BRIEF AUS FLORIDA
24.03.2023 Kelleramt, Kolumne, Jonen, MeinungenJoe Huber, Fort Myers.
Die Lage ist ernst
Die Akte CS gibt auch hier in Amerika einiges zu reden und wirft – um es noch anständig auszudrücken – nicht gerade ein gutes Licht auf die ...
Joe Huber, Fort Myers.
Die Lage ist ernst
Die Akte CS gibt auch hier in Amerika einiges zu reden und wirft – um es noch anständig auszudrücken – nicht gerade ein gutes Licht auf die Schweizer Banken, deren Aufsichtsbehörde und demzufolge auch nicht auf die Eidgenossenschaft, ungeachtet dessen, dass die CS jetzt von der UBS übernommen wurde. Als ehemaliger Banker tun mir solche Sachen wirklich weh und ich kann sehr gut mit den Tausenden CS-Mitarbeitern mitfühlen, die wegen Versagen ihrer Chefs nun um ihre Stelle zittern müssen. Natürlich halten sich meine amerikanischen Freunde nicht mit hämischen Bemerkungen zurück und fragen mich, was denn wohl los sei in der Schweiz.
Dabei gäbe es doch einiges vor der eigenen Tür zu wischen, denn Bankenprobleme gibts auch hier zuhauf und zudem braut sich in Washington ein Gewitter zusammen, das, sofern es ausbricht, viel katastrophalere und noch nie dagewesene Auswirkungen auf unsere Wirtschaft hätte als der Fall CS. Und der ist schon schlimm genug. Wenn ich sage unsere, meine ich nicht nur die USA, die es natürlich am stärksten träfe, sondern die ganze Welt. Denn wenn die am Bruttosozialprodukt gemessen grösste Wirtschaftsnation – ja, das ist allen Unkenrufen zum Trotz immer noch Amerika mit ordentlichem Vorsprung auf China – darniederliegt, so wird es alle anderen auch erwischen.
Die Rede ist von der kompletten Unfähigkeit unserer Politiker auf beiden Seiten, das Thema Anhebung der Schuldenobergrenze anzupacken und bitter nötige Kompromisse zu finden, denn in so einer Situation müssen alle ihren Teil dazu beitragen und ohne Ausgabenkürzungen geht es schlicht und einfach nicht. Obwohl solche Abstriche auch mich betreffen könnten (etwa Leistungskürzungen der hiesigen AHV und bei der staatlichen Krankenkasse, bei der auch ich nebst rund 60 Millionen von pensionierten Amerikanern versichert bin), unterstütze ich generell die Forderung der Republikaner, dass jetzt einfach mal gespart werden muss, denn diese horrenden Schulden müssen ja – so sollte man meinen – irgendwann mal zurückbezahlt werden.
Andererseits verstehe ich auch die Forderung der Demokraten, dass jeder – auch der Superreiche – seinen fairen Anteil an Steuern bezahlen soll. Wenn sie nicht bald eine Lösung finden, die eben mit Kompromissen verbunden ist, könnte es schlimmstenfalls zur Zahlungsunfähigkeit Amerikas kommen und das wäre dann der Ausbruch des oben erwähnten Gewitters. Man kann da nur auf die Vernunft der Politiker hoffen, aber ich persönlich lege hier die Messlatte der Hoffnung nicht allzu hoch. Es ist nicht das erste Mal, dass es dieses Problem anzupacken gilt, und wie immer, nach typisch amerikanischer Manier, setzt man sich erst ernsthaft damit auseinander, wenn es greifbar ist, und dann wird wieder so eine «Last minute»-Heftpflaster-Lösung gefunden und beide Seiten brüsten sich damit, es sei ihr Verdienst gewesen, um sich so auf die nächsten Wahlen warmzulaufen. Rauft euch bitte zusammen in Washington, die Lage ist ernst und es eilt.
Der in Jonen aufgewachsene Joe Huber wohnt seit 1986 in den USA. Lange Zeit in New York, nun in Fort Myers, Florida. Regelmässig berichtet er von seinem Leben und hält seine Gedanken als Auslandschweizer fest.