Der hässliche König
07.11.2023 WohlenDer Wohler Regisseur und Drehbuchautor Cihan Inan kündigt sein bislang grösstes Werk an
Kleine Sensation: Ein Wohler Regisseur dreht einen internationalen Film mit einem Budget von 5,5 Millionen Franken. Und sein Bruder schneidet den Film.
...Der Wohler Regisseur und Drehbuchautor Cihan Inan kündigt sein bislang grösstes Werk an
Kleine Sensation: Ein Wohler Regisseur dreht einen internationalen Film mit einem Budget von 5,5 Millionen Franken. Und sein Bruder schneidet den Film.
Stefan Sprenger
Die Geschichte ist verrückt. Atemberaubend. Dramatisch. Sie handelt von Yilmaz Güney, einem Mann, den in der Türkei jeder kennt. Und das auch fast 40 Jahre nach seinem Tod. Als Schauspieler war er ein Volksheld, als Filmemacher hat er unangefochtenen Kultstatus. Und sein Leben war eine Achterbahnfahrt. Besonders die letzten Jahre vor seinem Tod. Er sass im Gefängnis, konnte mit einer spektakulären Flucht entkommen, veröffentlichte den Film «Yol – der Weg», der in der Schweiz produziert wurde. Jener Film ist bis heute der einzige Schweizer Film, der je die Goldene Palme gewonnen hat. Die «NZZ» schrieb zu diesem Film: «Es gibt kaum ein Werk der Filmgeschichte mit einer spektakuläreren Entstehungsgeschichte als dieses Drama von Yilmaz Güney.»
An Güneys Seite war damals der Schweizer Filmemacher Edi Hubschmied. Er begleite ihn auf der Flucht und half mit, den Film zu produzieren. Hubschmied, der aus dem Säuliamt kommt, veröffentlichte 2013 das Buch «Yol – der Weg ins Exil». Und jenes Buch bildet nun die Basis für den Film «Ugly King’s Way» (Der hässliche König). Der Film, der spätestens 2027 fertig sein soll, hat ein Budget von 5,5 Millionen Franken, was für eine Schweizer Produktion riesig ist. Der internationale Film wirft in der Türkei hohe Wellen. Mittendrin der Wohler Cihan Inan, der das Drehbuch schreibt und Regie führen wird. «Das ist eine kleine Sensation», meint er und freut sich riesig über die Produktion, die bald losgeht. Edi Hubschmied schenkt dem Wohler das Vertrauen für diesen Film. «Das wird eine grosse Sache», sagt er.
«Erzähl nicht den ganzen Film»
Der Film «Ugly King’s Way» wirbelt in der Türkei viel auf – ein Wohler führt Regie und schreibt das Drehbuch
In der Türkei ist Yilmaz Güney ein Volksheld. Gestern Montag erschienen über 50 Artikel in den türkischen Medien über das neue Filmprojekt, bei dem der Wohler Cihan Inan Regie führt. Das Budget ist mit 5,5 Millionen Franken riesig. An der Pressekonferenz war Inan im Mittelpunkt. Und auch Andy Hug war Thema.
Stefan Sprenger
Hotel Marriot in Zürich. 50 Menschen sind bei der Pressekonferenz dabei, als das neue Filmprojekt öffentlich gemacht wird. «Ugly King’s Way» heisst der Film, in Anlehnung an «Cirkin Kral» (hässlicher König). So wurde Yilmaz Güney in der Türkei genannt. Dort, wo er ein Volksheld ist. Die Medienkonferenz wirbelt in den türkischen Medien viel Staub auf. Über 50 Zeitungen und TV-Stationen berichten über den neuen Film – und weitere werden es noch tun. Ein Journalist reist gar 80 Stunden mit dem Auto aus Schottland an.
An der Pressekonferenz am letzten Freitagnachmittag reden die meisten türkisch im Saal, der deutschsprachige Journalist versteht nur «istasyon» (zu Deutsch: Bahnhof). Die Stimmung ist angespannt, voller Vorfreude, voller Erwartung und voller Fragen. Alle wollen wissen, was geplant ist über Yilmaz Güney, den türkischen Jean-Paul Belmondo.
Atemberaubende Flucht
Zuerst spricht Kazim Carman, ein Topproduzent aus der Schweiz mit türkischen Wurzeln. Er stellt Edi Hubschmid vor, der von allen nur «Papi» genannt wird. Hubschmid stammt aus Hedingen, dem Säuliamt, gehörte vor 20 Jahren zu den namhaftesten Produzenten und Regisseuren des Landes und wirkte bei erfolgreichen Produktionen mit, wie beispielsweise «Azzuro» oder «Marcello Marcello». Er ist ein Mann, der Filme liebt.
Und Hubschmid war ein Freund und enger Vertrauter von Güney. Er half ihm Anfang der 80er-Jahre bei der Flucht aus dem Gefängnis, produzierte mit ihm anschliessend den Film «Yol – der Weg». Ein Meisterwerk entstand unter spektakulären Umständen (siehe Text unten «Das Leben von Yilmaz Güney»).
Hubschmid spricht über die atemberaubenden Details während der Flucht. Aus dem Publikum gibt es Fragen, viele Fragen. Das Interesse der Türken ist riesig. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die türkische Presse nicht etwas über Yilmaz Güney berichtet – und das, obwohl er schon seit bald 40 Jahren tot ist. Hubschmids Geschichte ist hochspannend, eigentlich kaum zu glauben. «Jeden Mittag um 12 Uhr trank Häftling Yilmaz Güney mit dem Gefängnisdirektor einen Tee. Und so konnte ich ihn immer telefonisch erreichen – im Büro des Direktors», erzählt er. Hubschmid kommt in Fahrt, erzählt immer mehr spannende Details. Und immer mehr Fragen werden gestellt. Bis Mazlum Iscen, Co-Produzent des Films, ihn stoppt und lachend sagt: «Lieber Edi, erzähl doch nicht den ganzen Film.»
Aus Buch wird Film
Cihan Inan sitzt mit verschmitztem Lächeln daneben. Er kennt Edi Hubschmid seit 2005. Hubschmid, Mitbegründer der C-Films AG, wirkte beispielsweise bei Inans zweitem Langspielfilm «180 Grad» mit. Inan lernte Hubschmid kennen. Und dieser erzählt ihm die Güney-Story von damals. Der Wohler wurde angefragt, ob er das Drehbuch verfassen und Regie führen will. Die Basis dafür ist das Buch von Hubschmid, 2017 veröffentlichte er «Yol – der Weg ins Exil», das die Flucht und die prägende Zeit mit Yilmaz Güney beschreibt. Das Werk wurde in sechs Sprachen übersetzt. Der 76-jährige Hubschmid sagt: «Ich vertraue Cihan voll und ganz. Er wird ein tolles Werk erschaffen.» Inan musste nicht lange überlegen und sagte zu, das Drehbuch zu schreiben und Regie zu führen. «In der Türkei gibt es zwei Menschen, die wohl jedes Kind kennt: Atatürk und Yilmaz Güney. In fast jeder Kneipe hängt ein Bild von ihm. Und diese Story ist spektakulär. Man stelle sich vor, du fliehst aus dem Gefängnis, die Interpol sucht nach dir – und du hast nichts Besseres zu tun, als einen Film fertig zu machen.»
Auch der Produzent ist ein bekannter Name
Ebenfalls bei der Pressekonferenz ist Kazim Carman, er ist der Produzent und Generaldirektor des neuen Films. «Es war ein langer Weg hierhin. Doch jetzt können wir endlich den Knopf drücken», sagt er. Carman, ein gebürtiger Türke, der seit Jahren in der Region Olten zu Hause ist, wirkte in seiner Heimat bei namhaften Filmen und Serien mit. Der 50-jährige Schauspieler, Regisseur und Produzent ist in der Türkei ein Star. In der Schweiz kennt man ihn auch in der Kampfsportszene. «Ich habe mit Andy Hug zusammen trainiert und auch Rocco Cipriano kenne ich gut», sagt er. Und beim Namen Cipriano (Ex-Kickboxweltmeister aus Wohlen) muss Inan sofort lachen. «Ich ging mit ihm in die Schule.» So klein ist die Welt.
Bruder Kaya wird schneiden
Bei der Medienkonferenz drehen sich viele Fragen um die Familie von Yilmaz Güney. Die Nachkommen haben bislang eine Verfilmung verhindert. Wieso klappt es jetzt? «Ganz einfach. Der Film basiert auf den Erlebnissen von Edi Hubschmid. Er hat diese Geschichte hautnah miterlebt. Und diese Story erzählen wir nun», so Inan, der bereits mit dem Schreiben des Drehbuchs begonnen hat.
Nun macht man sich an die Arbeit, damit «Ugly King’s Way» spätestens 2027 Für die Filmfestspiele in Cannes) fertig ist. Die Crew muss Locations suchen, denn der Film soll in mehreren Ländern gedreht werden. Beispielsweise in Griechenland und Frankreich, dem Fluchtweg von Yilmaz Güney damals. Die Schauspieler werden international sein. Der Film (ein Mix zwischen Thriller, Abenteuer und Doku) wird auf Englisch und Türkisch erscheinen. «Die Story hat viele verborgene Details», verrät Inan. Die grosse Fangemeinde von Yilmaz Güney wartet heute schon gespannt auf dieses Werk. «Dieser Film wird ein Kassenschlager», sagt der 54-jährige Cihan Inan (der heute in Volketswil zu Hause ist). Geschnitten wird das Werk von Cihan Inans Bruder. Der Wohler Kaya Inan, sogenannter Film-Cutter, hat in Vergangenheit bei namhaften Schweizer Produktionen mitgewirkt.
Woher kommen die 5,5 Millionen Franken?
Es ist das grösste Projekt, an dem er je mitwirkte. Auch was das Budget betrifft. 5,5 Millionen Franken stehen zur Verfügung. Für einen Schweizer Film ist so viel Geld enorm viel – und ungewöhnlich. Woher kommt das Geld? «Wohlhabende, türkische Investoren, aus ganz Europa. Sie wollen dieses Projekt unterstützen. Sie wollen den Film über Yilmaz Güney sehen», sagt Inan. Spürt der Wohler Druck? Inan meint: «Ich habe noch nie einen Film über so eine grosse Figur gemacht. Druck ist das falsche Wort. Aber ich habe riesige Vorfreude und bin mir meiner Verantwortung bewusst. Ich will die Sache so gut wie nur eben möglich auf die Leinwand kriegen.»
Edi Hubschmid, einst Freund von Yilmaz Güney, blickt zufrieden in das Gesicht von Cihan Inan. «Mach dir keine Sorgen. Du wirst das hervorragend meistern.» Der hässliche König soll ein besonders schöner Film werden, der eine atemberaubende Story erzählt.