Bombastische Schnüfflerin
25.11.2022 WohlenLabradorhündin Cara und Diensthundeführer Beat Bührer tätigen Sprengstoffabklärungen
Die Nase von Sprengstoffspürhündin Cara sichert bei Grossveranstaltungen den Austragungsort.
Celeste ...
Labradorhündin Cara und Diensthundeführer Beat Bührer tätigen Sprengstoffabklärungen
Die Nase von Sprengstoffspürhündin Cara sichert bei Grossveranstaltungen den Austragungsort.
Celeste Blanc
Für den Angliker Beat Bührer ist es ein einmaliges Experiment: Gemeinsam mit Cara, seiner vierjährigen Labradorhündin, absolvierte er im vergangenen Jahr die Sprengstoffspürhund-Ausbildung des Privatunternehmens SK-9 GmbH in Luzern. Im August haben die beiden den anspruchsvollen Lehrgang erfolgreich abgeschlossen und gehören nun einem auserwählten Kader an, das vor Grossveranstaltungen oder bei Privataufträgen zum Einsatz kommt. Das Ziel: Räumlichkeiten auf Sprengstoff bestände zu durchsuchen. Einen Grosseinsatz durften die beiden schon erleben. «Es war wie bei James Bond», lacht Beat Bührer.
Charakter des Hundes entscheidend
Spürhunde kommen in verschiedenen Situationen zum Einsatz, etwa bei akuten Bombendrohungen. Dann werden Militär- und Polizeihunde auf den Plan gerufen. Spezialausbildungen gibt es aber auch im Bereich Bettwanzenuntersuchungen in Zivilschutzanlagen oder Spitälern, oder auch bei der Menschensuche. Beat Bührer weiss: «Bei solchen Aufgaben kommt es immer auf den Charakter des Hundes an.»
Wie bei James Bond
Anglikon: Beat Bührer und seine Labradorhündin Cara teilen ein aussergewöhnliches Hobby
Beat Bührer und Cara kommen dann ins Spiel, wenn die Sicherheit von Menschen zu gewährleisten ist. Denn: Cara ist Sprengstoffspürhündin. Was ursprünglich als etwas «andere Herrchen-Hund-Zeit» gedacht war, lässt sie mittlerweile an Grossveranstaltungen zum Einsatz kommen.
Celeste Blanc
Labradorhündin Cara ist in Startposition. Ein bisschen unruhig rutscht sie hin und her, wartet gespannt auf das Kommando ihres Herrchens Beat Bührer. Sie weiss, dass sie nächstens in Aktion treten muss. Dann: «Check Bumbum!» Cara springt auf und macht sich davon.
«Check Bumbum» bedeutet für den vierjährigen Labrador, dass sie die Umgebung auf Sprengstoff absuchen soll. Im August hat Cara gemeinsam mit ihrem Herrchen die Sprengstoffspürhund-Ausbildung in Luzern erfolgreich abgeschlossen. Seither gehört sie einer Spezialeinheit des Luzerner Unternehmens SK-9 GmbH an. Dieses wird dann auf den Plan gerufen, wenn vor grossen Veranstaltungen oder bei Verkehrsmitteln wie Flugzeugen eine Risiko- respektive Gefahrenanalyse, sprich die Sicherstellung, dass es keine Sprengstofflagerungen im ausgewählten Raum hat, getätigt werden muss.
Sprengstoffschnüffeln ist Spitzensport
Versiert arbeitet sich Cara durch jeden Winkel bei der Feuerstelle Alpenzeiger oberhalb von Anglikon. Büsche, Bänkchen, Baum, Feuerstelle. Sie weiss, dass sie im Einsatz ist. «Es ist schon faszinierend, Cara beim Schnüffeln zuzuschauen», meint Bührer, der sie zufrieden beobachtet. Und faszinierend ist das tatsächlich: Ein Hund besitzt rund 220 Millionen Riechzellen. Und hat damit fast 50mal mehr als ein Mensch. Zur Illustration: Caras Nase würde zwei mit Sprengstoff kontaminierte Sandkörner in einem 500Meter langen, fünfzig Meter breiten und einen halben Meter tiefen Abschnitt, der komplett mit Sand gefüllt ist, erschnüffeln.
Auch atmet sie, um möglichst viele Duftstoffe aufnehmen zu können, bis dreihundert Mal pro Minute ein und aus. Deshalb darf ein Einsatz der Sprengstoffspürhündin nicht länger als 30 Minuten dauern. «Wenn ein Hund Sprengstoff, Waffen, Munition oder Sprengstoff bestandteile erschnüffeln muss, ist das mit Spitzensport vergleichbar», erklärt Bührer. Und er weiss, von was er spricht. Bis vor wenigen Jahren ist er intensiv Triathlon gelaufen, hat sich sogar für den bekannten Triathlon in Hawaii vorbereitet. Daraus wurde aber nichts. «Die Liebe ist mir dazwischengekommen», lacht er und meint seine Ehefrau Brigitte.
Spezifische Eigenschaften für Ausbildung nötig
Seit vier Jahren gehört Cara an die Seite von Beat und Brigitte Bührer. Voll «auf den Hund gekommen» ist der Schaffhauser, der seit 2005 in Anglikon wohnt, im Jahr 2017. Damals hat sich der gelernte Maschinenbau-Mechaniker, der sich beruflich umorientierte und 30 Jahre lang eine Druckerei in Zürich und Dietikon führte, frühpensionieren lassen. «Die Leitplanken des Berufes waren von einem Tag auf den andern weg. Nun hatte ich Zeit, etwas zu tun, was ich schon immer wollte: Eng mit einem Hund zusammenarbeiten.» Als Cara ein Jahr später zur Familie stiess, lernte Bührer schnell ihre spezifischen Eigenheiten und Stärken kennen: Sie ist extrem spielfreudig, apportiert gern und hat einen ausgeprägten Beutetrieb. «Ursprünglich wollte ich mit ihr die Ausbildung zum ‹Mantrailing›, also der Menschensuche, absolvieren», so der aufgestellte Frühpensionär. «Eher zufällig» stiess Bührer dann bei seiner Recherche auf die Firma SK-9 GmbH. Die private Organisation ist eine von wenigen Firmen schweizweit, die unter anderem eine Ausbildung zum Sprengstoffhund anbietet. «Als ich den Anforderungskatalog durchlas, wusste ich: Das passt wie die Faust aufs Auge zu meiner Cara.»
«Meine Cara» – so nennt Bührer seine Labradorhündin. Für sie und ihre kleine «Schwester», die Jack-Russell-Terrier-Hündin Enya, empfindet er tiefe Zuneigung. «Hunde lügen nicht, sie ‹verseckeln› dich nicht. Aber sie lieben mit ganzem Herzen, bedingungslos», erzählt er und fügt scherzhaft an: «Einfach, dass das klar ist: Ich bin glücklich verheiratet.»
Demut vor dem Können des Hundes
Um einen Hund für die Sprengstoffsuche aufzubauen, braucht es verschiedene, aufeinander abgestimmte Vorgehen. Zuallererst musste Cara an den «Stoff» gewöhnt werden. «Zu Beginn war das essenziell, den Hund auf den Geruch von verschiedenen ‹Sprengstoffarten› zu konditionieren», erklärt der 64-Jährige. Dem folgte, die Stoff kenntnisse umzusetzen, also die Wahrnehmung von verschiedenen Arten, so von Schwarzpulver über synthetische bis Bestandteile von Sprengstoff, zu unterscheiden. Als Cara diese zu erkennen vermochte, folgten die Module, die den Hund in der eigentlichen Suche in seinem Anzeigeverhalten festigen. In lärm- und betriebsintensiven Infrastrukturen, in denen die Ablenkungen besonders hoch sind, fand die Konzentrationsförderung statt. «Wir besuchten Bauernhöfe, Industriebetriebe, aber auch Depots mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln», erklärt der Angliker.
Doch nicht nur Cara, auch Beat Bührer hat während dieser Zeit einiges gelernt. Vor allem eine Devise. «Vertraue auf die Nase deines Hundes», lacht er. Manchmal erwische man sich als Hundeführer, wie man versucht, den Hund bei der Suche lenken zu wollen. «Doch man muss loslassen und dem Hund das Zepter übergeben», weiss er. Die Demut vor diesem einmaligen Können seiner Hündin sei ihm «sehr eingefahren».
Einmaliges Experiment
Zurück nach Anglikon zur Feuerstelle Alpenzeiger. Mittlerweile nähert sich Cara der Grillstelle. Hier hat Beat Bührer eine kleine Box mit Selbstlaboraten, die er zu Übungszwecken hat, deponiert. Sie schnüffelt zwischen den Rosten durch und verharrt. Ein kurzes, lautes Klicken ist zu hören. Es ist das Zeichen für Cara, dass sie fündig geworden ist. Zur Belohnung gibt es für sie ein Hundeguetzli. Leckerchen, Streicheleinheiten, kurze Verschnaufpause mit Caras Lieblingsspielzeug, «Check Bumbum». Das Ganze nochmals von vorn. Cara rennt davon.
Seit Abschluss ihrer Ausbildung sind Beat Bührer und Cara bereit für Einsätze der SK-9. Die Privatfirma ist gefragt, bietet Risikoanalysen und Prävention auch für grosse Events an. «Unser erster Einsatz wäre im Hallenstadion vor dem Rolling-Stones-Konzert gewesen», so Bührer. Aufgrund der Coronaerkrankung von Mick Jagger musste das Konzert abgesagt werden. Seither galt es nur einmal ernst für das Team. So viel darf verraten sein: Es war eine Risikoanalyse eines Flugzeuges eines Staatsoberhauptes, das vor Abf lug sein Flugzeug hatte kontrolliert haben wollen. «Die Durchsuchung des riesigen Frachtraums fühlte sich ein wenig an wie bei James Bond», lacht Bührer und es klickt erneut. Cara wurde wieder fündig.
Dass Bührer irgendwann mal solche Aufträge wahrnimmt – damit hatte der Diensthundeführer nie gerechnet. Und obwohl die gemeinsame Reise mit Cara spannend sei, ist für ihn klar, dass das Abenteuer «Sprengstoffsuche» mit ihr enden wird. «Es ist ein einmaliges Experiment. Wenn meine Cara nicht mehr kann, dann ist es auch für mich Zeit, aufzuhören.» Bis dahin hofft er aber, noch den einen oder anderen speziellen Einsatz miterleben zu dürfen. Natürlich top secret. Wie bei James Bond.