Der Blitz aus Berikon
02.05.2025 Berikon, Kampfsport, LaufsportEric Muthomi Riungu lebt in Berikon, startet für die LA Mutschellen und gewinnt Lauf um Lauf
Schnell wie ein Blitz, oder doch eher wie ein Pfeil? Egal welchen Vergleich man bei Eric Muthomi Riungu heranzieht, er ist gerechtfertigt. Der Kenianer, der in Berikon lebt, ...
Eric Muthomi Riungu lebt in Berikon, startet für die LA Mutschellen und gewinnt Lauf um Lauf
Schnell wie ein Blitz, oder doch eher wie ein Pfeil? Egal welchen Vergleich man bei Eric Muthomi Riungu heranzieht, er ist gerechtfertigt. Der Kenianer, der in Berikon lebt, hat sich in der Schweizer Laufszene mit starken Leistungen innerhalb kürzester Zeit einen Namen gemacht. Die LA Mutschellen freut sich, dass er an Wettkämpfen ihren Verein vertritt.
Josip Lasic
Den Osterlauf in Eiken? Gewonnen. Den GP der Stadt Dübendorf? Gewonnen. Den Aargauer Volkslauf? Gewonnen. Das ist nur eine kleine Auswahl der Läufe, die Eric Muthomi Riungu in letzter Zeit bestritten hat und bei denen die Konkurrenz chancenlos gegen den 34-Jährigen war. Das Mitglied der LA Mutschellen hatte bei seinen jüngsten Erfolgen teilweise über eine Minute Vorsprung auf seine nächsten Verfolger. Der in Berikon wohnhafte Kenianer scheint zum Laufen geboren zu sein. «Es war schlicht die naheliegendste Option», sagt er lachend.
Riungu sitzt gemeinsam mit seiner Frau Natalie in der Burkertsmatt und zeigt auf den Fussballplatz der Sportanlage. Mit sanfter, ruhiger Stimme erklärt er auf Englisch: «So schöne Fussballplätze haben wir in Kenia nicht. Und wenn man Fussball spielen will, braucht man die. Man benötigt ein Team, man benötigt einen Ball. Zum Laufen benötigst du nur dich selbst. Und mein Schulweg in Kenia war 4 km lang. Irgendwann bin ich den gerannt. 4 km am Morgen zur Schule, 4 km am Abend nach Hause. Und das fünf Tage die Woche. So hatte ich bereits ein gutes Training. Ich war sozusagen schon immer ein Läufer.»
Mit Fahrrad auf die Laufbahn, um mithalten zu können
Geboren und aufgewachsen ist der Läufer in der Nähe des «Mount Kenia». Eine Region, aus der zahlreiche Spitzenläufer kommen. Anschliessend hat er eine Zeit lang in Italien gewohnt. «Mein Management war dort. Vor rund zehn Jahren habe ich mich noch intensiver auf den Laufsport fokussiert und die ersten Rennen in Europa bestritten. Als Läufer aus Kenia ist es da notwendig, ein Management zu haben, das sich um die verschiedenen Lizenzen, die Unterkünfte und auch das Sponsoring kümmert. Deshalb bin ich nach Italien gezogen.» Während dieser Zeit lernt er seine heutige Frau Natalie kennen, die seit 18 Jahren in Berikon wohnt. Die Liebe zu ihr bringt ihn auf den Mutschellen. Doch das Paar muss sich gedulden, bis er zu ihr und ihren fünf Kindern ziehen kann. «Es hat eine Zeit lang gedauert, bis alles bezüglich der Aufenthaltsbewilligung geklärt war», erzählt sie. Seit Dezember wohnt er endlich mit der Freiämterin zusammen. Zuvor ist er aber bei ihr häufig zu Besuch. Sie unterstützt ihn, wo sie nur kann, und organisiert, dass er bereits in dieser Zeit mit der LA Mutschellen trainieren kann.
Für den Verein ist der Athlet ein absoluter Glücksfall. «Ich habe nach ihm gegoogelt und schnell gesehen, dass er ein absoluter Eliteläufer ist», sagt Ralph Huggel, Hauptleiter bei der LA Mutschellen. Mittlerweile trainiert Riungu zweimal die Woche auf der Burkertsmatt bei den Mutschellern mit. Donnerstags unterstützt er Huggel bei der Leitung des Kinder-Lauftrainings. «Das ist super sympathisch. Die Kinder lernen ein wenig Englisch, er lernt Deutsch. Das ist nicht nur auf sportlicher Ebene eine gute Sache.»
Und obwohl viele Läufer in der Schweiz in erster Linie für sich trainieren und ohne Vereinszugehörigkeit an Wettkämpfen teilnehmen, war es ihm wichtig, Teil eines Clubs zu werden. «Ich glaube an Teamwork. Das ist Teil des Sports. Manchmal benötigt man Motivation von aussen. Es pusht, wenn man mit anderen trainiert. Und wenn man das Trikot eines Vereins trägt, ist das mit gewissen Erwartungen verbunden. Ich will die Menschen in meinem Team nicht enttäuschen. Das treibt mich zusätzlich an.» So sehr Riungu von der LA Mutschellen schwärmt, relativiert Huggel. «Ich würde es eher so sehen, dass wir ihn auf seinem Weg unterstützen. Sportlich ist es schwierig, ihn zu fordern. Er absolviert gern Intervalltrainings. Wir haben nicht nur im Verein, sondern schlicht im ganzen Kanton niemanden, der auch nur annähernd sein Tempo mithalten kann. Deshalb haben wir für ihn eine Sondergenehmigung erhalten können. Seine Frau oder ihr Sohn darf mit dem Fahrrad auf die Laufbahn der Burkertsmatt und ihm so die Pace vorgeben, damit er diese Trainings in seinem Tempo absolvieren kann.» Huggel hofft, dass sich vielleicht sogar ein Radsportler finden lässt, der mit Riungu trainieren würde und ihn so noch mehr fordern könnte. «Wenn jemand Interesse hat, darf er sich ungeniert bei mir melden. Denn Eric ist auf einem Niveau unterwegs, wo es schwierig ist, jemanden zu finden, der mithalten kann.»
Kaum Konkurrenz in der Schweiz im Halbmarathon
Gleichzeitig ist die LA Mutschellen sehr stolz darauf, dass sie so einen Athleten in ihren Reihen haben, der auch ein sportliches Vorbild für den Nachwuchs ist. Huggel betont diesbezüglich Riungus Leistung am Züri-Marathon, wo er die Halbmarathon-Distanz in einer Zeit von 1:06.49 absolviert hat. «Da war es jetzt ausnahmsweise kein Podestplatz für ihn, aber man muss das Ganze in Relation setzen. Wir haben in der Schweiz eine Handvoll Leute, die bessere Zeiten über die Halbmarathon-Distanz erzielen konnten. Und da sprechen wir von Olympia-Teilnehmern wie Matthias Kyburz. Eric ist da souverän an die internationale Spitze gelaufen.»
Riungu ist aber ehrgeizig und will noch mehr. Bisher hat er Strassenläufe bevorzugt und dort die 10-km- oder Halbmarathon-Distanz absolviert. Dieses Jahr will er sich auch auf die Bahn wagen. Und auch intensiver auf die Marathon-Distanz hintrainieren. Sein Traum wäre es, eines Tages an einem der grösseren Marathonläufe der Welt zu starten, wie beispielsweise in Boston. Ein anderer Traum: die Olympischen Spiele. «Dort gibt es allerdings eine Schwierigkeit. Ich habe die Schweizer Staatsbürgerschaft noch nicht. Und eine Olympia-Teilnahme für Kenia ist im Marathon extrem schwierig. Dort bin ich mit meinen Zeiten einer von vielen. Diesbezüglich hat Kenia jeweils ein Luxusproblem. Sie haben Mühe, Leute für Olympia und Weltmeisterschaften zu selektionieren, weil die Auswahl zu gross ist.»
Um seinen Träumen näherzukommen, trainiert er täglich. Neben den Trainings mit der LA Mutschellen absolviert er ein eigenes Programm. «Dafür ist der Mutschellen ideal. Ich habe sehr viel Natur in der Nähe, wo ich laufen kann, ohne dass mir Verkehr in die Quere kommt.» Rund 120 km Distanz legt er jede Woche zurück. Dazu rechnet er auch die Wettkämpfe. Und von denen nimmt er so viele wie möglich mit. Gestern Donnerstag startete er am Sihltaler Frühlingslauf in Gattikon. Ein vergleichsweise kleinerer Lauf für ihn und gleichzeitig eine wertvolle Trainingseinheit. «Ausserdem lerne ich an so Anlässen auch viele Menschen kennen. Der Sport gibt mir auf verschiedenen Ebenen sehr viel.»
Streckenrekord am Pfingstlauf im Visier
Das Einzige, was ihm erschwert, sein Pensum zu absolvieren, sind die Schweizer Temperaturen im Winter. Daran hat sich Riungu noch nicht gewöhnt. «In diesen Monaten habe ich immer noch Mühe.» Für ihn ist der Bremgarter Reusslauf ein Beispiel dafür. Mit seinem Resultat der diesjährigen Ausgabe ist er nicht zufrieden. «Es war mir zu kalt und ich war zu allem Überfluss auch erkältet. Das war nicht gut.» Wobei «gut» relativ ist. Denn mit einer Zeit von 32.55 holte er in der Kategorie M30 den 2. Platz und wurde insgesamt 10. Doch für den ambitionierten Sportler ist das zu wenig.
Besser hat er an einem anderen Lauf in der Region abgeschnitten. Obwohl ihm das anhand der zahlreichen Läufe, die er absolviert, selbst gar nicht mehr bewusst war. Riungu hatte im Kopf, dass er am letztjährigen Pfingstlauf in Wohlen den 3. Platz geholt hat. Seine Frau Natalie korrigiert ihn: «Du hast ihn gewonnen.» Sofort hat er ein neues Ziel vor Augen. «Stimmt. Ich erinnere mich. Dieses Jahr will ich wieder starten und wenn es geht, den Streckenrekord brechen.» Und bei seinen Leistungen kann man davon ausgehen, dass es weder der letzte Sieg noch der letzte Rekord wäre, den Riungu holt.