Das Herz des FC Merenschwand
23.12.2025 Fussball, SportBrigitte Baur, Präsidentin des FC Merenschwand gewinnt für ihren langjährigen Einsatz den AFV-«Women‘s Award»
Ob die einprägsamen orangen Trikots oder die Gründung des ersten Aktivteams – Brigitte Baur war an vielen ...
Brigitte Baur, Präsidentin des FC Merenschwand gewinnt für ihren langjährigen Einsatz den AFV-«Women‘s Award»
Ob die einprägsamen orangen Trikots oder die Gründung des ersten Aktivteams – Brigitte Baur war an vielen Meilensteinen der Vereinsgeschichte des FC Merenschwand massgeblich beteiligt. Seit acht Jahren führt sie den Verein als Präsidentin – trotz teilweise schwieriger Bedingungen.
Josip Lasic
Ende November wird Brigitte Baur an der AFV-Gala im Trafo Baden mit dem «Women’s Award» ausgezeichnet. Den Preis erhalten Frauen, die besondere Leistungen für den Aargauer Fussball vollbracht haben. «Ich bin stolz darauf. So eine Auszeichnung hat nicht jeder zu Hause.»
Ihre Verdienste rund um den FC Merenschwand sind so gross, dass sie dem Aargauer Fussballverband nicht entgangen sind. Clubpräsidentin ist sie seit acht Jahren. Im Verein engagiert sie sich deutlich länger. Dabei ist die 61-Jährige keine Fussballerin. «Ich bin in Birmensdorf aufgewachsen, und habe dort zwei Jahre lang Fussball gespielt. Mein Sport war aber 20 Jahre lang Volleyball.» Dennoch prägte Fussball früh ihr Leben. Oft war sie Zuschauerin beim FC Affoltern am Albis. «Einmal war ich mit einem Gips am Bein dort. Ein Spieler fragte mich, ob ich nicht trotzdem ans Auswärtsspiel nach Thalwil mitkommen wolle – er habe einen Fahrer. Den Fahrer habe ich behalten», sagt sie lachend. «Er ist heute mein Ehemann.»
Vom Verpflegungsstand zum Präsidentenamt
Im Gespräch zeigt sich die Merenschwanderin humorvoll und schlagfertig. Das hat ihr geholfen, sich in der Männerdomäne Fussball zu behaupten. «Ich war die meiste Zeit die einzige Frau im Vorstand des FC Merenschwand. Da musste ich lernen, mich durchzusetzen.» Angefangen hatte alles in einem kleineren Rahmen. Seit 30 Jahren lebt die Familie in der Gemeinde im Oberfreiamt. Als der FC Merenschwand 2003 gegründet wurde, kam ihr Sohn Benjamin mit der Anmeldung nach Hause. «Ich begleitete ihn zu Trainings und Spielen. Irgendwann wurde ich von jemandem aus dem Verein angesprochen, ob ich nicht einen Verpflegungsstand für die Spiele organisieren würde. Das habe ich getan und ich kam dadurch 2012 als Eventverantwortliche in den Vorstand. Im gleichen Jahr erhielten wir eine neue Juniorenobfrau. Sie hat ihr Amt nach einem Jahr wieder abgegeben, also habe ich den Posten auch übernommen.» 2017 fand sich endlich jemand, der sie bei den Events ablösen konnte. Da der Club aber nach 2015 keinen Präsidenten finden konnte, war dieses Amt ebenfalls vakant. Baur, Kindergärtnerin und Klassenassistentin an der Schule Merenschwand, sagt: «Gesucht war jemand, der den Verein und das Dorf kennt. Da blieb nur ich.» Zunächst übernahm sie die Position als Präsidentin nur ad interim – und blieb dabei. Bis vor einem halben Jahr war sie daneben weiterhin Juniorenobfrau. «Jetzt bin ich nur noch Präsidentin und habe nichts mehr zu tun», sagt sie augenzwinkernd.
Wie Orange zum Markenzeichen wurde
In all den Jahren hat Baur viel bewegt. Die Gala im November ist nicht ihre erste Ehrung. «2017 haben wir den 3. Rang bei der Auszeichnung zum vorbildlichsten Verein geholt. Gleich in meinem ersten Jahr als Präsidentin.» Der zweite grosse Erfolg: der Aufstieg der ersten Mannschaft 2024 in die 3. Liga. Dieser Triumph wiegt umso schwerer, wenn man den Weg dorthin betrachtet. Der Verein wurde 2003 gegründet, hatte lange aber nur Juniorenteams. Viele Spieler verliessen den Club, sobald sie ins Aktivalter kamen. Erst als Baurs Sohn und seine Kollegen alt genug wurden, konnte man ein Aktivteam gründen. 2014/2015 trat es erstmals in der 5. Liga an und musste hart um jeden Punkt kämpfen. Keine zehn Jahre später gelang der Aufstieg in die 3. Liga. Nach einer Saison ist das Team zwar wieder abgestiegen, wird im Frühling aber wieder die Aufstiegsspiele um die 3. Liga absolvieren.
Der Abstieg aus der 3. Liga zeigt auch, mit welchen Herausforderungen ein Verein wie der FC Merenschwand kämpft. Trainer Sajmir Veliju nahm den Rückschritt sportlich. Das Team hatte weniger Erfahrung und nicht dieselbe Infrastruktur wie viele Gegner. «Gemessen daran haben wir uns gut geschlagen. Wir waren kein Kanonenfutter.» Der Platz des FC Merenschwand gehört zur Schulanlage der Gemeinde. Steht er nach Regenfällen unter Wasser, gibt es keine Ausweichmöglichkeiten. «Der Abwart entscheidet, ob der Platz gesperrt ist. Im schlimmsten Fall müssen Trainings abgesagt werden. Er kommt uns aber entgegen und schaut, dass Meisterschaftsspiele so gut es geht durchgeführt werden.»
Weil der Sportplatz zur Schule gehört, sind Bandenwerbungen verboten. Sponsorengelder lassen sich nur über Trikotwerbung holen. Obwohl der FC Merenschwand bereits auf Benzenschwil, Aristau oder Obfelden ausweicht, damit alle Teams trainieren können, stösst der Verein an Kapazitätsgrenzen. Viel ändern wird sich vorerst nicht. «Mit dem Raumplanungsgesetz, das vor einigen Jahren angenommen wurde, gibt es kaum noch Fläche, die für einen eigenen Platz infrage kommt.»
Dennoch holt der Club aus seinen Möglichkeiten viel heraus – oft mehr als geplant. Die Idee, in Orange zu spielen, stammt von Brigitte Baur. «Wir wollten eine Farbe, die kaum ein anderer Verein hat, sodass wir selten Auswärtstrikots benötigen. Das wären weitere Kosten. Ausserdem erkennt man uns in Orange sofort.» Die Farbe, die aus praktischen Gründen ausgewählt wurde, ist mittlerweile das Markenzeichen der Merenschwander. «Es gab zwar Anfragen, ob wir die Farbe wechseln könnten. Aber solange ich Präsidentin bin, bleibt das Orange.»
«Geh zu Brigitte, sie weiss alles»
Beim FC Merenschwand sind Vereinsdenken und Identifikation zentrale Werte. Geografisch hat der Club Konkurrenz vor der Tür: FC Muri, FC Dietwil, FC Sins – dazu Vereine aus der Innerschweiz und dem Zürcher Verband. «Wir erleben immer wieder, dass es Spieler gibt, die sich nicht integrieren können oder wollen. Gerade bei Jungs in der Pubertät. Dann heisst es schnell: ‹Wenn ich hier nicht mehr spiele, wechsle ich halt zu Verein XY.› Oft nehmen sie ein paar Kollegen mit. Unsere Erfahrung: Wer sich bei uns wohlgefühlt hat, kehrt irgendwann zurück. Diejenigen, die nicht zurückkommen, sind meist auch solche, die wir nicht vermissen.»
Eines Tages könnten sogar die bisher grössten Exporte zurückkehren: Lulzim Aliu, heute beim FC Muri, zuvor Profi beim FC Aarau und FC Wohlen.
Und Matteo Pasquarelli, der beim SC Cham in der Promotion League spielt, früher Profi in Wohlen und Chiasso. «Sie sagen oft, dass sie sich gut vorstellen könnten, eines Tages zurückzukommen und wieder hier zu spielen.»
Viele fühlen sich beim FC Merenschwand sehr wohl. Fast schon zu wohl. Die erste Mannschaft ist derzeit eine verschworene Einheit, mit Spielern, die grösstenteils seit den Junioren zusammen sind. «Wir haben aktuell eine zweite Mannschaft. Vielleicht gelingt es uns, in den nächsten Jahren Junioren so weit zu bringen, dass sie ein neues Aktivteam bilden. Ich kann mir ebenso vorstellen, dass unsere heutige erste Mannschaft eines Tages als Seniorenteam aufläuft und wir ein paar Jahre kein Aktivteam haben. Das ist nicht schlimm. Wichtig ist, dass wir allen im Verein einen Platz geben können und jeder die Freude am Fussball behält.»
Baur weiss um die Grenzen des Vereins – hat aber noch Ziele und Ambitionen. «Ich kann noch nicht verraten, was es ist, aber ein ganz grosses Ziel habe ich noch, solange ich Präsidentin bin.» Wie lange sie das Amt ausüben will, sagt sie nicht. Nur so viel: Im Vorstand sitzen inzwischen einige junge Mitglieder, denen sie die Nachfolge zutraut. Es wären grosse Fussstapfen. Sie gibt zu: Selbst bei banalen Fragen heisst es oft: «Geh zu Brigitte, sie weiss alles.» Baur: «Ich weiss auch wirklich viel über den Club und kenne so gut wie jedes Mitglied. Ich bin stolz, behaupten zu dürfen, dass ich den Verein mitentwickeln und prägen konnte.» Vom Aargauer Fussballverband wurde sie dafür bereits ausgezeichnet. Mit ihrer Arbeit ist sie noch nicht am Ende.


