Der Treue geht
31.03.2023 WohlenDer Firmenname trägt eine unübliche Länge: Hugo Breitschmid AG, Nachfolge Bruno Gürber GmbH. Oder besser bekannt als «Riemen-Breitschmid». In dieser Wohler Firma hat Bruno Gürber über 50 Jahre lang gewirkt – zuerst 30 Jahre lang als Mitarbeiter, dann ...
Der Firmenname trägt eine unübliche Länge: Hugo Breitschmid AG, Nachfolge Bruno Gürber GmbH. Oder besser bekannt als «Riemen-Breitschmid». In dieser Wohler Firma hat Bruno Gürber über 50 Jahre lang gewirkt – zuerst 30 Jahre lang als Mitarbeiter, dann 20 Jahre als Besitzer. Nun hat er das Unternehmen verkauft und verabschiedet sich in den Ruhestand. --dm
Zu ihm fährt die halbe Schweiz
Breitschmid AG, Nachfolger B. Gürber GmbH: Firma verkauft, Bruno Gürber geht nach 50 Jahren Betriebstreue in Pension
Ein halbes Jahrhundert prägte er diese Firma. Er lebte für den reibungslosen Betrieb und pflegte die Kundschaft. Nun geht Bruno Gürber, knapp über 70, in den Ruhestand. Das Geschäft ist verkauft. Ein bisschen Wehmut schwingt mit. Sein umfassendes Wissen gibt er noch so gerne beratend weiter.
Daniel Marti
«Riemen-Breitschmid», einfach nur «Riemen-Breitschmid», dann weiss man in Wohlen, wovon man spricht. Dabei ist der Name schon längst Geschichte. Offiziell heisst die Firma Hugo Breitschmid AG, Nachfolger Bruno Gürber GmbH. Das alteingesessene Unternehmen, das einst auf Riemen aller Art spezialisiert war, ist schon längst ein Spezialist für Autound Motorenersatzteile. Und das Herz der Firma, die Seele des Unternehmens, der Macher, heisst schon lange Bruno Gürber.
Seit über 50 Jahren ist er im Betrieb und hat ihn mitgeprägt, erst 30 Jahre lang als Mitarbeiter, danach 20 Jahre lang als Besitzer und Geschäftsführer. Bruno Gürber und «Riemen-Breitschmid» – das gehört zusammen. Unzertrennlich, fast ewig. Und nun geht er doch. Knapp über 70 musste er werden, um zu sagen: «Jetzt ist Schluss.»
Betrieb ist auf Jahre hinaus gesichert
Die Firma und das Lagergebäude sind verkauft. Morgen Samstag übernimmt der neue Besitzer. Nach 50 Jahren und fünf Monaten geht eine Dynastie zu Ende. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen», sagt Bruno Gürber. Er sagt es, ohne mit der Wimper zu zucken. Ohne einen Schimmer von Wehmut. «Das ist so», doppelt er nach und rückt leicht verlegen mit einer Hand seine Mütze zurecht.
Doch ein wenig Wehmut? Vielleicht mag er es einfach nicht ganz zugeben – ausgerechnet er, der Mann der wenigen, aber klaren Worte. Denn über ein Jahr lang suchte er zusammen mit seiner Tochter Conny Schmid-Gürber nach einem Käufer. Im letzten Moment hat es dann doch noch geklappt. «Plötzlich haben alle gemerkt, dass ich es ernst meine.» So wurde die GmbH verkauft an einen jungen Unternehmer mit Wohnsitz im Freiamt. Gegenwärtig mag der noch im Hintergrund bleiben. Ganz wichtig dabei: Die beiden langjährigen Arbeitsstellen bleiben erhalten. Und der Betrieb ist auf die nächsten Jahre hinaus gesichert. Auch zur Freude der Erbengemeinschaft Breitschmid, der das Land, rund 40 Aren, und die Liegenschaften gehören. Während zwei Monaten haben Bruno Gürber und Conny Schmid den neuen Inhaber eingearbeitet. «Das kommt gut», sagen beide.
«Es hat immer gepasst»
Die traditionsreiche, 110 Jahre alte Firma bleibt also bestehen. Die Anfänge gehen auf das Jahr 1913 zurück. Die Hugo Breitschmid AG startete am jetzigen Domizil an der Waltenschwilerstrasse als Strohfärberei. 1934 übernahm Hugo Breitschmid den Betrieb, 1958 folgte sein Sohn Hugo Breitschmid junior. 2002 kaufte Bruno Gürber den ganzen Laden, die B. Gürber GmbH folgte. Zu diesem Zeitpunkt war er schon drei Jahrzehnte lang im Geschäft. Im November 1972, kurz nach der Rekrutenschule, war sein Einstieg. Zu Hause auf dem Bauernhof klappte die Zusammenarbeit nicht immer wunschgemäss. Darum der Versuch beim «Riemen-Breitschmid», ein Kollege gab den Tipp. Mal reinschauen, dachte sich Gürber. Dann ist er geblieben. 1972 bis 2023. «Das hat sich einfach so ergeben, es hat immer gepasst», betont er.
Und wie erklärt er diese beispielhafte, unvergleichbare Treue? Es gab schon mal Reibereien. «Aber ich hatte hier immer viele Freiheiten», sagt er. Und die Betriebskultur war stets von gegenseitigem Respekt geprägt. Bis zuletzt habe er seinem ehemaligen Chef «Sie» gesagt – und umgekehrt. Charaktertest bestanden.
Respekt haben, Charakter zeigen, Traditionen leben – das gehört zu diesem Betrieb und zu Bruno Gürber. Ein Blick in die Werkstatt bestätigt das. Es riecht ein wenig nach Öl, alte Schleifmaschinen versprühen Stil und Charme. Es riecht aber auch nach Arbeit, nach Verlässlichkeit, nach alter Schule. «Riemen-Breitschmid», kommt Gürber auf die gute alte Zeit zu sprechen, «diesen Namen brauchen die Jungen heute noch.»
Flexibilität ist Trumpf
Und gute Zeiten erlebte er in den alten Gemäuern praktisch immer. Denn die B. Gürber GmbH wurde zum Nischenplayer. Hier bekommt man praktisch alle Autoersatzteile: Bremsen, Kupplungen, Blinker, Batterien. Privatkunden, Landwirte und Garagen bilden den Kundenkreis. Und im Zeitalter des Internets bauten die Gürbers das Einzugsgebiet sogar noch aus. Beeindruckend. «Wer bestellt schon eine Traktorbremse im Internet?», fragt er. Die holt man bei «Bruni» an der Waltenschwilerstrasse. Für etliche Werkstattutensilien fährt die halbe Schweiz nach Wohlen – entweder zum «Riemen-Breitschmid» oder zu Bruno Gürber.
«Flexibilität heisst unsere Trumpfkarte, und gute Arbeit funktioniert eben heute noch», sagt dazu Conny Schmid-Gürber, die ebenfalls seit rund 20 Jahren im Betrieb tätig ist. Zudem sei das Team immer bereit gewesen, eine angefangene Arbeit mal kurz ruhen zu lassen, um rasch einen Kunden zu bedienen. Alte Schule eben. Und die Erfahrung und das Wissen von Bruno Gürber sind wohl kaum ersetzlich. «Falsch», korrigiert er sofort, «jeder ist ersetzbar.»
Aber über fünf Jahrzehnte lang den gleichen Ansprechpartner zu haben, das sorgt nicht nur für kundenfreundliche Nähe, das ist auch echte Qualität. «Es gibt Kundschaft, die über zwei oder gar drei Generationen hinweg zu uns gekommen ist», sagt er mit berechtigtem Stolz. Langjährige Dienstleistung sei eben wichtig, «und wir sagten nie Nein».
Loslassen geht problemlos
Noch etwas ist erstaunlich: Gürbers Konkurrenz fährt die Autogaragen ab auf der Suche nach Aufträgen, bei der Bruno Gürber GmbH kommen die Autofirmen persönlich vorbei. Irgendwie logisch. Denn Bruno Gürber ist nicht nur das Herz und das Gehirn der Firma. Er ist ein wandelndes Lexikon. Während andere noch studieren, holt er schon die bestellte Ware hervor in seinem Lager, das auch schon als Wundertüte bezeichnet wurde. Zwischendurch wurden die Arikelnummern verändert, von fünf auf sieben Stellen, das könne Probleme bereiten. «Aber sonst», schmunzelt er, habe er alles im Griff.
Ab morgen Samstag ist dennoch alles anders. Dann ist er definitiv in den Ruhestand getreten. Kann er überhaupt loslassen? «Ja, sicher», sagt er voller Überzeugung. Ferien und Arbeit habe er schon früher gut trennen können. «Natürlich gibt es eine Umstellung.» Aber er freut sich auf viel Freizeit und auf das Motorradfahren.
Und fast hätte er es vergessen: Am nächsten Dienstag kommt ein wichtiger Kunde vorbei. «Diesen will ich noch beraten.» Und gewiss doch, er werde für seinen Nachfolger immer als Berater zur Verfügung stehen, verspricht Bruno Gürber.
Denn: Wer will schon ganz auf ein wandelndes Lexikon mit grossem Herz und wertvoller Erfahrung verzichten?
Apéro für alle
Heute Freitag ist der letzte offizielle Arbeitstag von Bruno Gürber. Einen Tag später geht die Firma an den neuen Besitzer über. Bruno Gürber mag das Einfache, nicht lange drum herum reden. Und er mag auch keine grosse Abschiedsszene.
«Ein Dankeschön an die Mitarbeiter und Kunden», ist ihm dabei wichtig. Ganz einfach soll dagegen sein Abgang sein bei der Firma mit dem langen Namen, Hugo Breitschmid AG, Nachfolge Bruno Gürber GmbH. Deshalb gibt es heute für alle Kunden, Kollegen und für alle Personen, die an die Waltenschwilerstrasse kommen mögen, einen Abschiedsapéro. «Der dauert vom Znüni bis zum Fürobig-Bier», sagt Conny Schmid-Gürber. --dm