«Da kann man nur den Kopf schütteln»
11.06.2024 WohlenDie Parteien des Referendumskomitees zwischen Hadern und Hoffnung
Nach dem haudünnen Entscheid im Einwohnerrat haben sich Grüne, SP und die Mitte zum Referendumskomitee zusammengeschlossen. Auch der Verein «Schöner Wohlen» setzte sich für die ...
Die Parteien des Referendumskomitees zwischen Hadern und Hoffnung
Nach dem haudünnen Entscheid im Einwohnerrat haben sich Grüne, SP und die Mitte zum Referendumskomitee zusammengeschlossen. Auch der Verein «Schöner Wohlen» setzte sich für die Aufwertung der Zentralstrasse ein. Ohne Erfolg. Zudem wird der Stil im Abstimmungskampf massiv kritisiert.
«Natürlich sind wir enttäuscht über das Resultat: Wohlen hat seine grosse Chance auf ein attraktives Zentrum und ein ansprechenderes Image vertan», sagen Stefanie Dietrich und Sonja Isler-Rüttimann in der Funktion als Co-Präsidium der Mitte. «Das Skurrile an der Sache: Wohlen hat genau diese Bestellung vor Jahren getätigt und nun, nach getaner Arbeit aller Beteiligten, auch gleich selbst versenkt – ein Armutszeugnis.» Die beiden thematisieren auch die Art und Weise, wie dieser Abstimmungskampf geführt wurde. «Persönliche und freche Angriffe unter der Gürtellinie, das Verbreiten von Unwahrheiten und falschen Fakten, übertriebene Zahlen und Angstmacherei. Diese Art von politscher Auseinandersetzung ist ganz sicher nicht zielführend und eine Veräppelung des Volkes.»
Mit der Sanierung der Kanalisation und der Bushaltestellen werde Wohlen alle Unannehmlichkeiten der Grossbaustelle haben, «aber die zwei Millionen des Bundes erhalten wir nicht dafür, da kann man wirklich nur den Kopf schütteln».
Laura Pascolin, Präsidentin der SP, spricht von «einer klaren Entscheidung. Die Verknüpfung der Aufwertung mit dem Steuerfuss war nachvollziehbar und spielte eine Rolle bei der Ablehnung». Überraschend sei die Zustimmung zum Verpflichtungskredit für die Sanierung der Kanalisation. «Die Wählerinnen und Wähler erkennen hier die Notwendigkeit der Massnahme. Wenigstens ein Teilerfolg für das Ja-Komitee», so Pascolin.
Kein idealer Zeitpunkt
Für Patrick Schmid, Grüne, war es «sehr überraschend», dass es zu einem Ja bei der Kanalisation und einem Nein bei der Aufwertung der Zentralstrasse gekommen ist. Er glaubt, «dass die Positionen für das Abstimmungsverhalten sehr schnell, wenn nicht sogar weit vor der Abstimmung, bezogen worden sind.» Wahrscheinlich sei es für das Projekt «kein idealer Zeitpunkt gewesen. Die finanzielle Situation der Gemeinde und die Steuerfuss-Diskussion sind für mich zentrale Gründe für das Nein an der Urne.»
Schmid führte bekanntlich zwei Spaziergänge als Infoveranstaltungen durch. «Es gab nur ein paar wenige Unentschlossene, die sich ein Bild weg vom emotional geführten Abstimmungskampf machen wollten», erklärt er. «Weil das Projekt sowohl Pro- als auch Contra-Argumente aufgewiesen hat, konnte sich diese Gruppe bestimmt ein neutraleres, ausgewogeneres Bild auf Sachebene machen.» Und was glauben die Exponenten von Grüne, SP und Mitte wie es nun mit der Zentralstrasse weitergehen wird? Patrick Schmid: «In der nächsten fünf bis sechs Jahren, realistisch gesehen aber eher sieben bis 15 Jahren wird eher wenig im Sinne einer Aufwertung passieren an der Zentralstrasse.» Es werde aber nicht an Baustellen mangeln, die Sanierung der Kanalisation und die Anpassung der Bushaltestellen werden kurz- bis mittelfristig realisiert. Er nennt aber auch die unumgängliche Belagssanierung. «Der Lead liegt beim Kanton. Mit der Anpassung der Bauund Nutzungsordnung und kommunalen Vorstössen sind vielleicht kleinere Aufwertungen zu realisieren, diese werden aber eher einen kosmetischen Charakter haben.» Denkbar sei aus grüner Sicht das Fördern von diversen Begrünungen. Wie die Grünen will sich auch die Mitte weiterhin für ein attraktives und lebenswertes Zentrum einsetzen. «Nach diesem Nein aber bestimmt nicht mehr prioritär», so das Co-Präsidium. «Offenbar möchte die Bevölkerung kein ansprechendes und lebenswertes Zentrum haben. Es gibt die nächsten Jahre keine ähnliche Chance mehr.»
Laut Stefanie Dietrich und Sonja Isler-Rüttiman bleibt ein schaler Nachgeschmack: «Das Wohler Gewerbe hat sich nie zu den geplanten Massnahmen geäussert. Hat wirklich niemand Interesse an einem attraktiven Erscheinungsbild und einer Stärkung des Standortes? Nimmt man tatsächlich in Kauf, dass Wohlen weiterhin als charmelose Zentrumsgemeinde kaum über die Grenzen hinaus leuchtet?»
Laura Pascolin setzt auf Hoffnung
Wie es weitergehen soll mit einem attraktiven Zentrum, bleibt für Laura Pascolin offen «und verlangt nach neuen Ansätzen. Nur durch gemeinsames Handeln können wir ein Zentrum gestalten.» Sie hofft, dass die Bereitschaft von Bund und Kanton, «finanzielle Unterstützung für zukünftige Projekte zu gewähren, nicht durch diese Ablehnung beeinträchtigt» werde. Pascolin kritisiert zudem, dass die Gegnerschaft in der Kampagne oft Personen sowie Politiker angriff und dabei «einen respektlosen Ton anschlug, der weit entfernt von jeglicher Vernunft war. Es geht hier um eine Strasse, nicht um öffentliche Gesundheitsmassnahmen.» Auf jeden Fall sei sie überzeugt, «dass sich Wohlen mit oder ohne Aufwertung der Zentralstrasse weiterentwickeln» werde. --dm
Bis hin zur Morddrohung …
Für Harry Lütolf sind die Feindseligkeiten schockierend
Er hat sich am stärksten eingesetzt für die Aufwertung der Zentralstrasse. Harry Lütolf war als Grossrat und Einwohnerrat in Aarau und Wohlen aktiv. Sein Engagement hat sich letztlich nicht ausbezahlt – zudem machte er noch eine ganz schlechte Erfahrung.
«Das Referendumskomitee hat wie ein Löwe für die Aufwertung unseres trostlosen Dorfzentrums gekämpft. Grotesk und schockierend ist die Tatsache, dass dieser Einsatz für die Dorfgemeinschaft auf Feindseligkeit gestossen ist. Das ging bis hin zu Morddrohungen», so der Harry Lütolf.
«Euch sollte man erschiessen»
Wie bitte? Morddrohungen? Lütolf erklärt: «Beim Aufhängen von Plakaten «Ja Zentralstrasse», an der Friedhofstrasse, kam eine Passantin auf eines unserer Teams zu und sagte: Euch sollte man erschiessen.» Für ihn sei das nichts anderes als eine Morddrohung.
Harry Lütolf dazu: «Ich sage den Brandstiftern in diesem Dorf: Das wird Konsequenzen haben für die künftige politische Zusammenarbeit!»
Das Resultat der Abstimmung könne niemanden befriedigen, so Lütolf weiter. «Es gibt nur Verlierer.» Denn das Schreckensszenario der Gegner der Aufwertung werde Realität. Die Zentralstrasse und der Postplatz müssen aufgrund des Volksentscheids trotzdem aufgerissen werden, «das von den Gegnern heraufbeschworene Verkehrs-Chaos müsste demnach eintreten». Und es ärgert ihn, dass nun zwei Millionen Franken Bundesbeiträge ausfallen. «Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine Gemeinde die versprochenen Bundesgelder im Rahmen eines Agglomerationsprogramms quasi in letzter Minute zurückgewiesen hätte. Wohlen hat das jetzt als erste Gemeinde der Schweiz geschafft.» Freuen könne man sich nun nur auf die «schönen Schnitzelbänke, die man aufgrund dieser Absurdität an der nächsten Fasnacht zu hören bekommen wird.»
Nun sind laut Lütolf die Gegner am Ball. «Sie hatten zwar nie eine Alternative anzubieten, wissen aber offenbar alles viel besser. Sie sind die besseren Verkehrsplaner als die Profis beim Kanton. Sie dürfen jetzt selbst beim Kanton für eine Überarbeitung des Konzepts anklopfen.» Kosten werde es die Gemeinde auch so, denn gratis sei beim Kanton nichts zu haben. «Ich bin gespannt, wie die Gegner der Aufwertung der Zentralstrasse diese erneuten Ausgaben dem Volk verkaufen möchten.» --dm