine Marke setzen in Aarau»
«Es braucht wohl wieder einen Freiämtersturm, das haben wir früher im Grossen Rat öfters gesagt», erinnerte sich Breitschmid. Im Jahr 1830 sind 6500 bewaffnete Mannen von Merenschwand und vom «Sternen» in Wohlen aus nach Aarau marschiert, um ihren Willen durchzusetzen. «Demokratie und Mitbestimmung wurden eingefordert», so Breitschmid. «Das darf und muss man wieder hochleben lassen.» Und die «30er-Strasse» steht symbolisch ähnlich da. Nämlich für Wohlens Umfahrung, die in Aarau immer wieder scheitert. «Man muss eben in Aarau ab und zu eine Marke setzen und denen zeigen, dass es im Freiamt eine wichtige Metropole gibt: Wohlen.» Und Wohlen stehe in Aarau oft nur hinten an. «Denn so vieles wird im Speckgürtel aufgeteilt», kritisierte Manfred Breitschmid. «Wir zahlen hier genau so viel Steuern wie in Baden und Aarau. Also wollen wir auch gleich behandelt werden.»
Ein klares Statement. Und als Zeichen für die Überweisung der Resolution an den Gemeinderat haben sich alle erhoben – zusammen mit Regierungsrat Jean-Pierre Gallati und Nationalrat Marcel Dettling. --dm