Der Bauer als Stromproduzent
03.10.2023 Sins, Region OberfreiamtAuf dem Landwirtschaftsbetrieb Fahrhof in Sins entsteht eine neue Biogasanlage
Aus Hofdünger verschiedener Betriebe entsteht hier künftig Energie: Marc und Lukas Ruckli realisieren auf dem Fahrhof eine Biogas-Kleinanlage, die schon ab nächstem Frühling ...
Auf dem Landwirtschaftsbetrieb Fahrhof in Sins entsteht eine neue Biogasanlage
Aus Hofdünger verschiedener Betriebe entsteht hier künftig Energie: Marc und Lukas Ruckli realisieren auf dem Fahrhof eine Biogas-Kleinanlage, die schon ab nächstem Frühling Strom produzieren soll.
Celeste Blanc
In der Landwirtschaft soll der nächste Schritt in Richtung erneuerbare Energien gegangen werden: Da in der feuchten Biomasse, also Hofdünger, bestehend aus Gülle und Mist, noch grosses energetisches Potenzial vorhanden ist, lancierten der Bauernverband Aargau, die Aargauer Stadtwerke und Ökostrom Schweiz in diesem Sommer ihre «Biogas-Offensive», mit der im Aargau die landwirtschaftliche Biogasproduktion forciert werden soll. Diese sieht vor, Standorte für hofdüngerbasierte Biogasanlagen im Kanton zu finden und die Anlagen mit den jeweiligen Betrieben zu realisieren.
Aktuell weisen im Kanton Aargau sechs Betriebe solche Anlagen auf, zwei davon im Freiamt, konkret in Fischbach-Göslikon und Oberrüti. Nun wird eine weitere Anlage auf dem Fahrhof von Marc und Lukas Ruckli in Sins realisiert. Das Spezielle: Während die anderen Anlagen auch Abfälle aus der Gemüse- oder Milchindustrie sowie Futtermühlen (sogenannte Co-Substrate) beifügen, wird die Biogasanlage der Brüder Ruckli vorwiegend aus Hofdünger gespiesen. Zudem ist sie die erste Kleinanlage in ihrer Form.
Idealer Standort für eine solche Anlage
Schon seit geraumer Zeit sind die Brüder Ruckli mit der Planung beschäftigt. «Wir lieben unsere Arbeit in der Landwirtschaft und wollten ein weiteres Standbein aufbauen», erzählt Marc Ruckli. Investitionen in eine Vergrösserung der Milch- oder Schweinewirtschaft lohne sich aufgrund des unsicheren Marktes nicht, weshalb man sich entschlossen hat, auf erneuerbare Energie zu setzen. Auf dem Fahrhof, der 37 Hektare landwirtschaftliche Nutzfläche sowie eine Hektare Wald fasst, leben 120 Zuchtschweine mit Ferkeln, 250 Mastschweine, 26 Milchkühe, 20 Stück Jungvieh, drei Pferde und 100 Hühner. Diese produzieren im Jahr 2500 Kubik Hofdünger. «Diese potenzielle Energiequelle möchten wir nun nutzen», so Ruckli weiter. Hinzu kommt, dass der Standort gut gelegen sei.
Strom für bis zu 150 Haushalte
Da die Nachbarhöfe tierintensive Betriebe sind, in denen auch viel Hofdünger anfalle, können diese an der Biogasanlage partizipieren, indem sie ihre Gülle und ihren Mist auch einspeisen. «Die Zusammenarbeit mit den benachbarten Höfen ist gut», so Ruckli weiter. Die Synergien möchte man nutzen. Die Bauarbeiten zur geplanten Biogasanlage beginnen im kommenden Monat und voraussichtlich schon ab Frühling 2024 könne der erste Strom produziert werden. Für den ganzjährlichen Betrieb der Biogasanlage würden 5000 Kubik Hofdünger benötigt. Die Hälfte des Materials wird vom Fahrhof selbst zugespiesen, die andere Hälfte setzt sich aus dem Material drei benachbarter Höfe zusammen, die über bereits bestehende Bodenleitungen zum Hof transportiert werden können, wodurch Transportfahrten wegfallen.
In der Anlage wird die Mischung aus Gülle und Mist dann gegoren, wobei Energie entsteht. Mit dem Biogas, das sich aus 55 Prozent Methan, einem Grossteil CO2 und kleineren Anteilen von Ammoniak und Schwefel zusammensetzt, wird ein Motor angetrieben, der mit einer Leistung von 65 Kilowatt Strom produziert. «Zu Beginn müssen die eingespiesenen Stoffe noch beobachtet und austariert werden», weiss Daniel Lampart, Geschäftsleitung der AgriGas GmbH, welche die Anlage realisiert. Dies, weil die Zusammensetzung des Futters einen Einfluss auf den Energiegehalt des Produktionsmaterials haben kann. «Deshalb kann es Monate dauern, bis die Anlage die volle Leistung erbringt.»
Ist diese erreicht, produziert die Anlage jährlich Bruttoenergie von über 400 000 Kilowattstunden. Zur Veranschaulichung: Mit dieser Leistung kann man bis zu 150 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen. Insgesamt besteht die aus der Biogasanlage gewonnene Energie aus einem Drittel Strom und zwei Dritteln Wärme. Diese Abwärme wird zu bis zu 50 Prozent zurück in die Anlage geführt, um die benötigte Gärtemperatur zu erreichen. Der Rest der Wärme wird in den Betrieb gespiesen. «Ziel ist es, dass der Fahrhof nicht mit externer, fossiler Energie heizt, sondern komplett auf erneuerbare Energien setzen kann», erkärt Lampart. Der Bau der Biogasanlage kostet rund 900 000 Franken, wobei die Hälfte subventioniert wird.
Methanausstoss reduziert
Nebst Marc Ruckli wird das Bauprojekt weiter von Othmar Vollenweider mitvorgestellt. Seit drei Jahrzehnten ist er als Düngerberater zuerst beim Kanton, danach angegliedert an den Bauernverband tätig. Für ihn hat eine solche Anlage nebst der lokalen und erneuerbaren Energieproduktion noch weitere Vorteile. Denn durch die Gärung von Hofdünger wird dieser emissionsneutraler. «Die Gülle, die zurück an die Bauern geht, weist einerseits weniger Geruchsemissionen aus, sie hat zudem eine bessere Flusseigenschaft, was ihre Versickerung im Boden verbessert, und enthält weniger Krankheitserreger und Unkrautsamen.» Zudem entstehe ein homogenes Produkt, mit dem man «dank genauerer Werte genauer Düngen kann».
Für Ralf Bucher, Geschäftsleiter des Bauernverbands Aargau, ist die Förderung von erneuerbaren Energien auf Bauernbetrieben ein wichtiger Schritt. «Hier liegt das grösste ungenutzte Potenzial», so Bucher. Nebst der Produktion von erneuerbarer Energie würde damit auch dazu beigetragen, den Methanausstoss merklich zu reduzieren. Ziel ist es, vermehrt solche Anlagen zu bauen. Zwar werde auf diese Weise teurerer Strom produziert. Er stellt die Frage, ob der Preis hinsichtlich des ökologischen Mehrwerts eine Rolle spielt und ob man es sich leisten könne, auf die Produktion von ökologisch hochwertigem Strom zu verzichten. Für Bucher ist klar: «Nein, wir können uns das nicht leisten.»