«Das Feuer ständig nähren»
25.07.2025 Region Bremgarten, EggenwilInterview mit Werner Vogel, Gründer der Volkstanzgruppe Eggenwil
Der pensionierte Eggenwiler Posthalter und Volkstänzer Werner Vogel bewegt sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen alt und modern. Als jemand, der nicht nur Volkstänze tanzt, sondern auch ...
Interview mit Werner Vogel, Gründer der Volkstanzgruppe Eggenwil
Der pensionierte Eggenwiler Posthalter und Volkstänzer Werner Vogel bewegt sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen alt und modern. Als jemand, der nicht nur Volkstänze tanzt, sondern auch neue schreibt, ist es ihm ein Anliegen, dass diese Kultur erhalten bleibt.
Roger Wetli
Sie denken sich immer wieder neue Tänze aus. Wie stark sind Sie dabei bestehenden Regeln unterworfen?
Werner Vogel: Ich bin eigentlich gar keinen Regeln unterworfen. Ich habe jetzt gerade eine Choreografie zu Fox-Musik geschrieben. Das ist eine ganz andere Art zu tanzen als zu einem Walzer oder einem Schottisch. Bei den Tänzen sollte auch etwas für die Jungen dabei sein. Traditionell stellt man sich beim Volkstanz im Kreis auf. Das kann man durchaus mal aufbrechen, indem man von den Rändern aus tanzt.
Mischen Sie auch selber diese beiden Tanzformen?
Ja, schon. Mir ist die Abwechslung bei den Tänzen sehr wichtig.
Wie sehr können Sie die bestehenden Regeln als Tanzschreiber ausdehnen oder modernisieren?
Das kann ich, ohne Repression zu befürchten. Es gibt eine «Bibel des Volkstanzes», in der verschiedene Grundelemente in der Terminologie niedergeschrieben sind. Diese habe ich als Präsident der Schweizerischen Volkstanzkommission selber miterneuert. Sie dient als Hilfe und Grundlage für die Choreografien von neuen Tänzen. Sie ist aber nicht sakrosankt und wird immer wieder erweitert und angepasst.
Was ist Ihr Anspruch, wenn Sie selber neue Volkstänzen schreiben?
Mein Anspruch ist, dass die Tanzform und -art zur Musik passt. Die Musik besitzt ihr eigenes Leben, das auf den Tanz übergreifen soll. Die Musik gibt meine Tänze vor. Ich höre ein Musikstück sehr oft, bevor ich dazu einen Tanz schreibe. Es gab schon mal Musikstücke, zu denen mir keine Tänze eingefallen sind. Ich hatte auch Aufträge, Tänze zu Musik zu schreiben, bei denen mir die passende Choreografie zu schreiben sehr schwerfiel.
Beim Schreiben der Tänze sind Sie mitten im Konfliktfeld zwischen Bewahrung und Moderne. Wie gehen Sie damit um?
Es braucht eine gute und gesunde Mischung aus Altbewährtem und Neuem. Die Tänze sollten nicht übertrieben modern sein. Aber einen Hauch von Innovationen und Moderne sollten sie schon enthalten. Das braucht es, weil sonst droht, dass der Volkstanz einschläft. Da hilft es bereits, mal von der Kreisform ein bisschen wegzukommen. Wobei die Kreisform beim Volkstanz weiterhin zentral bleibt.
Was braucht es sonst noch, um den Volkstanz zu erhalten?
Für den Schweizer Volkstanz ist die Vielfalt der bestehenden Trachten ein Vorteil. Diese werden automatisch etwas moderner. Früher waren die Stoffe schwerer, heute leichter. Und dies, obwohl man keinen Unterschied sieht. Aber ein Schweizer Volkstanz mit Dirndl würde der Sache nicht dienen und diese Tradition auch nicht neu beleben. Zumal die Schweizer Trachten für Anlässe wie Hochzeiten und Firmenfeste wieder sehr beliebt sind und nachgefragt werden.
Das Bewusstsein für Schweizer Trachten ist also wieder gestiegen?
Ja, ganz klar.
Was würde passieren, wenn man nur noch alte Volkstänze aufführen würde?
Damit würde der Volkstanz sicher stagnieren. Wir lehren heute aber oft Laien alte und einfache Volkstänze. Wir tanzen diese dann gemeinsam. Das macht allen einen riesen Plausch und kommt dem Ursprung des Volkstanzes sehr nahe. Schliesslich waren es einst einfach zu lernende Tänze für das Volk. Wir gehen damit zurück zu den Wurzeln. Denn was wir heute auf der Bühne aufführen, ist oft eine Kunstform dieser Volkstänze für das Auge der Zuschauer.
Der Volkstanz hat also eine Chance, wenn man Laien einbezieht?
Ja, ganz klar. Und einen Teil dieser Laien kann man dann auch für das regelmässige Tanzen begeistern.
Wo spüren Sie die Grenzen dieser Modernisierung?
Zum Beispiel, wenn zu viele Elemente des Rock-’n’-Roll-Tanzes integriert werden. Der Volkstanz muss als solcher erkennbar bleiben. Rock-’n’-Roll-Tanz darf auch Rock-’n’-Roll-Tanz bleiben. Wir müssen da nicht reinpfuschen. Und unser Volkstanz muss auch kein griechischer Volkstanz sein. Dadurch bewahren wir auch die Vielfalt der verschiedenen Kulturen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Volkstanzes?
Die sehe ich positiv. Sofern wir offen bleiben gegenüber Neuem, hat er eine Zukunft. Unsere jungen Mitglieder der Volkstanzgruppe möchten gefordert werden. Die Älteren tanzen meist lieber das bereits Bekannte. Das ist ein nicht immer einfacher Spagat.
Wie schaffen Sie es, junge Leute für diesen Volkstanz zu begeistern?
Indem wir mit simplen Tänzen beginnen, erste Erfolgserlebnisse ermöglichen, darauf aufbauen und damit ihr Interesse bewahren. Wir müssen nicht nur das entfachte Feuer erhalten, sondern es so nähren, dass es noch grösser wird.
Was braucht es sonst noch dazu?
Wichtig bleibt, dass die Personen in den Führungsfunktionen offen bleiben. Sie sollen nicht in der Asche modern sein, sondern die Glut wieder zum Brennen bringen. Das ist auch gut für die älteren Vereinsmitglieder, weil auch sie damit weiter für den Volkstanz brennen. Es ist wichtig, dass der Volkstanz als Teil unserer Kultur nicht einschläft. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns dieses «Wachhalten» gelingt.
Persönlich
Werner Vogel gründete 1987 zusammen mit 31 weiteren Personen die Volkstanzgruppe Eggenwil. Der heute 73-Jährige schreibt selber Volkstänze, war lange Zeit Präsident der Eggenwiler Gruppe und im Vorstand des Aargauer Trachtenverbands als Kantonaltanzleiter und Präsident sowie mehrere Jahre schweizerischer Volkstanzleiter. Er präsidiert das Organisationskomitee des 100-Jahr-Fests des Aargauer Trachtenverbands, welches am 6. Juni 2027 in Aarau stattfindet. --rwi