Der Wille des Gesetzgebers …
29.12.2023 WohlenAnfrage von Mitte-Einwohnerräten Ruedi Donat und Harry Lütolf betreffend amtliche Publikationen
Sie kritisieren das Vorgehen des Gemeinderates. Deshalb richten Ruedi Donat und Harry Lütolf zur Praxisänderung bei den amtlichen Publikationen neun Fragen ...
Anfrage von Mitte-Einwohnerräten Ruedi Donat und Harry Lütolf betreffend amtliche Publikationen
Sie kritisieren das Vorgehen des Gemeinderates. Deshalb richten Ruedi Donat und Harry Lütolf zur Praxisänderung bei den amtlichen Publikationen neun Fragen an den Gemeinderat. Die Gemeindeordnung sei erst seit fünf Jahren in Kraft. Deshalb agiert der Gemeinderat nun «gegen die Willensbekundung des Parlaments» von damals, reklamieren die beiden.
Daniel Marti
Ruedi Donat und Harry Lütolf beschreiben in ihrem Vorstoss die Ausgangslage. Bis dato wurden die amtlichen Publikationen der Gemeinde, unter anderem die Beschlüsse der Organe der Einwohnergemeinde Wohlen und die Baugesuche, in der «Aargauer Zeitung» (AZ) und im «Wohler Anzeiger» (WA) als amtliche Publikationsorgane der Einwohnergemeinde veröffentlicht. Daneben wurden diese amtlichen Publikationen auch im Internet, auf der Website der Gemeinde Wohlen, aufgeschaltet.
Am 18. Dezember wurde über eine Medienmitteilung der Gemeindekanzlei bekannt gegeben, dass die amtlichen Publikationen ab dem 1. Januar 2024 nur noch digital auf der Website der Gemeinde Wohlen veröffentlicht werden.
Findet der Gemeinderat dies in Ordnung?
Dazu stellen die beiden Einwohnerräte dem Gemeinderat insgesamt neun Fragen:
1. War der Gemeinderat über dieses Vorgehen der Gemeindekanzlei beziehungsweise der Geschäftsleitung der Gemeindeverwaltung orientiert?
2. Stützt der Gemeinderat dieses Vorgehen und die kurzfristige Kommunikation?
3. In der Medienmitteilung wurde keine Ansprechperson aufgeführt. Weder Medien noch die interessierte Bürgerschaft konnten Rückfragen zu diesem Vorgehen stellen. Dies ist aussergewöhnlich. Was ist der Grund / die Absicht?
4. Mit dieser Ankündigung werden die nicht-IT-affinen Personen benachteiligt. Insbesondere der ältere Teil der Bevölkerung, nicht selten gute Steuerzahler/-innen, müssen neu selbst aktiv werden und sich um den Inhalt der amtlichen Publikationen bemühen. In der Medienmitteilung der Gemeindekanzlei wird vorgeschlagen, dass solche Personen die amtlichen Publikationen in gedruckter Form im Gemeindehaus einsehen oder sich diese amtlichen Publikationen in gedruckter Form mit einem kostenlosen Abonnement nach Hause liefern lassen können. Findet der Gemeinderat dies in Ordnung und denkt er, dass damit Kosten eingespart werden können, wenn einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern die amtlichen Publikationen per Post zugestellt werden müssen?
5. Ist der Gemeinderat nicht auch der Meinung, dass diesbezüglich eine Bringschuld von Seiten der Gemeinde besteht? Hält der Gemeinderat die neue Praxis für bürgerfreundlich?
6. Hat der Gemeinderat Kenntnis über die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die heute noch die amtlichen Publikationen der Gemeinde ausschliesslich aus den Printmedien entnehmen? Oder hat der Gemeinderat Kenntnis über die Anzahl der Wohler Haushalte, welche die AZ oder den WA abonniert haben? Oder hat der Gemeinderat Kenntnis von der Anzahl Personen, welche die amtlichen Publikationen auf der Webseite der Gemeinde Wohlen konsultieren? Wenn die ersten beiden Fragen mit Nein beantwortet werden müssen: Weshalb kann man sicher sein, dass die neue Praxis der amtlichen Publikation zeitgemäss und gerechtfertigt ist?
Unterstützung für das einheimische Gewerbe
7. Ist der Gemeinderat nicht auch der Meinung, dass das einheimische Gewerbe nach Möglichkeit unterstützt werden sollte, diese neue Praxis mit den amtlichen Publikationen jedoch zumindest ein einheimisches Unternehmen, den «Wohler Anzeiger» beziehungsweise die Freiämter Regionalzeitungen AG mit Sitz in Wohlen, empfindlich trifft?
8. Anlässlich der Totalrevision der Gemeindeordnung wurde Absatz 1 von § 3 betreffend amtliche Publikationen wie folgt gefasst: «Alle amtlichen Publikationen und Beschlüsse erfolgen in geeigneter elektronischer Form. Der Gemeinderat kann die amtlichen Publikationen zusätzlich in den von ihm bezeichneten Medien vornehmen lassen.» Hierbei wurde der zweite Satz aufgrund eines Änderungsantrags der Mitte- beziehungsweise CVP-Fraktion hinzugefügt.
Der Gesetzgeber hat vor sieben Jahren entschieden
In der Anfrage wird auf die Worte des Sprechers der Mitte- beziehungsweise CVP-Fraktion hingewiesen. Eine stattliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern sei gewillt, die amtlichen Publikationen in den Zeitungen zur Kenntnis zu nehmen. «Dies sollte weiterhin möglich sein», führte der Sprecher zum Änderungsantrag aus. Zudem sei es der Fraktion wichtig, «dass unsere lokale Presse unterstützt wird, da diese Beträge bei den Printmedien nicht unwesentlich sind. Wir sollten wirklich bemüht sein, dass das lokale Gewerbe, wo auch die Presse dazugehört, gefördert und unterstützt wird.» Dieses Geld sei gut investiert und «extrem wichtig für die Medien».
Die beiden Anfragesteller betonen weiter, dass es der klare Wille des Gesetzgebers beziehungsweise des Gemeindeparlaments war, «dass auf eine amtliche Publikation in den üblichen Medien, insbesondere im WA und in der AZ, nicht verzichtet wird». Ob sich der Gemeinderat bewusst sei, dass mit der neuen Praxis der amtlichen Publikation, nur sieben Jahre nach Beschlussfassung im Einwohnerrat und nur fünf Jahre nach Inkrafttreten der neuen Gemeindeordnung, «gegen die Willensbekundung des Gemeindeparlaments verstossen» werde.
Unklarheit bei Baugesuchen
Ruedi Donat und Harry Lütolf betonen in ihrer Anfrage auch den Umgang mit amtlichen Publikationen von Baugesuchen. Es besteht für amtliche Publikationen von Baugesuchen «ausschliesslich in elektronischer Form noch keine gesetzliche Grundlage», schreiben die beiden.
Eine solche gesetzliche Grundlage soll mit einem neuen § 3a im kantonalen Baugesetz erst noch geschaffen werden, «wobei noch unklar ist, ob und wann eine entsprechende Gesetzesänderung in Kraft treten wird». Seite 63 der Botschaft des Regierungsrates vom 26. April 2023 gibt Auskunft betreffend eine Revision des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege beziehungsweise des Baugesetzes und den Entwurf dazu. Diese Revision wird derzeit noch in den Kommissionen des Grossen Rates beraten. «Ist sich der Gemeinderat dieser Tatsache bewusst?», so Lütolf und Donat. «Und wenn ja: Hält der Gemeinderat das Vorgehen in der Gemeinde Wohlen, Baugesuche ab dem 1. Januar 2024 nur noch in elektronischer Form amtlich zu publizieren, für rechtens, obwohl hierfür noch keine gesetzliche Grundlage besteht? Und wenn ja: weswegen?», heisst es im Vorstoss. --dm