«Danke Wohlen. Danke Freiamt»
24.10.2023 Wahlen, Region Wohlen, Region Bremgarten, Region Oberfreiamt, Region UnterfreiamtDer Wohler Matthias Jauslin, FDP, schaffte die Wiederwahl in den Nationalrat hauchdünn
Genau 90 Stimmen Vorsprung auf seinen parteiinternen Konkurrenten Adrian Schoop. Diese Reserve sicherte Matthias Jauslin, FDP, die Wiederwahl. Der 61-jährige Unternehmer aus ...
Der Wohler Matthias Jauslin, FDP, schaffte die Wiederwahl in den Nationalrat hauchdünn
Genau 90 Stimmen Vorsprung auf seinen parteiinternen Konkurrenten Adrian Schoop. Diese Reserve sicherte Matthias Jauslin, FDP, die Wiederwahl. Der 61-jährige Unternehmer aus Wohlen erlebte einen Zittersonntag. Das tolle Ergebnis in Wohlen trug wesentlich zum Erfolg bei.
Daniel Marti
Es war zuerst ein ganz normaler Sonntag, der sich dann aber zu einem speziellen Zittertag entwickelte. Ein besonderer Wahltag mit Happy End. Morgens eine Runde Joggen, dann ins Geschäft, um ein paar dringende Arbeiten zu erledigen, dann Mitte Nachmittag ging es nach Aarau. Kaum in der Kantonshauptstadt angekommen, lagen die ersten Resultate der Nationalratswahlen vor. Matthias Jauslin lag da an dritter Stelle auf der FDP-Liste. Dies bei zwei Sitzgewinnen. Es drohte die Abwahl für den bisherigen Nationalrat aus Wohlen und das Abrutschen auf den ersten Ersatzplatz.
Dabei sagte er kürzlich in einem Interview, dass es «toll wäre, wenn ich mich vier weitere Jahre in Bern einsetzen dürfte». Das drohte zu entschwinden. Die Wiederwahl der Bisherigen Maja Riniker war rasch klar, und dahinter lieferten sich Matthias Jauslin und Adrian Schoop ein Kopfan-Kopf-Rennen um den zweiten Platz. Es war auch ein Zweikampf zwischen erfolgreicher Wahl und grosser Enttäuschung. Als nur noch die Resultate der letzten zehn Gemeinden fehlten, lag Jauslin fast 1000 Stimmen hinter Schoop, Gemeindeammann von Turgi.
Fast unmöglich – aber Siegesgoal in der 90. Minute
Diese Ausgangslage schien auch für Optimist Jauslin echt schwierig. «Knapp 1000 Stimmen bei zehn ausstehenden Gemeinden aufzuholen, das war schwierig, vielleicht sogar unmöglich», dachte er sich in diesem Moment. Aber die Ergebnisse von grossen Gemeinden wie Aarau, Rheinfelden und Wohlen fehlten noch. Das gab Hoffnung. Und tatsächlich kam es zur grossen Wende.
Matthias Jauslin holte 32 143 Stimmen, sein Verfolger Adrian Schoop 32 053 Stimmen. Genau 90 Stimmen Vorsprung. Abgerechnet wird eben erst am Schluss. «Das ist wie im Fussball, wenn man in der letzten Minute das entscheidende Tor schiesst und gewinnt», zieht der 61-Jährige einen Vergleich. «Jede Stimme hat eben ihren Einfluss.» Wo er die entscheidenden 90 Stimmen holte, hat Matthias Jauslin noch nicht analysiert. Es ist wohl wie im Fussball: Hauptsache gewonnen.
Und natürlich hat sich der Unternehmer und ehemalige Vizeammann von Wohlen auch gewisse Gedanken über eine mögliche Abwahl gemacht. Diverse Organisationen verweigerten ihm im Vorfeld die Unterstützung. Darum wusste er, dass er auch Stimmen aus der Mitte oder vom linken Lager benötigte. Denn sein parteiinterner Gegenspieler Schoop punktete im rechten Lager. «Mein progressiver Kurs wird halt nicht überall unterstützt», so Jauslin ganz sachlich.
Politisiert er allenfalls innerhalb der FDP zu wenig rechts? Das mag er so nicht beantworten. «Wir sollten uns mehr Gedanken zur Umwelt machen. Das ist nicht eine Frage von links und rechts», sagt er. Zudem habe er Positionen bezogen, «die nicht immer der FDP-Parteilinie entsprechen». Und die Haltung, dass der Bisherigen-Bonus reichen werde, teilt er nicht immer. Auch deshalb stellte er sich auf ein knappes Rennen ein gegen den aufstrebenden Adrian Schoop, der zudem rein finanziell offenbar das grösste Budget aller Aargauer Kandidierenden zur Verfügung hatte.
Heimspiel deutlich gewonnen
90 Stimmen Vorsprung. Oder weniger als ein halbes Prozent Reserve. Ist das nur Glück? Keinesfalls, es ist nicht nur eine Frage des Glücks, so der alte und neue Nationalrat aus Wohlen. «Die Wählerschaft honoriert die Arbeit, die man macht», erklärt er. Jauslin fehlt praktisch nie in Bundesbern, verpasst kaum eine Abstimmung und ist, was die Kommissionsarbeit angeht, gemäss einer Studie einer der drei einflussreichsten Aargauer Bundesparlamentarier. Er arbeitet vor allem im Hintergrund an mehrheitsfähigen Lösungen. Genau diese Einstellung wurde nun honoriert.
Gleiches gilt für sein Engagement in Wohlen. Als Einwohnerrat, Gemeinderat und Vizeammann setzte er sich bereits für die grösste Freiämter Gemeinde ein. Und nun war sein Erfolg im «Heimspiel» in Wohlen mitentscheidend. Rund 600 Stimmen machte er auf seinen schärfsten Konkurrenten in seinem Wohnort gut. «Da habe ich total Freude, einfach nur super», sagt er dazu. «Das zeigt eben auch, dass bei einer Wahl nicht nur der Speckgürtel von Aarau bis Baden entscheidend ist.»
In Wohlen holte Jauslin 1188 Stimmen. Sein ärgster Widersacher 556 Stimmen, also 632 Stimmen Unterschied. Jauslin erzielte hinter vier SVP-Vertretungen in Wohlen das fünftbeste Ergebnis aller Kandidierenden. «Danke Wohlen. Danke Freiamt.»
Verstärktes Heimatgefühl
Im Vorfeld nannte der Familienvater die Kosten im Gesundheitswesen, die Energieversorgung und den Klimawandel die wichtigsten Baustellen, die die Schweiz zu beheben hat. Letztlich waren es doch «die Zuwanderung und die Migration», muss er jetzt zugeben. «Dieses Thema hat die SVP sehr gut bewirtschaftet», und das erklärt auch den grossen Erfolg der Volkspartei sowohl kantonal wie auch national. «Es gibt in ganz Europa eine gewisse Bewegung, die in diese Richtung geht. Die eigene Landesgrenze wird stärker bewertet. Und in der Bevölkerung gibt es ein hohes Heimat-Gefühl.»
Mit dem Erreichten der Freisinnigen ist Matthias Jauslin jedoch einigermassen zufrieden. National (ein Sitzverlust) wie kantonal (zwei Sitze gehalten) entspricht das Abschneiden knapp den Erwartungen. Bei den Wähleranteilen gab es bei der FDP praktisch keine Verschiebungen. So betrachtet kann seine Partei gefestigt in die neue Amtsperiode steigen. Dies gilt auch für den Unternehmer aus Wohlen. Er hofft, dass er in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie bleiben und seine Arbeit dort weiterführen kann. Im Departement von Bundesrat Albert Rösti gibt es einiges an Bewegung. Energiegesetz, CO2-Ausstoss, Kreislauf-Wirtschaft sind gleich drei Hauptaufgaben, die es zu meistern gilt. Jauslin hofft zudem, «dass wir hier gute Lösungen erarbeiten können».
«Es wird gerne gepoltert»
Wie im Wahlkampf versprochen, will Matthias Jauslin auch in seiner dritten Amtsperiode mit «Herz und Verstand politisieren». Bei den konservativen Ausrichtungen sei diese Art zu politisieren nicht immer gefragt, hält er fest. «Es wird halt gerne gepoltert und oft vergessen, dass hinter jedem Problem Menschen stehen.» Matthias Jauslin wird seiner Gangart allerdings treu bleiben. Deshalb stellt er sich auf vier intensive Jahre in Bundesbern ein. Die letzten vier Jahre waren mit etlichen Notfallplanungen versehen. Corona, Ukraine-Krieg, CS-Niedergang, jetzt Israel-Konflikt sorgen für viel Unsicherheit.
In Bundesbern haben Bundesrat und Bundeskanzlei an die Grenzen gehen müssen, blickt er zurück. «Unser politisches System ist eben aussergewöhnlich gut und mitverantwortlich, dass es uns so gut geht.» Genau hier will Matthias Jauslin auch in der nächsten Legislatur anknüpfen. Natürlich mit Herz und Verstand.