Bewegung auf und vor der Bühne
30.08.2024 WohlenIn eigenen Kosmos eintauchen
Der Sternensaal Wohlen lädt im kommenden Jahr zur Theaterexpedition im Kulturwerk Bleichi
Die Spatzen pfeifen es schon länger von den Dächern. Der Verein «Kultur im Sternensaal» arbeitet an ...
In eigenen Kosmos eintauchen
Der Sternensaal Wohlen lädt im kommenden Jahr zur Theaterexpedition im Kulturwerk Bleichi
Die Spatzen pfeifen es schon länger von den Dächern. Der Verein «Kultur im Sternensaal» arbeitet an einer neuen Eigenproduktion. Jetzt endlich wird es offiziell. Am 16. Mai ist Premiere von «Sechs Beine».
Chregi Hansen
Seit 1987 ist der Verein ein wichtiger Player in der Wohler Kulturszene und wurde für sein grosses Engagement auch schon mit dem Kulturpreis ausgezeichnet. Bis zu 40 Lesungen, Theaterstücke, Konzerte und weitere Anlässe präsentiert der Sternensaal pro Jahr in den eigenen Räumen. Doch der Verein versteht sich nicht nur als Veranstalter, «regelmässig erfasst uns auch selbst das Theaterfieber», erklärt Präsidentin Eva Keller.
Und die eigenen Produktionen haben es in sich. Aufgeführt werden keine 08/15-Stücke, der Sternensaal mag das Besondere. Sei es eine Sightseeingtour durchs Dorf («Wohle Wandeling», 2001), eine Co-Produktion mit anderen Freiämter Vereinen («Mit Chrüüz und Fahne», 2012), das Fassadentheater «Morsch» (2017) oder das so erfolgreiche Stück «Tschingge» (2007), bei dem alle Vorstellungen schon vor der Premiere ausverkauft waren. Die Crew wagt immer wieder Neues, bleibt dabei aber ihrem Credo treu. «Bei uns spielen Laienschauspieler, mehrheitlich aus dem Verein selbst. Aber die Leitung geben wir immer in professionelle Hände», so Keller.
Ganz besonderer Spielort
Und daran ändert sich auch bei der kommenden Produktion «Sechs Beine» nichts, welche vom 16. Mai bis 28. Juni 18-mal zu sehen sein wird. Auf den Bühnen (die Mehrzahl ist bewusst gewählt) sind 11 Darsteller zu erleben, hinter den Kulissen ziehen bekannte Namen der Theaterszene die Strippen. Die Regie hat, wie könnte es anders sein, Adrian Meyer. Stefan Hegi sorgt für das aussergewöhnliche Bühnenbild. Mit Jonas Arnet (Musik), Titus Bütler (Filme), Bernadette Meier (Kostüme) und Edith Szabò (Licht) setzt der Sternensaal auf bewährte Kräfte. Geschrieben wurde das Stück vom bekannten Autor Guy Krneta, dieser bringt Ilona Kannewurf als Choreografin mit. Doch den wichtigsten Part hat diesmal wohl der Spielort. Aufgeführt wird «Sechs Beine» nicht im Sternensaal, sondern im Kulturwerk Bleichi. Hier entwickeln die Macher einen ganz eigenen Kosmos – mit dem Publikum in der Mitte, welches das Geschehen um es herum auf Drehstühlen verfolgen kann. Und dabei eine Schwarmintelligenz entwickeln muss, um eine spannende und vergnügliche Reise in eine mehrheitlich unbekannte Welt anzutreten.
Der Sternensaal lädt an 16. Mai zur neuen Eigenproduktion «Sechs Beine»
Der Entomologische Verein Wohlen, also die Organisation der Insektenfreunde, feiert sein 125-Jahr-Jubiläum und lädt zum Tag der offenen Tür. Und so, wie es ganz viele verschiedene Insekten gibt, unterscheiden sich auch die Mitglieder voneinander. Es wuselt in jeder Beziehung. Auch das Publikum muss sich beweglich zeigen.
Chregi Hansen
Die Szene ist irgendwie sinnbildlich. Das Produktionsteam wartet im Sternensaal auf Bühnenbildner Stefan Hegi, der aber ist bereits in der Bleichi und baut hier eine Miniausgabe des geplanten Spielortes auf. Und so zügelt der Sternensaal eben ins Kulturwerk. So, wie es auch bei der neuen Eigenproduktion der Fall sein wird.
«Für uns war eigentlich immer klar. Unser Stück spielen wir auf der eigenen Bühne», erklärt Produktionsleiter Hans Melliger. Und davon waren die Verantwortlichen auch noch überzeugt, als Hegi vorschlug, doch einmal den grossen Konzertsaal im Kulturwerk Bleichi anzuschauen. «Wir gingen zwar da hin, wollten Stefan aber klarmachen, dass wir im Sternensaal bleiben», schaut Präsidentin Eva Keller zurück. Doch es kam anders. Der grosse Raum und die Ideen des erfahrenen Bühnenbildners führten zu einem Umdenken. «Das, was uns vorschwebt, lässt sich im eher kleinen Sternensaal nicht umsetzen. In der Bleichi finden wir hingegen eine perfekte Infrastruktur vor», erklärt Hans Melliger.
Für beide Vereine ein Gewinn
Doch auch für den Kulturverein, der das Kulturzentrum in der Bleichi in Zukunft betreibt, kommt die geplante Grossproduktion gelegen. «Es ist eine Win-win-Situation», sagt dessen Präsident Jonas Arnet. Zum einen entsteht leiser Druck, den Hauptsaal bis im kommenden Frühling fertig saniert zu haben. Zum anderen kann dieser gleich mit einem besonderen Ereignis eingeweiht werden, welches sicher auch Leute anzieht, die das Kulturwerk Bleichi noch nicht kennen. Umgekehrt kann der Sternensaal seine neue Produktion in einem Raum inszenieren, in dem sich Stefan Hegi bei der Gestaltung des Spielortes so richtig austoben kann. Und da er auch bei der Sanierung der Bleichi die Leitung innehat, bleiben die Wege für ihn kurz.
Hegi sprüht bereits von Ideen. In «Sechs Beine» wird die sonst übliche Trennung von Tribüne und Bühne durchbrochen. Das Publikum sitzt genau im Zentrum des Saals auf beweglichen Stühlen, gespielt wird in einer Art sechseckigem Kokon rund um die Zuschauer herum. Geboten werden Spielszenen auf verschiedenen kleinen Bühnen, aber auch Filme, Animationen und Schattenspiele auf verschiedenen Leinwänden. Um das Geschehen zu verfolgen, müssen die Zuschauer sich immer wieder auf ihren Stühlen drehen. «Das wirkt dann wie die Bewegung eines Insektenschwarms», erklärt Hegi mit einem breiten Grinsen. Und: Je nachdem, auf welcher Bühne gespielt wird, ist ein Besucher mal ganz nah am Geschehen und dann wieder weiter weg. Ständig wird er mit einer neuen Welt konfrontiert.
Von Besserwissern und Tüpflischissern
Um eine spezielle Welt geht es auch im Stück. Es ist zum einen die Welt der Vereine, wie es sie zu Tausenden in der Schweiz gibt. «Einige kennt man bestens wie den Männerchor oder den Fussballclub, andere wirken im Verborgenen», erklärt Hans Melliger. Ein solcher steht im Zentrum des neuen Stücks: der Entomologische Verein Wohlen. Den gibt es nicht in real, aber den könnte es geben. Entomologen sind Insektenforscher. Und diese haben sich im fiktiven Wohlen vor 125 Jahren zu einem Verein zusammengeschlossen. Und so unterschiedlich Insekten sein können, so unterscheiden sich auch die elf verbliebenen Mitglieder. Vom Besserwisser über den Tüpflischisser und den Zweifler bis zum Eigenbrötler sind in diesem Verein alle versammelt. Einige sind seit ewig und mehr dabei, andere sind später dazugekommen. «Wir erzählen im Stück keine eigentliche Geschichte, sondern stellen die Welt dieses Vereins vor», sagt Regisseur Adrian Meyer. Und selbst die Gründerväter von damals treten am Abend in Erscheinung.
Darsteller bringen sich ein
Geschrieben hat das Stück der in Basel lebende Berner Autor Guy Krneta. «Er hat sich schon länger mit dem Thema befasst, unsere Anfrage war für ihn Motivation, das Stück auf Papier zu bringen», so Melliger. Die einzelnen Charaktere sind aus Interviews mit den Darstellern und improvisierten Szenen entstanden, jede Figur enthält also auch Anteile ihres Spielers. Geschrieben wurde das Stück in Berndeutsch, Adrian Meyer übersetzt es nun ins Freiämterische. Mitte September starten die ersten Leseproben, ab Mitte Oktober folgen die ersten Szenen. «Wir hoffen, dass wir ab Anfang nächstem Jahr dann in der Bleichi selbst proben können», so Meyer.
Die neue Produktion hat höchste Ansprüche in allen Bereichen. «Wir sind stolz und froh, solch namhafte Namen in der künstlerischen Leitung zu haben», sagt Präsidentin Eva Keller. Neben Hegi und Meyer sind das Jonas Arnet (Musik), Titus Bütler (Film/Animation), Ilona Kannewurf (Choreografie), Bernadette Meier (Kostüme) und Edith Szabò (Lichtdesign). Gross ist die Freude, dass erstmals auch Adrian Meyers Tochter Lilo Lucia Meyer als Maskenbildnerin an Bord ist. Natürlich ist auch eine Theaterbeiz geplant, wo man sich vor und nach den Aufführungen treffen kann. Hier haben Andreas und Bettina Weber sowie Erika Melliger das Zepter übernommen. «Bei so vielen guten Leuten kann eigentlich nichts mehr schiefgehen», sagt Hans Melliger.
Finanziell gesehen eine «grosse Kiste»
Und das sollte es auch nicht. Das Budget beläuft sich auf rund 200 000 Franken. Einen Viertel davon stemmt der Verein selbst. «Wir nutzen jeweils den Gewinn unserer eigenen Produktionen für die nächste», erklärt Präsidentin Keller. Dazu laufen diverse Gesuche, der Rest muss über die Eintrittsgelder eingespielt werden. 18 Vorstellungen sind insgesamt geplant, rund 100 Zuschauer und Zuschauerinnen finden pro Abend Platz – abhängig davon, wie gross das Sechseck wird, welches Stefan Hegi in der Mitte baut.
Noch gibt es also einiges zu tun, doch die Vorfreude ist allen Beteiligten bereits anzumerken. «Es ist kein normales Stück, wir sprechen lieber von einer Theaterexpedition», sagt Hans Melliger. Eine Expedition in die kleine Welt des Entomologischen Vereins mit seinen speziellen Mitgliedern und dem aussergewöhnlichen Vereinszweck. Dabei sollen die Figuren nicht überzeichnet, sondern als ebenso eigenwillige wie alltägliche Personen dargestellt werden. Die sich ab und an aus der realen Welt verabschieden und sich in Insekten verwandeln. Die künstlerische Leitung ist also gefordert, das Publikum schon jetzt gespannt.
Das Wichtigste in Kürze
Der Verein «Kultur im Sternensaal» lädt vom 16. Mai bis zum 28. Juni zu seiner bereits siebten Eigenproduktion unter dem Arbeitstitel «Sechs Beine». Gespielt wird im grossen Saal des Kulturwerks Bleichi. Vorgesehen sind insgesamt 18 Vorstellungen plus allenfalls Zusatzvorstellungen.
Mit «Sechs Beine» begibt sich der Sternensaal auf eine Expedition ins Reich der Entomologinnen und Entomologen. Was sind das bloss für Leute, die ihre Lebenszeit darauf verwenden, Kleinlebewesen zu fangen, zu konservieren, auszuzählen? Autor Guy Krneta führt das Publikum in die unbekannte Welt von Zeitgenossen, die sich intensiv und leidenschaftlich mit Insekten und deren Lebensraum beschäftigen. Der grosse Raum im Werkhof eröffnet dem künstlerischen Team eine breite Palette an gestalterischen Möglichkeiten.
Geräusche, Laute und Klangbilder füllen und beleben den Theaterraum. Film und Video, Musik und Klänge, Kostüme und Choreografien lassen im Lauf des Theaterabends einen ganzen Insektenkosmos entstehen. Dabei spielt das Innenleben des Entomologischen Vereins und von dessen Mitgliedern eine zentrale Rolle. Während die künstlerische Leitung aus Profis besteht, sind auf der Bühne insgesamt elf Laienschauspieler zu erleben. --red