Den Traumberuf doppelt gelebt
12.09.2025 WohlenTotal 56 Jahre Treue
Diese beiden sind das perfekte Duo beim Kindes- und Erwachsenenschutzdienst Bezirk Bremgarten. Zusammen war das Ehepaar Daniel und Maja Rohrer 56 Jahre beim Kesd tätig. Er 30,5 und sie 25,5 Jahre. Diese Treue wurde nun gewürdigt. ...
Total 56 Jahre Treue
Diese beiden sind das perfekte Duo beim Kindes- und Erwachsenenschutzdienst Bezirk Bremgarten. Zusammen war das Ehepaar Daniel und Maja Rohrer 56 Jahre beim Kesd tätig. Er 30,5 und sie 25,5 Jahre. Diese Treue wurde nun gewürdigt. Verbandspräsident Arsène Perroud und Kesd-Geschäftsleiterin Andrea Schneider waren bei der Verabschiedung voll des Lobes. Das Ehepaar geniesst nun gemeinsam den nächsten Lebensabschnitt. --dm
Kesd Bezirk Bremgarten: Verabschiedung des Ehepaars Maja und Daniel Rohrer – nach 56 gemeinsamen Jahren
Eine beeindruckende Leistung, eine unvergleichbare Treue, eine einzigartige Zeitspanne. Während 56 Jahren leistete das Ehepaar Daniel und Maja Rohrer seine wertvollen Dienste beim Kesd des Bezirks Bremgarten. Jetzt gehen beide gemeinsam in den Ruhestand.
Daniel Marti
Locker sitzen sie im Aufenthaltsraum. Beide strahlen, beide wirken zufrieden und jünger, als sie sind. Beide geniessen die Lebensphase, sind berechtigterweise ein wenig stolz über das Geleistete und sie freuen sich auf das, was nun kommen wird. Daniel und Maja Rohrer geniessen die Verabschiedung vom Kindes- und Erwachsenenschutzdienst des Bezirks Bremgarten. Zusammen haben sie dort 56 Jahre lang wertvolle Dienste geleistet. Er 30,5 Jahre, sie 25,5 Jahre. Seite an Seite. Ein tolles und harmonisches Duo – im Beruf wie sonst im Leben.
Und die Vorgesetzten staunen. Andrea Schneider, Geschäftsführerin und Teamleiterin, ist voll des Lobes. «Ein guter Beistand besteht aus viel Erfahrung. Beide zusammen waren stets eine wertvolle Stütze für unseren Dienst. Hier kann man sich nicht ausruhen, man muss agil und flexibel sein.» Maja Rohrer habe ihrem Mann als Assistentin und Sachbearbeiterin stets den Rücken freigehalten. «Dass dies als Ehepaar funktioniert, ist sehr erfreulich.» Diese Konstellation habe dem Kesd Stabilität verliehen, «Und die Klienten profitierten davon.»
Unzählige Schicksale begleitet
Auch Arsène Perroud, Präsident des Gemeindeverbandes, spricht von «wertvollen Mitarbeitenden und wichtigen Stützen». Die Rohrers haben «unzählige Menschen in dieser Zeit begleitet und unterstützt». Und da stecke manche emotionale Geschichte dahinter, so Perroud weiter, «und etliche menschliche Schicksale» wurden vom Ehepaar Rohrer begleitet.
Kommt hinzu, dass sich das Berufsfeld in den letzten drei Jahrzehnten drastisch verändert hat. «Da sind Welten von Schritten passiert», so Schneider. Und mittendrin immer Daniel Rohrer und seine Maja. Die beiden bekommt man beim Kesd nur im Doppelpack – das ist gut so, für den Dienst, fürs Team, für die Klienten.
«Es ist wahnsinnig, was sich in den letzten 30 Jahren alles verändert hat», blickt er zurück. In seinen Anfangszeiten waren sie zu dritt bei der damaligen Amtsvormundschaft. Da habe er die Buchhaltung noch selbst bewerkstelligt. Heute kann er auf einen sehr guten Vorstand und eine kompetente Geschäftsleitung zählen. Die Entwicklung sei schon beeindruckend. Daniel Rohrer nennt dabei alte Schriftstücke oder Unterlagen. Ein Bericht aus dem Jahr 1935 kommt ihm da in den Sinn. «Da stehen Sachen drin, die man heute nicht mehr schreiben darf», seufzt er.
«Das wäre was für dich»
Eingestellt wurde Daniel Rohrer im Jahr 1995. Beim Präsidenten der Amtsvormundschaft des Bezirks Bremgarten, dem legendären Hans Stutz, musste er vorsprechen. Rasch war man sich einig.
Und Rohrers Polizeikollege behielt recht. «Das wäre was für dich», sagte dieser zu Rohrer.
«Wir haben wahrlich strube Zeiten erlebt», erinnert sich der 65-Jährige. Viele Anekdoten könnte er erzählen. «Die Gesellschaft hat sich in diesen 30 Jahren stark verändert. Heute arbeiten wir für unsere Dienste halt vermehrt mit Dolmetschern.» Früher wie heute wollte er nur die beste Lösung für seine Klienten – auch wenn die Entscheide nicht immer einfach waren. Er habe gut entschieden, hiess es dann meistens mit etwas Verzögerung aus dem Umfeld.
«Unsere Beistände tragen eben eine grosse Verantwortung», so Geschäftsleiterin Schneider, «es ist zudem wichtig, dass die Menschen nicht allein gelassen werden. Die Gesellschaft zeigt, dass es uns braucht.» Und zwar immer mehr. Das Wachstum bedeutet praktisch auch automatisch mehr Fälle für den Kinder- und Erwachsenenschutzdienst.
Die angesprochenen «struben Zeiten» liegen jedoch schon ein paar Jahre zurück. Mit dem Wechsel von der Amtsvormundschaft zum Kesd und spätestens mit dem Bezug der Geschäftsstelle in Anglikon konnte alles immer mehr in professionelle Bahnen gelenkt werden. Im Sitz an der Breitistrasse konnte dann der Kinder- und Erwachsenenschutzdienst räumlich getrennt werden. Ein grosser Vorteil. «Wir sind sehr zufrieden mit diesem Standort», so Präsident Perroud, «wir konnten so der Spezialisierung und dem gesamten Berufsfeld besser gerecht werden.»
156 Dossiers gleichzeitig
Zurück zu den Spitzenzeiten. Da betreute Daniel Rohrer 156 Dossiers gleichzeitig. Eine gigantische Zahl, eine enorme Belastung. «Eine schlimme Zeit, da habe ich zeitweise nicht mehr gut geschlafen», blickt er zurück. Neue Richtlinien bewirkten dann eine Normalisierung.
Laut Rohrer gilt es die Anzahl Dossiers zu relativieren. 20 Prozent der Klienten geben ganz viel zu tun, 60 Prozent sind Alltagsgeschäft, weitere 20 Prozent benötigen nur ganz wenig Arbeit. Das, so sagt er, sei die Faustregel. Und die Gesamtzahl der Dossiers, die ein Beistand bearbeiten muss, hat sich in den letzten Jahren deutlich nach unten bewegt – dies auch wegen der Komplexität der Fälle. «Wir möchten runter von 75 auf 70 Fälle pro Beistand, das ist zumindest unser Ziel», betont Schneider. «Und bei jedem Fall steht ein Mensch dahinter, der Unterstützung braucht», ergänzt Präsident Perroud, der hofft, dass die politische Diskussion nicht schon wieder Richtung Kostenreduktion gehen werde.
Alle Aufgaben zu meistern, sei ohnehin eine grosse Herausforderung für jeden Beistand: Wohnungs- und Arbeitssuche, psychische Erkrankungen oder kulturelle Probleme, zählt Perroud nur einige auf. Und was hat Daniel Rohrer am meisten beschäftigt? Da nennt er Scheidungen, die im grossen Streit vor den Kindern gipfeln. «Das ist belastend, das beschäftigt einen.»
Nicht eins zu eins zu ersetzen
Und bei allen Problemlösungen gilt es laut Geschäftsleiterin eines zu beachten: «Die Klienten haben ein Selbstbestimmungsrecht, es ist ihr Leben, da sollen sie auch mitbestimmen dürfen. Und die Beistände müssen viele Notsituationen meistern. Vieles lernt man nicht auf der Schulbank, sondern nur durch Erfahrung, vor allem Lebenserfahrung.»
Und wer das zusammen 56 Jahre lang so bravourös geschafft hat, wie das Ehepaar Rohrer, solche Menschen sind aussergewöhnlich. «Die beiden können wir nicht eins zu eins ersetzen», sagt Schneider. Ein feines Kompliment. Die dreimonatige Übergabephase an die Nachfolge sei zwar vorbildlich verlaufen, aber die Rohrers kann man auf die Schnelle nicht ersetzen. Unmöglich. «Wir sind eben ein gutes Team», sagt Maja Rohrer. Und Daniel Rohrer strahlt bei diesem Satz. «Wir hatten natürlich auch Glück, dass wir stets miteinander manches Problem lösen konnten», sagt sie noch. Und das Ehepaar nahm die beruflichen Problemfälle praktisch nie nach Hause. Diese Abgrenzung sei wichtig und gut gewesen, sagen beide. «Es ist bewundernswert, wie die beiden funktioniert haben. Sie sind ein Vorzeigemodell für unsere Tandemarbeit», fügt Andrea Schneider an.
Ein Traumpaar im Traumberuf
Ihr Abschied vom Kesd stimmt einerseits traurig (diverse Klienten haben geweint) und andererseits hoffnungsvoll. Maja und Daniel Rohrer freuen sich auf viel Neues: So möchten sie mit dem Wohnmobil unterwegs sein, samt E-Bike, vielleicht ein Kochkurs besuchen, «Schwiizer-Örgeli» spielen. «Ein volles Programm.»
Damit sie beide nun gemeinsam den nächsten Lebensabschnitt geniessen können, geht Maja Rohrer sechs Jahre vor der ordentlichen Pensionierung in den Ruhestand. So harmonieren eben die Rohrers – wie ein Traumpaar. «Wir wollen das Leben geniessen», sagt sie. Und Daniel Rohrer betont, dass er seinen Traumberuf leben durfte. «Fast jeden Tag wurde ich zwar mit verschiedenen Gesetzen konfrontiert. Aber es war immer spannend und anspruchsvoll, eben mein Traumberuf.» Zusammen mit seiner Maja konnte der Traumberuf doppelt gelebt werden. Das ist tatsächlich so, wie die Geschäftsleiterin sagt: bewundernswert.