Das Steuer rechtzeitig abgeben
21.11.2025 Gewerbe, Region Unterfreiamt, HägglingenEnde einer Ära
Geissmann Bus AG wechselt Besitzer
Johann Geissmann-Wirth wurde 1928 vom Gemeinderat als Postautohalter für die dreimal täglich verkehrende Kurslinie Hägglingen–Dottikon gewählt. Es war der Anfang einer ...
Ende einer Ära
Geissmann Bus AG wechselt Besitzer
Johann Geissmann-Wirth wurde 1928 vom Gemeinderat als Postautohalter für die dreimal täglich verkehrende Kurslinie Hägglingen–Dottikon gewählt. Es war der Anfang einer Erfolgsgeschichte. Heute betreibt das Hägglinger Unternehmen unter der Führung von Enkel Adrian Geissmann sechs Postautolinien und den Wohler Ortsbus. Nun übergibt dieser die Firma an PostAuto Schweiz. --chh
Die Geissmann Bus AG geht Ende November an PostAuto Schweiz über
Ende November geht eine Ära zu Ende. Dabei könnte die Firma 2028 das 100-Jahr-Jubiläum feiern. «Ich mache mir eben nichts aus Zahlen», sagt Adrian Geissmann schmunzelnd. Es sei der richtige Moment, um das Unternehmen jetzt in neue Hände zu übergeben.
Chregi Hansen
Hinter dem Steuer sitzt er nur noch selten. Vor Kurzem war es wieder der Fall, chauffierte er die Kindergärtner aus Villmergen in den Sternensaal und wieder zurück. «Das hat mir viel Spass gemacht», erzählt Adrian Geissmann und strahlt. Normalerweise aber sitzt er nicht im Postauto, sondern in seinem Büro. «Ich führe den Betrieb hier ähnlich wie vor 30 Jahren quasi im Alleingang. Bei der Grösse, die wir inzwischen haben, ist das einfach nicht mehr zeitgemäss», sagt er.
Adrian Geissmann kümmert sich unter anderem um die Finanzen, das Personal, die Einteilung, die Aufträge, den Materialeinkauf und den Kontakt mit den Gemeinden und der Post. Mit inzwischen 60 Angestellten brauche es eine neue Führungsstruktur, weiss er. Zudem sei inzwischen klar, dass keines seiner Kinder den Familienbetrieb weiterführen will, wofür Geissmann Verständnis hat. Damit stellte sich für ihn aber die Frage, wie es weitergehen soll mit dem Unternehmen. Dies umso mehr, als auch in Sachen Infrastruktur wichtige Entscheidungen und grosse Investitionen anstehen. Mit der sich anbahnenden Umrüstung auf Elektrobusse braucht es ein neues Depot, «denn hier in Hägglingen haben wir zu wenig Strom dafür», erklärt der Inhaber. All diese Gründe zusammen veranlassen ihn, das Geschäft an PostAuto abzutreten. «Es ist nie leicht, einen Familienbetrieb aufzugeben. Aber in diesem Fall ist dies der richtige Schritt», ist er überzeugt.
Anfangs ein Nebenjob
Damit geht in Hägglingen eine Ära zu Ende. Grossvater Johann Geissmann-Wirth hat von der Gemeinde 1928 den Auftrag erhalten für den Busbetrieb zwischen Dottikon und Hägglingen. Dreimal pro Tag verkehrte in den Anfängen der Bus – und in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 auch mal Ross und Kutsche – zwischen den beiden Dörfern. Er machte dies im Nebenamt. Auch Sohn Adolf, der 1954 ins Unternehmen einstieg, arbeitete noch als selbstständiger Auto- und Landmaschinenmechaniker. «Ich war der erste vollamtliche Chef», schmunzelt Adrian Geissmann, der 1999 seinen Vater ablöste. Zuvor hatte er Lastwagenmechaniker gelernt, die Berufsmatur absolviert und sich in Buchhaltung und weiteren Bereichen weitergebildet.
Ende November 2025 aber ist Schluss. Mit 60 Jahren hört Adrian Geissmann auf. «Ich bin 30 Jahre in der Firma, davon mehr als 25 Jahre als Chef. Und das in einem Unternehmen, das sieben Tage die Woche und fast rund um die Uhr läuft», sagt er. Einfach abschalten und ausspannen war all die Jahre schwierig, das Geschäftshandy war steter Begleiter. Mit der Übergabe an PostAuto sei die Zukunft des Betriebs gesichert. «Die Passagiere werden gar nichts merken. Auch die Chauffeure werden alle übernommen, die Zentrale bleibt vorerst in Hägglingen», erklärt er. Die Führung vor Ort übernimmt der jetzige Fahrdienstleiter Pascal Studer. Unterstützt wird er von PostAuto, dessen Know-how und Dienste er nutzen kann. «Das Unternehmen ist nachher Teil von PostAuto, kann aber weitgehend autonom funktionieren», erklärt der jetzige Besitzer.
Schon heute besteht eine sehr enge Bindung. Der Kanton bestellt die gewünschten Verbindungen bei PostAuto als Konzessionär, dieses macht eine Linien-Offerte gegenüber dem Kanton und schreibt die Transportleistungen dann aus, worauf sich die Unternehmen als Transportbeauftragte bewerben können. «PostAuto kann selber nicht alles abdecken. Rund 50 Prozent der Kurse werden von Privaten betrieben, sogenannten PostAuto-Unternehmern», erklärt Geissmann.
Im Laufe der fast 100 Jahre sind immer neue Linien dazugekommen. In der Region Wohlen betreibt das Hägglinger Unternehmen fast alle Kurse. Inklusive des Wohler Ortsbusses. «Das war damals ein grosser Schritt für uns», so Geissmann, der kurz zuvor in den Betrieb eingestiegen war. Und der Ortsbus sei ein Erfolg, fügt er an.
Heute 16 Busse im Einsatz
Aktuell ist die Geissmann Bus AG neben den Ortsbuslinien verantwortlich für den Betrieb der sechs Linien Wohlen – Stetten – Heitersberg, Wohlen – Waltenschwil – Rottenschwil, Wohlen – Waltenschwil – Büelisacker, Wohlen – Büttikon – Uezwil, Wohlen – Hägglingen und Wohlen – Villmergen – Dintikon – Dottikon – Hägglingen. 16 Busse kommen dabei zum Einsatz. «Unsere Leute sind von frühmorgens bis teilweise Mitternacht unterwegs», sagt Geissmann. Trotzdem hat er kaum Mühe, genügend Personal zu finden. Viele davon sind schon älter und schon lange dabei. Und sie sind durchaus gefordert, auch wenn die Verkehrsbelastung in der Region weniger gross ist als in grösseren Städten. Sie müssen den Verkehr im Griff haben, aber auch den Fahrplan und die Anschlüsse, und sind im engen Kontakt mit den Kunden. «Aber es ist ein schöner Beruf. Die negativen Vorfälle sind selten, die Dankbarkeit der Passagiere gross», berichtet Geissmann.
Post liess ihm viele Freiheiten
Gefragt nach den Höhepunkten der vergangenen Jahre kommt der Chef ins Grübeln. «Es ist kein einzelnes Ereignis», sagt er schliesslich, «sondern die vielen kleinen Meilensteine.» Sei es die definitive Einführung des Wohler Ortsbusses, die Installation eines Leitstellensystems, die Inbetriebnahme des ersten Gelenkbusses im Freiamt oder auch des ersten Elektrobusses. Abgenommen haben dafür die Extrafahrten, hier hat die Gurtenpflicht zu einer Reduktion der Aufträge geführt.
Geissmann aber schaut mit Stolz auf die vergangenen Jahre zurück. Dabei war der Einstieg in den Familienbetrieb keine Selbstverständlichkeit. «Ich hatte eine gute Anstellung. Aber mich hat die Selbstständigkeit gereizt.» Und er hat es geschätzt, dass die Post die privaten Unternehmen machen lässt. «Wir hatten viele Freiheiten.»
Ende November ist jetzt Schluss. Mit einer Feier nimmt Adrian Geissmann Abschied. «Ich kann gut loslassen und habe Ideen, was ich noch alles machen will», sagt er. Und aus der Wohnung im Obergeschoss des Depots kann er das Geschehen weiterverfolgen. Auch mal einen Kaffee trinken mit seinen ehemaligen Angestellten. Und wenn nötig, setzt er sich auch mal hinter das Steuer. «Ich bin ja nicht weg von der Welt», sagt er zum Schluss.



