Den Spiess umgedreht
19.09.2025 Muri, FilmIm Film «Die Enkeltrick-Betrüger» werden perfide Maschen aufgedeckt – und gegen die kriminellen Clans verwendet
Sie blicken auf je über 100 Jahre Tradition zurück, der katholische Frauenbund Muri und der reformierte Frauenverein Muri Sins. ...
Im Film «Die Enkeltrick-Betrüger» werden perfide Maschen aufgedeckt – und gegen die kriminellen Clans verwendet
Sie blicken auf je über 100 Jahre Tradition zurück, der katholische Frauenbund Muri und der reformierte Frauenverein Muri Sins. Für den Anlass im Kino Mansarde haben sie zusammengespannt – das Resultat war ein ebenso informativer wie unterhaltsamer Abend.
Thomas Stöckli
«Wir haben uns das einfacher vorgestellt», gibt Cedric Schild, Journalist, Schauspieler und Comedian, unumwunden zu. Mit seinem Team hat er sich vorgenommen, Enkeltrickbetrügern auf die Spur zu kommen. Die Aussage stand ziemlich am Anfang eines Projekts, das ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen sollte. Ein Projekt mit dem Ziel, möglichst tief in die Strukturen der kriminellen Clans aus Polen, dem Libanon und der Türkei einzudringen, die perfiden Maschen festzuhalten und den Betrug vor laufenden Kameras aufzudecken. In Zusammenarbeit mit den Behörden haben so auch fünf Geldabholer festgenommen werden können, heisst es im Abspann des Films, wobei das Verfahren in einem Fall eingestellt wurde, zwei Verfahren zu Verurteilungen führten und zwei zum Abschluss der Arbeiten am Film noch hängig waren.
Kein Grund, sich zu schämen
«Der ‹Schockanruf› hat den klassischen ‹Enkeltrick› mittlerweile abgelöst», berichtet Andrea Abderhalden, Fachspezialistin für Kriminalprävention bei der Kantonspolizei Aargau, im Anschluss an die Filmvorführung im Kino Mansarde. Dabei werden Opfer mit einer Unfallmeldung in Angst und Schrecken versetzt. Dabei gelangen die Betrüger durch perfide Techniken der Gesprächsführung an die relevanten Informationen, um Kenntnisse vorzugaukeln, die sie gar nicht besitzen können. Die Opfer werden unter Druck gesetzt, teilweise über mehrere Stunden und ununterbrochen bearbeitet, durch mehrere Personen, vermeintliche Polizisten, Staatsanwälte und Richter. Bis endlich eine «Vertrauensperson» das Geld oder die Wertsachen abholt, als «Kaution», mit der das Opfer seine liebe Person vor einer Gefängnisstrafe zu retten meint.
Dabei sollten in mehrfacher Hinsicht alle Alarmglocken schrillen, mahnt Andrea Abderhalden. In einem dramatischen Fall rufe die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder der Richter nie an. Stattdessen würde eine Patrouille vor Ort kommen. Da könne man sich die Ausweise zeigen lassen und die Echtheit im Zweifelsfall auch über die Telefonnummer 117 bestätigen lassen. Weiter gibt es hierzulande keine Kaution, «und bei der Kapo Aargau reden alle Mundart», nennt die Präventionsexpertin ein weiteres Indiz. Grundsätzlich empfiehlt sie: «Sobald es um Geld und Wertsachen geht: Brechen Sie ab. Im Film kommen auch Opfer zur Sprache. Sie berichten von schlaflosen Nächten, von Ängsten, die immer wieder hochkommen, aber auch von der Scham, hereingefallen zu sein. Dabei haben sie sich nichts vorzuwerfen: «In einer schwierigen Situation könnte selbst ich nicht ausschliessen, Opfer zu werden», sagt Andrea Abderhalden und berichtet von einem versuchten Betrugsfall in ihrer nahen Verwandtschaft, den sie im letzten Moment verhindern konnte.
Wortgefechte mit dem «Keiler»
Die kriminellen Clans suchen in Telefonbüchern gezielt nach Menschen mit alt klingenden Vornamen. Das hat sich auch das Filmteam zunutze gemacht, Tausende Nummern gekauft und unter Ignaz, Konrad, Franz und Co. eintragen lassen.
Die Betrüger schluckten den Köder offenbar und am Telefon mimte Schild dann mehr oder weniger glaubhaft den verängstigten Senior, der Geldscheine verpackt, mit Goldbarren hantiert und seine diamantbesetzte Uhr beschreibt. Die Kinobesucherinnen und -besucher fiebern mit, erstarren, wenn das Filmteam auffliegt, lachen, wenn es gelingt, die Betrüger hinters Licht zu führen.
Ein erster Übergabeversuch scheitert daran, dass der Abholer Verdacht schöpft. Fortan arbeitet das Team mit Lockvögeln im Seniorenalter zusammen. Kommt es zur Übergabe, werden die Täter gefilmt, befragt und bis zum Eintreffen der Polizei verfolgt. Das Filmteam kommt der Rekrutierung von Geldkurieren auf die Spur, leistet sich Wortgefechte mit den «Keilern» am Telefon im Ausland. Dank mehr als 1200 Minuten Gesprächsaufzeichnungen aus echten Schockanrufen zeigt der Film die Maschen der Betrüger auf und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Prävention.
Selbst nachfragen
Das haben auch die Verantwortlichen des reformierten Frauenvereins Muri Sins und des katholischen Frauenbunds Muri erkannt und den Film für ihren gemeinsamen Anlass ausgewählt. «Das Thema ist aktueller denn je – leider», so Daniela Andermatt, Präsidentin des Frauenbunds, die gemeinsam mit Kollegin Claudia Marfurt vom Frauenverein begrüsste. Die Pro Senectute Aargau hat sich ihrerseits an den Kosten beteiligt. Am Filmabend ist Sandra Menzi, Leiterin der Beratungsstelle Bezirk Muri, mit dabei.
Was können Seniorinnen und Senioren machen, um nicht selbst zum Ofer zu werden? «Einen Eintrag im Telefonbuch kann man entfernen lassen», rät Andrea Abderhalden. Kommt es zu einem Anruf, solle man auflegen, selber die 117 wählen und nachfragen. Die Anrufnummer, die auf dem Display erscheine, müsse nämlich nicht zwingend echt sein.